Bremer Bürgerschaftswahl

SPD im 30-Prozent-Ghetto

Jens Böhrnsen, SPD-Spitzenkandidat und Bürgermeister von Bremen, lässt den Kopf hängen.
Hängende Köpfe bei der SPD und ihrem Spitzenkandidaten Jens Böhrnsen. © picture alliance / dpa / Jochen Luebke
Von Peter Lange · 10.05.2015
Die Bremer SPD musste bei der Landtagswahl dafür bezahlen, dass sie für die soziale Balance zu wenig tun konnte. Die Schere zwischen Arm und Reich geht gerade in diesem Stammland der SPD immer weiter auseinander, kommentiert Peter Lange. Linke und AfD profitieren.
Für die Bremer SPD war das kein schöner Abend, auch wenn sie als größte politische Kraft weiter den Bürgermeister stellt. Die Partei von Wilhelm Kaisen und Hans Koschnik, erfolgsverwöhnt über Jahrzehnte mit absoluten Mehrheiten oder nahe dran, ist nun also auch im 30 Prozent-Ghetto festgenagelt. Dafür gibt es viele Gründe, der wichtigste: Die Schere zwischen Arm und Reich geht gerade in diesem Stammland der SPD immer weiter auseinander. Es ist diese Verfehlung ihres eigenen Kernziels, die den Sozialdemokraten in Rechnung gestellt worden ist.
Das führt in Bremen nicht zu einer ausgeprägten Wechselstimmung zugunsten der anderen nominellen Volkspartei, der CDU. Aber die Akzeptanz des rot-grünen Bündnisses ist schleichend erodiert. Die Bürger gehen nach weiter links oder zu einer Protestpartei. Die Hälfte, und da hält Bremen im Westen nun einen traurigen Rekord, ging gar nicht erst zur Wahl.
So gesehen ist es logisch, dass die Linkspartei als vermeintlich bessere Sachwalterin der Interessen kleiner Leute deutlich zulegen konnte. Und auch die AfD wird in ihrer Wählerwanderungsbilanz einen ziemlich großen Posten aus der SPD finden. Trotz anhaltender innerparteilicher Konflikte über ihren Kurs funktioniert sie noch als Sammelbecken von Unzufriedenen. Bleibt nur die Frage, wann ihr Kredit aufgebraucht ist.
Die Verluste der Grünen sind zum Teil sicher auch auf den Verschleiß nach acht Jahren Regierungsbeteiligung zurückzuführen. Aber der Aufstieg zur zweitstärksten Parlamentsfraktion vor vier Jahren hatte vor allem mit der Reaktorkatastrophe von Fukushima zu tun, die 2011 nur wenige Wochen zurücklag. Ihr heutiges Ergebnis entspricht ihrem Potential.
Die FDP hat nach Hamburg nun auch in Bremen den Weg in das Landesparlament geschafft. Aus dem Schneider sind die Liberalen damit noch nicht. Erst in Baden-Württemberg im nächsten Jahr wird sich zeigen, ob das ein stabiler Aufwind ist, der die Partei trägt. Aber es ist im Moment Rückenwind für Christian Lindner, der sich in einer Woche als FDP-Vorsitzender zum ersten Mal der Wiederwahl stellt.
Wie immer die nächste, wieder SPD-geführte Regierung in Bremen aussieht: Sie muss in vielerlei Hinsicht ganz unten anfangen: Die höchste Arbeitslosenquote, die höchste Verschuldung pro Kopf; in die bevorstehende Wahlperiode fallen zudem die Verhandlungen über den Länderfinanzausgleich. Große Aufgaben, die mit einer nur auf ordentliche Verwaltung bedachten präsidialen Stadtregierung nicht zu schaffen sind. Wie immer die nächste Bremer Regierung aussieht, sie wird Hilfe von außen brauchen.
Mehr zum Thema