Christian von Borries'"Conflict Music"

Klänge als Waffe

Im Festsaal der Wartburg in Eisenach probt Christian von Borries (l) mit der Staatskapelle Weimar am Freitag (08.09.2006) das Musiktheaterprojekt "Tannhäuser am Deutschen Hof/Kabul".
Christian von Borries © picture alliance / dpa / Martin Schutt
Von Christian Werthschulte · 11.05.2015
In seinem Stück "Conflict Music" collagiert Christian von Borries Marschmusik mit Folter-Metal aus Guantanamo. Der umtriebige Performancekünstler zeigt, was Musik mit Krieg und Macht zu tun hat. Die Sounds werden über Beirut in den Kölner Konzertsaal gestreamt.
Auf der Leinwand läuft ein Film von einer Rüstungsmesse: Soldaten springen über Container. Menschen im Anzug probieren Maschinengewehre aus. Darunter spielt ein Orchester eine Musikcollage aus Mozart, dem Star-Wars-Soundtrack und Zarah Leanders "Ich weiß, es wird einmal ein Wunder geschehen".
All diese Sounds werden nach Beirut gestreamt, wo sie von einem Hip-Hop-Produzenten geremixt und wieder zurück in den Konzertsaal gesendet werden. So war die Premiere von "Conflict Music", dem neuesten Werk des Berliner Komponisten Christian von Borries, bei der Akademie der Künste der Welt am Sonntag in Köln.
Von Borries: "Kann man hören, was Krieg ist? Das ist kein musikalischer Gedanke, sondern der hat etwas zu tun mit der Art der Benutzung von Musik."
Von Borries nähert sich seinem Thema über Samples an.
Laserwaffen und Musik als Folterinstrument
Der Soundtrack von Star Wars etwa soll auf die Laserwaffen der Rüstungsfirma Rheinmetall verweisen, Mozarts Janitscharenmusik erinnert an die lange europäische Tradition der Angst vor dem wilden Osten. Und über all dem steht die Frage nach den Methoden, mit denen Staaten ihre politische Vorherrschaft sichern wollen.
"Jetzt kann man natürlich sagen: Moment, was hat das denn mit Musik zu tun? Es gibt aber Leute im Außenministerium, die sagen: Kultur ist der Soft Opener für alle Interessen, für ökonomische, politische und militärische Interessen."
Musik und Militär sind sich nahe – nicht nur bei Mozart, auch bei Metal. Die amerikanische Band Drowning Pool etwa fand es gut, dass ausgerechnet ihre Musik als Folterinstrument in Guantanamo eingesetzt wurde. Meist zeigt sich der Krieg in der Musik aber dort, wo man ihn nicht sofort vermutet: bei den Technopionieren Cybotron aus Detroit zu Beispiel
Einer der Köpfe von Cybotron ist der Vietnam-Veteran Rick Davis. Mit dem Synthesizer simuliert das Duo die Geräusche des Dschungelkampfs; und sie verfremden ihren Gesang mit einem Gerät, das der US-Armee zur Verschlüsselung von Kampfbefehlen diente: dem Vocoder.
Klang als Kriegsgerät und eine friedliche Tanzfläche
1936 wurde der Vocoder in den Bell Labs erfunden und schon im Zweiten Weltkrieg kam er zum Einsatz. In einem Vocoder wird das Tonsignal an seinem Ursprung auf verschiedene Frequenzen aufgeteilt und somit verschlüsselt. Am Zielort werden die Frequenzen dann wieder zusammengesetzt. Auf diese Weise wird die menschliche Stimme zur Maschinenstimme, die schließlich ihren Weg auf einen Sommerhit findet – auf Daft Punks "Get Lucky".
Heute haben sich die Frequenzen der Miltärtechnik längst in den Alltag eingeschrieben. "Sonic Warfare" - Kriegsführung per Klang - nennt der Kulturwissenschaftler und DJ Steve Goodman diesen Vorgang. Als Herrschaftstechnik mobilisiert Musik Emotionen, egal ob im Supermarkt oder als Foltersoundtrack in Guantanamo. Dagegen gibt es Widerstand, der seine eigenen Frequenzen nutzt – etwa den Sub-Bass.
"Anti-War-Dub" von den Digital Mystikz, einem afro-britischen Dubstep-Duo aus London. Erschienen ist das Stück auf ihrem Label DMZ - der englischen Abkürzung für "entmilitarisierte Zone". Die "entmilitarisierte Zone" ist die Tanzfläche, wo der unbarmherzige Lärm des Londoner Alltags vom wohligen Klang der Bassfrequenzen ausgelöscht wird.
Klang ist also zum Kriegsgerät geworden. Welchen Klang man aber als Waffe empfindet, ist weniger eine Frage des Klangs an sich, sondern auf welcher Seite man sich befindet, erklärt Christian von Borries zum Abschluss.
"Ich frage mich, ob die Koransure, die ja sehr schön klingt in unseren Ohren, nicht die totale Foltermusik ist, weil wir denken: Die wollen uns den Kopf abschneiden. Und umgekehrt: Wenn die in Guantanamo gefoltert werden und dabei Drowning Pool hören – das ist genau dasselbe."
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