Charlie Winston

Ex-Wanderarbeiter und Meister der Balladen

Charlie Winston
Charlie Winston © dpa / picture alliance / Frédéric Dugit
Von Martin Risel · 12.02.2015
Seit seiner Kindheit tief im Folk verwurzelt: Charlie Winston ist ein außergewöhnlicher Musiker. Einst rastlos unterwegs ist er nun in London sesshaft geworden. Vielleicht steckt daher in seinem neuen Album "Curio City" mehr Metropole, mehr Glamour.
Ja ja, wer Charlie Winston eher als erdigen Folkfreak kennt, der kann sich jetzt schon etwas wundern...
"Ja, klar, das ist ne neue Richtung. Gerade dieser Song ist von Daft Punk und sowas beeinflusst. Ich liebe Tanzmusik und auf der Bühne zu tanzen. Ich wollte eine Platte machen mit Songs, bei denen man einfach die Instrumente weglegt und tanzt."
Auch ganz alleine kann der Mann eine Bühne beherrschen, einen ganzen Konzertsaal mit seinem Können und Charisma in den Bann ziehen, wie ich das sonst selten erlebt habe. Da spürt man seine Live-Erfahrung in Jazz- und Reggaebands und am Theater, seine weltoffene Nonchalance. Denn es war nicht nur diese eine besondere Begegnung zum Karrierebeginn, die ihn zum Erfolg geführt hat. Die Begegnung mit Peter Gabriel in dessen Realworld-Studios, als Charlie Winston dort mit der Band seines Bruders aufnahm, die Gabriel-Familie kennen lernte - und dann:
"Peter musste zu einer Preisverleihung nach London und konnte keinen Babysitter finden. Also hab ich's gemacht – und ihm am Ende der Nacht meine CD gegeben. Ein paar Monate später hat er mich angerufen."
Wandlungsfähige Musikerpersönlichkeit
Und so kam bei Peter Gabriels Realworld-Label vor 6 Jahren "Hobo" heraus, Album und Single wurden von Charlie Winstons damaliger Wahlheimat Frankreich aus ein mindestens europaweiter Erfolg. Warum? Schon in dem "Englishman in Paris" steckten viele Talente: Singer-Songwriter, Crooner und Chansonnier, Soulman, Blues- und Balladenbarde – und auch auf seinem neuen Album "Curio City" zeigt sich Charlie Winston wieder als wandlungsfähige Musikerpersönlichkeit:
Mit Folk-Wurzeln geerdet ist er quasi von Haus aus: Schon die Eltern waren Folkmusiker, die musikinfizierten Kinder wuchsen dann im hauseigenen Hotel im britischen Cornwall auf – und:
"Wir haben uns immer über unseren Vater amüsiert mit seiner 'Plinky-Planky-Musik'. Aber in ihrem Hotel gab's immer Vielfalt: Auch Beethoven, Mozart - und ständig Vivaldis 'Vier Jahreszeiten'. Als ich da wegging, stand ich total auf Jazz, dann auch auf Minimalisten wie Steve Reich und Philip Glass. Und auf indische Ragas."
Also, kein Wunder: So eine hohe Musikalität und Vielseitigkeit trifft man selten bei einem Künstler wie eben bei Charlie Winston. Doch der sieht sich jetzt lieber als Gärtner – und was ist dann wohl seine liebste Jahreszeit?
"Frühling ist mir am liebsten, auch symbolisch: Mit meinem neuen Album ist jetzt die aufregendste Zeit. Ich bin der Gärtner, kann nun beim Wachsen zuschauen, hab kaum noch damit zu tun. Der Gärtner hat seinen Job getan."
In "Curio City" steckt viel Metropole, viel Glamour
"In diesem Song geht's um das Aufwachsen im Hotel. Wie schwierig das war... Aber ich möchte die Erinnerung nicht trüben."
Und so schließt sich beim Meister der Melodien und Balladen der persönliche Kreis. Seine Zeit als Hobo, als rastlos herumziehender Wanderarbeiter, unterwegs zwischen Cornwall, L.A., Paris und vielen anderen Ecken der Welt, die ist vorbei. In London ist der 36-Jährige sesshaft geworden.
Und vielleicht steckt auch deshalb in "Curio City" mehr Metropole, mehr Glamour. Vergleichbar mit den großen Joe Jackson-Alben. Und doch ganz eigen. Bei manchen Musikern merkt man halt ganz deutlich, dass sie wirklich Talent und Leidenschaft ausleben. Charlie Winston ist so einer.
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