Crossover aus Morricone und Metallica

Von Tim Hannes Schauen · 17.03.2008
Mit vier Jahren begann er Geige zu spielen, als Jugendlicher stand er bereits auf den großen Bühnen der Welt, mittlerweile zählt der 27-jährige David Garrett zu den besten Geigern der Welt. Doch Klassik ist nicht seine einzige musikalische Liebe.
So klingt es, wenn David Garrett Bach spielt. Mit vier schnappte er sich die Geige des Bruders. Sechs Jahre später spielte er als Solist mit den Hamburger Philharmonikern.

"Unglaublich, ist wie 'n ganz anderes Leben, also das ist wie so 'n Film, wenn ich da drüber nachdenke, also die Erinnerung ist sehr surreal, ich weiß, dass es zwar passiert ist, aber ich hab es nicht bewusst miterlebt."

David Garrett wächst in Aachen auf. Seine Eltern, ein deutscher Anwalt und eine amerikanische Balletttänzerin, erkennen früh das Talent ihres jüngsten Sohnes und fördern ihn. 1992 – Garrett ist das gerade mal zwölf Jahre jung – geht er in die USA. Ida Haendel nimmt ihn dort unter ihre Fittiche. Mit 13 bekommt er einen Plattenvertrag und tritt mit Weltgrößen wie Isaac Stern oder Yehudi Menuhin auf. Trotzdem: Als Wunderkind hat er sich nie gesehen!

"Also als Kind hat man natürlich nie diese Arroganz, das zu behaupten, also zumindest war ich jetzt nicht so ... so hochnäsig. Also man hat immer versucht, sich mit den Großen zu messen, auch schon als Kind, man hat versucht, sein Bestes zu geben für jedes Konzert, aber das hat sich ja nicht verändert."

David Garrett, groß, gutaussehend, Dreitagebart, schokoladenbraunen Augen und blondierten langen Haaren, könnte auch als Rockmusiker durchgehen. Seine schwarzen Turnschuhe trägt er ohne Schnürsenkel, die teure Flickenjeans auf Halbmast. Cool das ganze. Dabei hat er, bis er 14 war, nur Klassik gehört. Heute liebt er: Hardrock. Verzerrte Gitarren, Metallica, Led Zeppelin.

"Das ist ja das Schöne an der Rockmusik, man kann sehr schlecht Sachen faken, du musst wirklich das Instrument beherrschen können, da muss man ein gutes Rhythmusgefühl haben, insofern finde ich eigentlich, hat die Rockmusik eher die kreativeren Künstler gehabt, in den letzten 30 Jahren, meine ich jetzt sagen zu können."

Der 27-jährige Musiker lebt heute in New York, teilt sich die Wohnung mit seinem älteren Bruder Alexander, einem Rechtsanwalt. Im letzten Jahr war David Garrett insgesamt nur viereinhalb Wochen zuhause, ist 64 Mal über den Atlantik geflogen. Ein Leben im Eiltempo – Ruhe zu finden, fällt da nicht leicht.

"Ja, ich hab gedacht, letztes Jahr war viel, aber man weiß ja nie. Es ist sehr, sehr schwierig, manchmal lieg ich da nachts bis drei vier Uhr wach und denk dann immer: du musst das und das und das, aber bringt ja gar nichts, man muss ja auch mal zur Ruhe kommen richtig. Aber ist schon manchmal sehr hart."

Dennoch: Musik ist sein Leben. Garrett ist gut im Geschäft – wieder muss man sagen. 2001 nimmt er eine Auszeit.

"Direkt nach dem Abitur hatte ich die Gelegenheit, mal so 'n bisschen 'nen Schlussstrich zu ziehen, und hab das dann auch wirklich genutzt und hab mich dann in die USA verkrümelt, und vier Jahre lang studiert noch mal: Musikgeschichte und alles, was da drum herum ist. Musiktheorie, Komposition. Für mich war das sehr wichtig, ich glaube, dass ich mich dann vorher nicht so richtig als ausgebildeter Musiker gefühlt habe, innerlich."

An der renommierten New Yorker Juilliard-School studiert er in der Meisterklasse des Geigers Yitzhak Perlman. Parallel dazu arbeitet der damals 22-Jährige als Barkeeper, als Bibliothekar, modelt ein bisschen. Doch die Musik lässt ihn nicht los: 2007 erscheint sein neues Album "Virtuoso". Eine Crossover- Mischung aus Bernstein, Morricone, Paganini, Metallica neu arrangiert mit Keyboards, Schlagzeug und verzerrten Gitarren. Drei Titel auf der CD hat der Geiger selbst komponiert. Erstmals.

Musik, die man jetzt erstmals live in Deutschland hören kann.

"Richtig, aber davor muss ich ja noch andere Sachen machen, kurz in die USA rüber, Japan: vier Konzerte im April ..."

… erklärt Garrett lachend, bevor er den Geigenkoffer aufklappt und die 300 Jahre alte Stradivari in die Hand nimmt. Vier bis fünf Stunden am Tag spielt er sie. Und plötzlich verwandelt sich dieser schöne, gestylte Mann, er wird weich, lächelt in sich hinein, taucht ein in seine Welt. Und plötzlich versteht man, warum David Garrett zu den Großen seiner Zunft zählt.

"Es wird nicht leichter, das kann ich ihnen sagen, es wird nicht leichter ..."