Das Drama mit der Drama-Serie

Von Bernd Sobolla · 29.04.2012
Erfolgreiche TV-Serien sind selten in Deutschland, international beliebte Reihen wie "CSI Miami" oder "Six Feet Under" kommen aus den USA. "Im Drama Series Lab" in Potsdam gingen Experten dem Erfolgsgeheimnis populärer Serien auf den Grund.
"Mad Men” ist nur eine unter vielen US-amerikanischen Serien, die es in den letzten Jahren schaffte, Kritiker und Publikum gleichermaßen zu begeistern. Aber die Drama-Serie rund um eine Werbeagentur in den 1960er Jahren, steht exemplarisch für den Erfolg des amerikanischen Produktionssystems. Das sieht auch Lothar Mikos vom Erich-Pommer-Institut so, der zum Drama Laboratorium nach Berlin einlud:

"In fast jedem europäischen Land gibt es eigen produzierte Serien, die sich aber schlecht exportieren lassen. Die kaum in anderen Ländern bekannt sind. Wohingegen amerikanische Serien zumindest welche sind, die überall in der Welt gesehen werden."

Bei der Entwicklung und Produktion gibt es in den USA und Europa viele kleine und einen großen Unterschied. Und dieser große trägt den Namen "Writer´s room". Setzt man in Europa noch immer auf den individuellen Autor, glauben die Amerikaner an die Autorengruppe. Dabei gibt es in der Regel einen, der die Serie und ihre Charaktere erfindet und sie dann mit fünf bis sechs Autoren weiterentwickelt. Einer wie Frank Spotnitz zum Beispiel, der gerade "The Hunted" eine neue Serie produziert beziehungsweise als Autor bei der Erfolgsserie "Akte-X" dabei war:

"Wir arbeiten ganz detailliert an jedem Skript, diskutieren jeden Wendepunkt ausführlich, und so werden die Geschichten einfach besser. Sie werden tiefgründiger und präziser, als wenn du allein schreibst. Man muss diese Arbeit natürlich mögen, aber die meisten Autoren tun das."

Ein Team setzt sich meist aus verschiedenen Spezialisten zusammen: Es gibt Autoren, die sich um die Entwicklung der Charaktere kümmern, andere widmen sich den Dialogen, wieder andere spitzen die Feder, wenn es um Liebesszenen geht und ebenso gibt es Autoren, die sich in der Halbwelt auskennen. Erste Versuche, einen "Writer´s room" auch in Deutschland auszuprobieren, hat es gegeben. Nämlich bei der Produktion der Serie "Unschuldig" mit Alexandra Nell. Sie war allerdings nicht besonders erfolgreich. Und Frank Spotnitz glaubt, dass es das Modell in Europa auch künftig schwer haben wird:

"Der größte Nachteil des "Writer´s room” sind die Kosten. Es ist einfach aufwendig, ein Autorenteam zu haben, das monatelang zusammensitzt und Geschichten entwickelt. In den USA gibt es einen riesigen Fernsehmarkt. Und wenn Serien produziert werden, dann sind es mindestens 13 Folgen, bei den großen Sendern sogar 24. Damit lässt sich ein Autorenteam leicht finanzieren. Aber in Europa sind die Serien meist kürzer und die Gewinnmargen viel kleiner."

Um die Risiken zu minimieren, wird zunächst nur ein Pilotfilm gedreht, der Einstieg zu einer Serie, um ihn einem Testpublikum zu zeigen. Erst wenn das überzeugt, steigt der Sender wirklich ein. Was Europäer beim verheißungsvollen Blick nach Amerika oft übersehen, ist die Tatsache, dass die meisten der dort entwickelten Formate bereits in den Startlöchern scheitern. Und einige erfolgreiche Serien wären fast nicht produziert worden. Das betont James Manos, der zum Team der legendären Mafia-Serie "Die Sopranos" gehörte:

"Diese Serie wurde auf die Entwicklungsbank geschoben. Das heißt, der Sender Fox wollte die Serie von David Chase entwickeln, hat sie dann aber doch verworfen. Es hat dann rund sechs Jahre gedauert, bis HBO die Serie übernahm. Bis zu diesem Zeitpunkt hatten wir nur die Pilotfolge gedreht. Ich war einer von fünf Autoren, die mit David arbeiteten. Keiner von uns konnte sich vorstellen, dass das einmal eine solch legendäre Show in Amerika und der ganzen Welt werden würde."

Da in den 90er-Jahren das Bezahl-Fernsehen in den USA immer bedeutender wurde, entstehen heute auch in relativ kleinen Sendern Serien. Und die zeigen in jüngster Zeit auch Interesse an europäischen Stoffen. So wurden die skandinavischen Serien "The Killing" und "Die Brücke" in den USA adaptiert. Und mit "Lilyhammer" entsteht nun sogar die erste Koproduktion. Die Serie handelt von dem Mafioso Frank Tagleano, dem der Boden in den USA zu heiß wird und der in Norwegen ein neues Leben beginnen will. Entwickelt hat "Lilyhammer" die Norwegerin Anna Bjornstad gemeinsam mit ihrem Mann. Und als Hauptdarsteller konnte sie den E-Street-Band Musiker Steven van Zandt gewinnen:

"Für uns war es wichtig, die Serie so zu entwickeln, dass sie Frank Tagleano als Immigranten zeigt. Er kommt nach Norwegen und hat die gleichen Probleme wie andere Immigranten. Das gibt dem ganzen einen gewissen Dreh. Es zieht Zuschauer an, die sich für die Mafia interessieren oder auch für das soziale System."

Im Idealfall wünschen sich die Macher, dass das "Drama Laboratorium" den "Writer´s Room" nach Europa bringt. Hiesige Autoren sind interessiert, aber auch skeptisch. Denn dann würden sie zu Angestellten und ihre kreative Arbeit nur Teil eines Gesamtpakets.
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