Bombenattentat in Bagdad

IS kompensiert Niederlagen durch Anschläge

Irakische Soldaten betreten einen Anschlagsort auf einem Markt.
Bereits 213 Tote: Am Anschlagsort in Bagdad treffen Soldaten ein, die helfen sollen © AFP/Ahmad Al-Rubaye
Stephan Rosiny im Gespräch mit Marianne Allwweis und Andre Hatting · 04.07.2016
Bei einem Terroranschlag des IS in Bagdad sterben über 200 Menschen. Die Terroristen töten Frauen und Kinder im Friedensmonat Ramadan. Das sei Teil einer globalen IS-Kampagne, um weiter siegreich zu erscheinen, sagt der Islamwissenschaftler Stephan Rosiny.
Der Irak wird seit mehr als einem Jahrzehnt von brutaler Gewalt heimgesucht, Bombenanschläge sind alltäglich. Doch der Angriff, der am Sonntagmorgen den Stadtteil Karada in Bagdad erschütterte, sticht aus dem Wahnsinn noch heraus. Die Zahl der Todesopfer ist inzwischen auf mindestens 213 gestiegen. Mehr als 300 Menschen wurden zudem verletzt.
Es ist der bislang schwerste Anschlag in diesem Jahr in Bagdad, die Detonation und ein anschließendes Feuer zerstörten mehrere Gebäude. Die Terrormiliz Islamischer Staat (IS) bekannte sich zu dem Attentat - sie wollte gezielt Schiiten treffen.
Für Stephan Rosiny, Nahost- und Islamwissenschaftler am Hamburger Giga-Institut für globale und regionale Studien, sind die vermehrten Anschläge im Friedensmonat Ramadam "besonders zynisch".

Der IS versucht seine Niederlagen zu kompensieren

Der IS werde derzeit territorial immer mehr zurückgedrängt, was sein eigenes Selbstverständnis als expandierendes islamisches Kalifat in Frage stelle, sagte Rosiny. Die Niederlagen versuche der IS dann zu kompensieren - durch immer mehr Attentate, möglichst weltweit. Die Terroristen wollten damit "eine Art fiktive Expansion aufrechterhalten", sagte der Wissenschaftler.
Warum es in der Region keine großen Solidaritätsbekundungen gibt, erklärt Rosiny mit dem schon lange schwelenden Konflikt zwischen Sunniten (Saudi-Arabien) und Schiiten (Iran). Da herrsche dann mancherorts "klammheimliche Freude" - "nicht über diese Art von Anschlägen, aber darüber, dass der IS die schiitische Regierung im Irak unter Druck setzt".
Ein kleiner Hoffnungsschimmer sind hingegen Berichte, wonach zuletzt auch Sunniten an der Seite von Schiiten gegen den IS kämpften.
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