Bohrrechte in der Arktis

Zu teuer, zu gefährlich, zu viel Widerstand

Goliat Ölfeld in der Barentssee
Unter der Arktis werden 90 Milliarden Barrel Öl vermutet. © picture-allicance / dpa / Terje Mortensen
Larissa Beumer im Gespräch mit Korbinian Frenzel · 10.06.2016
Sinneswandel bei Shell? Der Ölkonzern verzichtet auf seine Bohrrechte in der Arktis. Doch ganz freiwillig sei das Einlenken nicht gewesen, meint die Greenpeace-Expertin Larissa Beumer.
Korbinian Frenzel: Das ist wirklich eine Nachricht, die aufhorchen lässt: Shell, der große Ölkonzern Shell, verzichtet freiwillig auf das Recht, in der Arktis nach Öl zu bohren, und gibt die Erkundungsrechte dann auch noch weiter an eine Umweltorganisation, auf dass all das die Errichtung eines großen Meeresschutzgebietes – ein Ziel der kanadischen Regierung – erleichtern möge. Der von Umweltschützern viel gescholtene Shell-Konzern auf dem Weg vom Saulus zum Paulus? Über die Gründe, die Hintergründe dieser Entscheidung spreche ich jetzt mit Larissa Beumer, sie ist bei Greenpeace die Expertin für die Arktis. Guten Morgen!
Larissa Beumer: Guten Morgen!
Frenzel: War der Widerstand gegen die Bohrungen in der Arktis auch von Ihrer Seite zu groß, oder ist der Ölpreis zurzeit einfach schlicht zu niedrig?
Beumer: Nun ja, der niedrige Ölpreis hat mit Sicherheit auch eine Rolle gespielt, aber man muss sagen, dass Shell tatsächlich, glaube ich, auch nicht ganz freiwillig diese Lizenzen zurückgegeben hat. Greenpeace hat im März aufgedeckt, dass die Lizenzen eigentlich eh abgelaufen waren und somit damit ungültig, und der WWF in Kanada hat daraufhin im April gegen Shell geklagt und vor Gericht die Gültigkeit dieser Lizenzen angefochten. Für einen Konzern wie Shell ist es natürlich angenehmer, die Rückgabe dieser Lizenzen dann als gute Tat bekannt zu geben, als von einem Gericht dazu aufgefordert zu werden. Insofern ist es ein schöner Schritt, aber wie gesagt, nicht nur aus gutem Willen, und man kann, glaube ich, nicht von einem plötzlichen Sinneswandel hier von Shell sprechen.
Frenzel: Das heißt, haben Sie die Sorge, dass Shell auch irgendwann wieder auf die Idee kommen könnte, in der Arktis zu bohren, nach Öl zu suchen?

Einfach nicht rentabel

Beumer: Ja, also ich glaube, einige Hintertüren lässt sich der Konzern da schon offen, aber unter den momentanen Bedingungen ist es einfach wirklich nicht rentabel, in der Arktis nach Öl zu bohren, und insofern wird das jetzt für die nächsten Jahrzehnte, glaube ich, eher nicht auf der Tagesordnung stehen.
Frenzel: Gleichzeitig ist aber genau das ja das Problem, dass der Ölpreis, der im Moment so niedrig ist, ja wirklich stark schwankt. Wenn er wieder steigt – immerhin 90 Milliarden Barrel Öl werden ja vermutet unter der Arktis –, meinen Sie, das Unternehmen könnte sich da andere Wege suchen, vielleicht an den Orten, wo sie jetzt sind, vorbei?
Beumer: Ja, mit Sicherheit. Wie gesagt, ich glaube, der Konzern lässt sich das auch so ein bisschen offen, hat jetzt also nicht offiziell angekündigt, nie wieder in die Arktis zu gehen, aber das sind eben schon Projekte, die unglaublich teuer sind. Shell hat ja auch letztes Jahr vor der Küste Alaskas die Bohrungen aufgegeben, und das war eben ein Projekt, wo sie tatsächlich sieben Milliarden Euro verloren haben. Das sind dann schon große Entscheidungen, die, glaube ich, auch sehr langfristig sind.
Frenzel: Warum sind denn die Ölbohrungen in der Arktis für die Umwelt ein so großes Problem? Jetzt lassen Sie mich mal sozusagen ökologisch als Banause rangehen: Da ist ja eigentlich nicht viel, was kaputtgehen könnte, oder? Eis, Wasser …

Ölbohrungen gefährden seltene Tierarten

Beumer: So kann man das nicht sagen. Die Arktis ist eben schon ein Gebiet, die Gewässer in der Arktis von großer ökologischer Bedeutung. Also zum Beispiel jetzt in dem Gebiet in Kanada, das Gebiet ist die Heimat von vielen Walarten, wie Narwalen zum Beispiel, vielen Robbenarten, Walrössern, Eisbären, sehr vielen Seevögeln. Dort leben sehr, sehr viele seltene und tolle Arten, und die sind eben durch diese Ölbohrungen sehr gefährdet. Das Risiko von Ölunfällen ist einfach in der Arktis enorm viel höher aufgrund der sehr extremen Witterungsbedingungen dort vor Ort.
Frenzel: Gibt es denn schon Schäden, oder war das alles nur Ihre Befürchtung, dass es so kommen könnte?
Beumer: Nein, das sind bislang Befürchtungen. Bislang gibt es ja nur zwei Ölplattformen, die tatsächlich in der Arktis bohren schon nach Öl, aber bei diesen Ölbohrungen kann es einfach ganz schnell zu Unfällen kommen. Deswegen wollen wir das einfach von Anfang an direkt verhindern.
Frenzel: Shell verzichtet auf seine Bohrrechte in der Arktis. Im Gespräch dazu Larissa Beumer von Greenpeace. Ich danke Ihnen ganz herzlich für das Gespräch!
Beumer: Danke Ihnen!
Äußerungen unserer Gesprächspartner geben deren eigene Auffassungen wieder. Deutschlandradio Kultur macht sich Äußerungen seiner Gesprächspartner in Interviews und Diskussionen nicht zu eigen.
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