Bütikofer plädiert für Bundestagsmandat zu Tornado-Einsatz

Moderation: Hanns Ostermann · 22.12.2006
Grünen-Chef Reinhard Bütikofer hat sich bei der Entscheidung zu einem Tornado-Einsatz in Südafghanistan für ein neues Bundestagsmandat ausgesprochen. Er wolle nicht ausschließen, dass der Einsatz dieser Tornados sinnvoll wäre. Doch müsse die Bundesregierung Fakten vorlegen.
Hanns Ostermann: Geld regiert die Welt. So scheint es jedenfalls. Es fließt schon eine Menge Geld, um die schwierige Lage im Nahen Osten zu entschärfen. Israel stellt Palästinenserpräsident Mahmud Abbas Millionen in Aussicht, ebenso die USA. Verbunden ist damit die Hoffnung, die gemäßigten Kräfte zu unterstützen. Und parallel greift Teheran der Hamas und Ministerpräsident Hanija unter die Arme. Der Nahost-Konflikt bleibt eines der Probleme, die seit Jahren, wenn nicht Jahrzehnten, ungelöst sind. Man kann eigentlich schon froh sein, wenn der Bürgerkrieg in den palästinensischen Gebieten nicht endgültig ausbricht.

Der Vorsitzende der Bündnisgrünen war in Israel und Ramallah, er ist jetzt am Telefon von Deutschlandradio Kultur. Guten Morgen, Reinhard Bütikofer!

Reinhard Bütikofer: Guten Morgen, Herr Ostermann!

Ostermann: Mit welchen Eindrücken sind Sie jetzt zurückgekommen?

Bütikofer: Mit durchaus gespaltenen Eindrücken bin ich zurückgekommen, Herr Ostermann. Auf der einen Seite ist die Situation in den Palästinensergebieten absolut chaotisch. Auf der anderen Seite habe ich auch dort Leute gefunden, die mit sehr viel Fantasie und Engagement versuchen, die geringen Chancen, die es gibt für einen Ausweg, tatsächlich zum Tragen zu bringen. Und in Israel, würde ich sagen, gibt es tatsächlich einen gewissen Meinungsumschwung. Lange ist gesagt worden: Wir haben keinen Partner. Manche sind dumm genug, das auch heute noch zu sagen. Aber die Mehrheit meiner Gesprächspartner hatte begriffen, man braucht eine Kooperation, insbesondere vor dem Hintergrund der großen Sorgen, die sich Israel macht, im Hinblick auf Drohungen aus dem Iran, gibt es eine große Dringlichkeit, den Konflikt mit den Palästinensern tatsächlich anzupacken und zu lösen. Und ich könnte mir vorstellen, dass das Gerede, das man schon oft gehört hat - "Wir wollen Mahmud Abbas unterstützen" -, bei dem bis jetzt nie etwas herauskam, dass das diesmal vielleicht wirklich ernst gemeint ist und dass wirklich Schritte ergriffen werden, die ihm erlauben, auch die Situation ein Stück weit zu stabilisieren und Schritte nach vorne zu gehen.

Ostermann: Jetzt hoffen viele auf ein schnelles Treffen des Nahost-Quartetts. Bundesaußenminister Steinmeier war sich da mit seinem russischen Kollegen gestern einig, gemeinsam mit der UN und den USA müssten die Gespräche schnellstens wieder aufgenommen werden, auch diese Gespräche. Nun gibt es bereits zahlreiche Pläne. Also worum sollte es da genauer gehen?

Bütikofer: Das weiß ich auch nicht genau. Es gibt in der Tat genug Pläne. Alles liegt auf dem Tisch: die Clinton Parameters, die Bush Vision, der Friedensplan der Arabischen Liga, der Geneva Accord. Wie die Lösung aussehen müsste, wenn sie tatsächlich angepackt wird, das ist eigentlich nicht mehr die Diskussion. Es geht um den Weg dahin. Und da reicht, glaube ich, das Quartett nicht mehr aus, insbesondere weil die Amerikaner bis jetzt nicht nur keine Initiative zeigen, sondern wichtige Initiativen sogar blockieren. Also es gibt in Israel bis ins Büro des Ministerpräsidenten hinein viele Leute, die sagen, man muss mit Syrien reden. Und aus Washington kommt ständig nur "No, no, no, no". Deswegen, glaube ich, es wäre wichtig, über das Quartett hinaus zum Beispiel die gemäßigten arabischen Staaten Jordanien, Ägypten einzubeziehen, vielleicht auch die Chinesen. Also das auf eine breitere Basis zu stellen. Und ich glaube auch, Europa darf nicht warten, bis sich in Washington was bewegt, sondern Europa muss auch eigene Initiativen ergreifen, nicht um die Amis zu ersetzen, ohne die geht es nicht, aber um die in Bewegung zu bringen.

Ostermann: Herr Bütikofer, der Vorgänger des jetzigen deutschen Außenministers war auf israelischer und palästinensischer Seite gleichermaßen respektiert, ich meine Ihren Parteikollegen Joschka Fischer. Wie bewerten Sie denn jetzt die Bemühungen Walter Steinmeiers, der war ja zum Beispiel in Damaskus?

Bütikofer: Die Bemühungen von Walter Steinmeier bewerte ich positiv. Ich glaube auch, es ist richtig, dass er die Richtung, Damaskus einzubeziehen, unterstützt. Nur ist es am Ende nicht etwas, was die Europäer liefern können, sondern am Ende muss es natürlich zum Dialog zwischen Israel und Syrien kommen. Und es ist natürlich auch wichtig, den Syrern klarzumachen, was geht und was nicht geht. Also die implizite Forderung der syrischen, der ganzen syrischen Politik, dass man die Kontrolle über den Libanon haben will, das können wir natürlich nicht querschreiben.

Ostermann: Nein, aber Sie akzeptieren und respektieren immerhin die Diplomatie, die Reisediplomatie Walter Steinmeiers?

Bütikofer: Ich respektiere das. Ich muss allerdings dazu sagen, dass die Politik der Bundesregierung insgesamt eher doppelgesichtig ist, weil ich von Frau Merkel keine wirksamen Initiativen oder Hinweise kenne. Eigentlich ist es jedem klar gewesen nach dem Ende des zweiten Libanon-Krieges, dass das Fenster der guten Gelegenheit nicht ewig offen stehen wird. Und man muss jetzt dazu kommen, dass eine multilaterale Initiative losgeht. Ich glaube nicht daran, dass die vielfach verschlungenen Probleme im Nahen Osten eins ums andere gelöst werden können, sondern da gibt es einen engen Zusammenhang, und den muss man auch in den Blick fassen.

Ostermann: Multilateral muss natürlich auch in Afghanistan gearbeitet werden. Innenpolitisch sorgt zwischen Regierung und Opposition der mögliche Tornado-Einsatz, also der Einsatz der Aufklärungsflugzeuge, im Süden Afghanistans für heftigen Streit. Haben Sie da den Eindruck, als Oppositionspartei im Bundestag ernst genommen zu werden?

Bütikofer: Ich habe leider wieder einmal den Eindruck, dass die Regierung versucht, am Parlament vorbei zu handeln. Es ist ja eine Frage, ob der Einsatz dieser Aufklärungstornados sinnvoll ist - das kann ich noch nicht mal ausschließen. Es müsste nur von der Bundesregierung mal argumentiert und dargelegt werden, was die genau dort machen sollen, wie die zeitliche Befristung sein soll, damit es im Rahmen des bisher gültigen Mandats vertretbar bliebe. Was aber die Regierung macht, ist was ganz anderes: Sie signalisiert den NATO-Partnern "wir werden schon", und sagt in der Innenpolitik, "das Parlament fragen wir lieber nicht". Wir haben aber eine Parlamentsarmee, und deswegen finde ich es schon notwendig, genau darauf zu gucken, dass das Mandat eingehalten wird, das der Bundestag verabschiedet hat. Und wenn es da Zweifelsfragen gibt, dann muss man lieber noch mal zum Bundestag gehen und noch mal fragen.

Bütikofer: Sie schließen aber bei Ihrem derzeitigen Kenntnisstand nicht aus, dass es durchaus gute Gründe dafür geben könnte, mit den Aufklärungsflugzeugen möglicherweise auch im Süden Afghanistans zu arbeiten?

Bütikofer: Das kann ich gar nicht ausschließen. Aber die Bundesregierung muss jetzt mal konkret sagen, was gemeint ist, welche Logik dahinterstecken soll, wie es befristet wird, wie die 250 Mann, die es möglicherweise bräuchte, im Rahmen der Obergrenzen, die gesetzt werden, eingehalten werden sollen, und so weiter und so weiter.

Ostermann: Reinhard Bütikofer war das, der Vorsitzende von Bündnis 90/Die Grünen im Deutschen Bundestag nicht nur, sondern generell der Partei. Herr Bütikofer, ich danke Ihnen sehr und wünsche Ihnen um zwei Minuten vor acht schöne Weihnachten.

Bütikofer: Wünsche ich Ihnen auch.