Casual Concerts in Berlin

"Die Menschen husten nicht - und klatschen anders"

Ingo Metzmacher dirigiert
Ingo Metzmacher war von 2007 bis 2010 Chefdirigent und Künstlerischer Leiter des Deutschen Symphonie-Orchesters Berlin. © picture alliance / dpa / Claudia Esch-Kenkel
Ingo Metzmacher im Gespräch mit Dirk Schneider · 03.05.2016
Bei den Casual Concerts in der Philharmonie Berlin erscheint das Publikum ohne Frack und Abendkleid. Dirigent Ingo Metzmacher, der das Format erfunden hat, erklärt uns zum Abschluss der aktuellen Saison, was den Reiz der Konzerte ausmacht.
Dirk Schneider: Herr Metzmacher, Sie gelten ja als Erfinder dieses Formats …
Ingo Metzmacher: Ich bin der Erfinder!
Schneider: Aber ich dachte immer, die Idee sei über den Teich geschwappt ...
Metzmacher: Das stimmt. Die Idee ist mir gekommen, weil ich in Los Angeles dirigiert habe und die haben diese Veranstaltung, die sich Casual Friday nennt, und da sollte ich kurzfristig so ein Konzert moderieren. Und da kamen die Zuhörer in Bermudas und mit Sonnenbrille, das war dann natürlich noch viel mehr casual als hier in Berlin – und das hat mir gefallen, weil es eine besondere Atmosphäre hatte.

"Das ist das beste Publikum der Welt"

Schneider: Kann man die beschreiben?
Metzmacher: Es gibt einen Einheitspreis und freie Platzwahl. Und ich habe mir immer erhofft, dass andere Menschen in so ein Konzert kommen als in die üblichen. Und das ist auch so eingetreten. Das ist meine absolute Lieblingsveranstaltung und das ist das beste Publikum der Welt, weil die wirklich zuhören und wirklich an der Musik interessiert sind. Und sie husten nicht und klatschen auch anders.
Schneider: Das Format gibt es seit 2008. Hat es sich seitdem verändert?
Metzmacher: Ja, das "Nachher" haben wir ein bisschen verändert. Am Anfang haben wir gedacht, wir müssten auch in der Lounge danach noch ein bisschen klassische Musik spielen, aber da spielen wir jetzt ganz andere Sachen.
Schneider: Aber mittlerweile ist es doch auch bei anderen Konzerten durchaus so, dass man etwas ungezwungener, also ohne Frack und Anzug, hingehen kann, oder?
Metzmacher: Das stimmt, aber trotzdem gibt es in einem "normalen" Konzert unausgesprochene Rituale, an die sich alle zu halten haben. Und das ist im Casual Concert schon ganz anders. Ich komme erstmal auf die Bühne und fange an zu reden. Mir ging es immer darum, den Leuten die Ohren zu öffnen; ihnen zu sagen: Hört mal her!

"Den Auf- und Abstieg vom Berg musikalisch gestaltet"

Schneider: Das heißt, Sie lassen sich eigentlich eher von der Atmosphäre überraschen und fangen dann einfach irgendwie an, wie es Ihnen gerade in den Sinn kommt?
Metzmacher: Das geht mit einem Orchester nicht. Die Musiker wollen natürlich schon wissen, welche Beispiele ich wann anspiele. Im Idealfall würd ich das schon am liebsten komplett improvisieren.
Schneider: Kommen wir zur Alpensinfonie, die Sie am Freitag spielen. Warum ausgerechnet dieses Werk?
Metzmacher: Das ist, um ehrlich zu sein, eine recht pragmatische Entscheidung. Wir spielen am Tag darauf ein Konzertprogramm und dann überlegen wir, was daraus gut für das Casual Concert passen könnte. Und die Alpensinfonie ist deshalb ideal, weil man daran so schön zeigen kann, wie Strauß den Auf- und Abstieg vom Berg musikalisch gestaltet. Man kann sozusagen die Schilder aufstellen.
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