Chopin und sein Europa

Schatten und Sommerekstase

Die Skyline von Warschau
Im Warschauer Zentrum findet das Festival "Chopin und sein Europa" statt © picture-alliance / PAP / Pawe³ Brzeziñski
02.09.2014
Jugendliche Musik in vollster Blüte, gepaart mit den klingenden Schatten des Alters - ein wechselvolles Konzert spielt das Orchester der Warschauer Nationalphilharmonie beim Festival "Chopin und sein Europa". Musik des Norwegers Arne Nordheim, des polnischen Jubilars Andrzej Panufnik und von Richard Strauss und Sergej Prokofjew zeigen hier die unterschiedlichsten Facetten des Chopinschen Erbes.
Wie immer bei diesem Festival, das dem Nationalhelden Chopin gewidmet ist, stehen Solokonzerte, zumeist für das Klavier und Orchester, auf dem Programm. Doch Chopins heimliches Lieblingsinstrument war das Cello – das zumindest meint Festivalleiter Stanisƚaw Leszczyński. Denn für kein anderes Instrument hat der Klavierromantiker kammermusikalische geschrieben als für das Cello. Und zu seinen engsten Freunden in Paris gehörte der Cellovirtuose Auguste-Joseph Franchomme.
Die 10. Ausgabe des Festivals „Chopin und sein Europa" hat einen nordischen Schwerpunkt. Nicht nur weil der Norweger Thomas Tellefsen einer der treuesten Schüler Chopins war damals in Paris. Mit der Musik eines Norwegers beginnt auch dieses Konzert. Am dreizehnten Tag des Festivals leistet das Philharmonische Orchester der polnischen Hauptstadt unter Leitung seines Chefdirigenten Jacek Kaspszyk einen Beitrag – der britische Cellist Robert Cohen spielt das Konzert von Arne Nordheim. Es trägt den Titel „Tenebrae" (Schatten) und ist ein ergreifendes Lamento des Soloinstruments im Wechselspiel mit rabiaten und zum Teil elegant-farbigen Passagen des Orchesters. Nordheim schrieb dieses Konzert in reifen Jahren für Mistislaw Rostropowitsch. Literarische Anregungen dazu fand er in Thomas Manns „Doktor Faustus".
Der seit 1954 im englischen Exil lebende polnische Komponist Andrzej Panufnik hat besonders hart mit jenem Werk gerungen, mit dem er in die Fußstapfen Chopins treten würde. Sein Klavierkonzert vom Ende der 50er Jahre hat er mehrfach verändert und dabei vor allem die Gestalt des ersten Satzes deutlichen Revisionen unterzogen. Mit seinem Landsmann Chopin verbindet Panufnik, der vor einhundert Jahren in Warschau geboren wurde, vor allem die Exilerfahrung. Mit dem Unterschied, dass er noch die Befreiung seines Heimatlandes erleben konnte. Damit einher ging die wachsende Anerkennung für seine Musik in Polen, wo er über viele Jahre persona non grata gewesen war. Panufniks Klavierkonzert ist inzwischen in Großbritannien und in Polen recht bekannt. An diesem Abend wird es von der 21 Jahre alten polnischen Pianistin Katarzyna Goƚofit gespielt.
Nach der Pause folgt ein kurzer Ausflug in die virtuose Orchesterliteratur, die ganz ohne Solisten auskommt – schließlich begeht die Musikwelt in diesem Jahr den 150. Geburtstag von Richard Strauss. Sein „Till Eulenspiegel" bietet jedem Orchester Gelegenheit zum Glänzen und klingt passagenweise heute noch modern.
Den rasant-spielfreudigen Abschluss bildet das dritte Klavierkonzert von Sergej Prokofjew. „Musik und Jugend in Blüte!" – das schrieb der Dichter Konstantin Balmont, nachdem er 1921 dieses Konzert des immer noch jungen Prokofjew gehört hatte. Der ukrainische Meisterpianist Alexander Gavrylyuk - auch er ist erst 30 Jahre alt – konnte für das Warschauer Konzert gewonnen werden. Er ist innerhalb von Stunden für die erkrankte Martha Argerich eingesprungen.
Festival Chopin und sein Europa
Nationalphilharmonie Warschau
Aufzeichnung vom 26.08.2014
Arne Nordheim
"Tenebrae" für Violoncello und Orchester
Andrzej Panufnik
Konzert für Klavier und Orchester
ca. 20.50 Uhr Konzertpause
Richard Strauss
Till Eulenspiegels lustige Streiche nach alter Schelmenweise in Rondeauform für großes Orchester, op. 28
Sergej Prokofjew
Konzert für Klavier und Orchester Nr.3 C-Dur op. 26
Robert Cohen, Violoncello
Katarzyna Goƚofit, Klavier (Panufnik)
Alexander Gavrylyuk, Klavier (Prokofjew)
Orchester der Nationalphilharmonie Warschau
Leitung: Jacek Kaspszyk