Conor O'Brien

Das schüchterne Genie

Der irische Musiker Conor J. O'Brien
Gefeierter Songwriter und Kopf der Band "Villagers": Der Ire Conor J. O'Brien © picture-alliance / dpa / Rich Gilligan
Von Martin Risel · 14.04.2015
"Darling Arithmetic" heißt das neue Album von Conor O'Brien und seiner Band "Villagers". Es ist das bisher persönlichste des irischen Songwriters und handelt von Beziehungen und Trennungen und vom langen Weg zu sich selbst.
"Courage" – um Mut auf dem langen Weg zu sich selbst geht es im Eröffnungsstück, gleichzeitig der ersten Single vom neuen Album der Villagers. Und so paradox der Albumtitel "Darling Arithmetic" – die Zusammenführung der zärtlichen Liebes-Welt mit der kühlen Mathematik – auch klingen mag - so paradox scheint auch die Lebenswirklichkeit von Bandkopf Conor O'Brien. Der internationale Erfolg bringt ihn rund um die Welt – wohl fühlt er sich aber nur in seinem irischen Zuhause.
"Ich vermisse Dublin auf Reisen immer - und zurück fühl mich ganz zuhause. Keine Ahnung warum, das ist meine Heimat."
Und da in einem alten Farmhaus nördlich von Dublin lebt der 32-Jährige und erarbeitet seine Songs. Sein Haus nennt er "My hide" – mein Versteck.
Auch im Interview spürt man überdeutlich, dass er diese Schutzhülle eigentlich nicht gerne verlässt. O'Brien weicht vor dem Mikrophon zurück, grübelt viel und lange, ringt nach den richtigen Worten. Und dann ist der schmächtige, blasse Mann froh, wenn sie ihm in den schmalen Mund gelegt werden.
Nicht das Zeug zum großen Star
"Ich denke, ich bin nicht vereinsamt, aber einsam, für mich. Ich mag das. Diesen kreativen Prozess ohne andere um mich herum, die ihre Visionen durchsetzen wollen."
Und deshalb sind und bleiben die Villagers immer vor allem Conor O'Brien. Oft wird sein Name mit Conor Oberst verwechselt, dem gleichermaßen talentierten Songwriter-Kollegen aus den USA. Vergleichsgrößen wie Nick Drake und Leonard Cohen werden gerne herangezogen. O'Brien genießt das ein bisschen, das Zeug zum großen Star hat er aber nicht gerade.
"Manchmal bin ich zu schüchtern, um bestimmte Sachen zu diskutieren, dann sind auch die Songs schüchtern. Denn alle haben einen realen Hintergrund. In den früheren Songs gibt es mehr Symbole und Metaphern. Und jetzt bin ich wohl auf einer neuen Stufe in der Evolution meines Songwritings."
(Musik: Hot Scary Summer)
"Ich habe mit der Geschichte eines Beziehungsendes angefangen und musste irgendwie noch was über Homophobie hereinbringen. Denn mein Liebesleben ist durchsetzt von solchen Erfahrungen mit Homophobie und Engstirnigkeit. In diesem Song erinnere ich mich daran, als ich mit Gewalt bedroht und auf der Straße verfolgt wurde. Und mein Ziel war, etwas Schönes zu schaffen aus solchen Horror-Erfahrungen."
Ein neuer, offener Geist in Irland
In "Hot Scary Summer" ist noch am ehesten herauszuhören, was Conor O'Brien zuletzt musikalisch besonders beeinflusst hat: britische Elektroniker wie Luke Abbott und James Holden sowie frühe Soulmusik.
Auch aus dem Kanon dieses Albums, vergangene Beziehungen zu reflektieren, ragt dieser Song mit seinen gesellschaftspolitischen Bezügen heraus.
Und bei aller Liebestrauer-Bewältigung wirkt O'Brien spürbar gelöst, als er erzählt, wie es sich gebessert hat mit Homophobie und Engstirnigkeit in seiner Heimat.
"Irland hat sich gerade drastisch verändert zu einem offeneren Geist. Man kann es fühlen, eine tolle Erfahrung, wenn Kinder jetzt so aufwachsen. Ich wuchs in den 90ern damit auf, nicht zu sagen und zu zeigen, wie man ist. Und heute bekennt sich unser Gesundheitsminister zum Schwulsein. Das ist cool und war vor fünf Jahren noch undenkbar."
"Little Bigot" ist das ungewöhnlichste der neuen Villagers-Stücke. Mehr solcher schrägen Einfälle hätten dem etwas trägen, weinerlichen Grundton von "Darling Arithmetic" gut getan. Vielleicht kommt das ansonsten schöne Album auch einfach zur falschen Jahreszeit: Mit seiner inneren Einkehr hätte es besser in den Herbst gepasst.
Geplant: ein Album nur mit Chorgesängen
Die Arithmetik ist Conor O'Brien eigentlich eine fremde Welt. Aber er mag den Gegensatz zur Welt der Gefühle, quasi als rationale Erdung seiner emotionalen Wallungen. Und die wollte er diesmal nicht in dicken Ölfarben auftragen.
"Dieses Album ist wie mit Wasserfarben gemalt, ich habe viel von der Leinwand leer gelassen. Und der Hörer kann das Gemälde mit seinen eigenen Erfahrungen und Gefühlen vervollständigen."
Noch mehr davon kann der Hörer beim nächsten geplanten Projekt von Conor O'Brien einbringen: ein Album ausschließlich mit Chorgesängen.
Aber zunächst mal hat er seine Villagers neu formiert: Bei der aktuellen Tour sind Musiker unter anderem mit Harfe, Flügelhorn und Kontrabass dabei. Und so klingt der lange Weg zu sich selbst dann live jetzt auch anders.
"Die Konzerte werden wie das Album sehr intim, nicht so laut wie bisher. Das wird so eine verträumte, warme Atmosphäre bei den neuen Shows."
Mehr zum Thema