Bühne

Den Theaterbegriff erweitern

Ein roter Theatervorhang
Das FFT forscht in Theaterformen hinein, kocht auch mal mit dem Publikum. © picture alliance / dpa - Marcus Brandt
Von Christiane Enkeler · 08.09.2014
Seit 15 Jahren gibt es in Düsseldorf das Forum Freies Theater, kurz FFT. Ein Theater, das Diskussionen aufgreift und austrägt, dessen Bühne nicht nur "vorne" ist. Dafür nutzen die Künstler viele Formen: Tanz, Text und Performance.
Auch das ist "Theater" – ein Spiel, bei dem die Zuschauer in der Rolle von Flüchtlingen eine Lagerlandschaft betreten. In kleinen Szenen lernen sie, dass es hier nur weitergeht, wenn sie kleine Aufgaben erledigen. Wenn sie ihre Geschicklichkeit beweisen oder auch miteinander kooperieren. Die große Aufgabe: Wie komme ich über die Grenze?
Die junge Gruppe machinaEx arbeitet nach dem Vorbild von Computerspielen. Ermöglicht durch die Kulturstiftung des Bundes, konnte sie zwei Jahre am Forum Freies Theater residieren.
Das FFT hat kein eigenes Ensemble. Eine solch lange Zusammenarbeit wie mit machinaEx würde Theaterleiterin Kathrin Tiedemann gerne wiederholen.
"Wir wären, glaub ich, als FFT, als Produktionshaus, wir wären gerne in der Lage, Gruppen direkt einzuladen, zu sagen: Kommt, arbeitet hier, also das würde natürlich bedeuten, dass wir ein richtiges Produktionsbudget haben, und das haben wir immer noch nicht, auch nicht nach 15 Jahren."
Und trotzdem ist das Forum Freies Theater bekannt dafür, aktuell und nah am Diskurs zu arbeiten. Es dürfte mit das erste Haus sein, das darauf reagiert, dass langsam das Thema "Kolonialismus" in der deutschen Gesellschaft eine Rolle spielt.
Eine Aufgabe ist es, Distanz zu schaffen
Ein fortgesetztes Gespräch, auch mit den Künstlern: So ergibt sich das Politische im FFT inhaltlich. Formal bildet es sich in der Art und Weise ab, wie man im Theaterraum miteinander umgeht. Wie die Künstler Möglichkeiten finden, das Publikum einzubinden, die Zuschauer zu Positionen zu bewegen.
"Das ist für ich eigentlich ne ganz wichtige Aufgabe des Theaters, Distanz zu schaffen, ne Beobachtung zu ermöglichen."
Die Stadt einzubeziehen. Raus gehen. Das kann das Politische bedeuten.
"Festzustellen, in was für einer Welt man lebt, das kann man nicht alleine im stillen Kämmerlein tun, sondern das kann man eigentlich nur mit anderen Menschen und in Räumen tun."
... und dafür nutzen die Künstler hier viele Formen: Tanz, Theater, Text, Intervention, Performance, Lecture. Sie kochen, ziehen mit den Zuschauern durch die Straßen, lassen sie Aufgaben lösen. Kathrin Tiedemann und Dramaturg Christoph Rech wollen das Theater als Ort, an dem gesellschaftliche Fragen verhandelt werden,
(Christoph Rech) "in dem jeder, der da ist, gemeinsam mit anderen darüber nachdenkt,aus welcher Position heraus man heutzutage eigentlich lebt, agiert, aus einer Position heraus, die zum Beispiel eine westliche, eine europäische Position ist, die man vielleicht auf andere Art und Weise auch mal hinterfragen kann. Und das geht dann über in das Verhältnis zur Gesellschaft, auch sagen wir mal Verhältnis zur restlichen Biosphäre hinaus. Und dann nimmt man mal ne andere Perspektive ein."
Kathrin Tiedemann: "Kann man was von Pilzen lernen."
Christoph Rech: "Ja."
Es geht um Formen der Kommunikation. Da kann man auch mal gucken, wie das die Pilze machen. Das Forum Freies Theater kommuniziert selbst schon auch ganz gut, mit anderen Häusern quer durch die Republik, aber auch im deutschsprachigen Ausland. Beim "Freischwimmer"-Festival zum Beispiel darf der Nachwuchs seine Produktionen in allen teilnehmenden Theatern präsentieren.
Steve Ben Israel: "Stop the war"
Das freie Theater hat an Anerkennung gewonnen
Hier aber singt ein alter Theaterhase: Zu ihrem Einstand 2004 lud Kathrin Tiedemann auch das legendäre Living Theatre ein, als Beispiel für eine Art und Weise, sich mit Politik im Theater zu beschäftigen: eher aktivistisch.
2004, das ist halt schon wahnsinnig lange her, das bezog sich ganz stark auf Protestbewegungen, die sich gegen die globalisierte Ökonomie gewandt haben. Davon ist nicht mehr so viel übrig heutzutage, es hat andere Formen gefunden, oder man könnte auch umgekehrt sagen: In der Kunst ist der Einfluss dieser politischen und gesellschaftlichen Fragen vielleicht immer größer geworden in denen letzten zehn Jahren.
Sie stellt fest: Das freie Theater hat an Anerkennung gewonnen.
"Für mich ist das Wichtigste eigentlich, dass Künstler auch die Perspektive der Zuschauer interessiert, im Theater. Wie das dann im Einzelnen aussieht, da, glaub ich, sind wir sehr, sehr offen."
In den letzten Jahren hat das freie Theater, auch maßgeblich am FFT, sich in immer weitere Formen "hineingeforscht", experimentiert und auch Peinlichkeiten und Langeweile riskiert. Dabei sind immer differenziertere Herangehensweisen entstanden. Die Stadttheater profitieren von der neuen großen Freiheit und laden Künstler und Gruppen ein. Aber welches große Haus zeigt sich so unabhängig von Publikumserwartungen – gerade weil es sich zum Ziel gesetzt hat, auf das Publikum einzugehen?
Düsseldorf wäre ohne das FFT um Einiges ärmer.
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