Blackout

Von Klaus Seifert · 01.12.2006
Vor einem Jahr - es war das erste Adventwochenende: Nahezu im ganzen Land hat der außergewöhnlich heftige Wintereinbruch ein Chaos ausgelöst. Am stärksten leidet das Münsterland. Schneesturm und Eisregen ließen die Drähte der wichtigsten Hochspannungsleitungen armdick anschwellen. Dreißig Meter hohe Strommasten brachen unter der Eislast zusammen, knickten wie Streichhölzer. Die Zivilisation brach zusammen.
Tagesthemen: "Guten Abend und herzlich willkommen zu den Tagesthemen. Heute Abend sitzen immer noch 60.000 Münsterländer ohne Strom da und fragen sich nicht nur, wann sich das endlich mal ändert, sondern auch, wer denn für die Schäden aufkommt. Es sah heute im Münsterland schon einmal so aus, als würde sich die Lage der Menschen verbessern. Doch dann wurden wieder 40.000 eiskalt erwischt."

Vor fast genau einem Jahr, am Abend dieser Tagesthemen-Sendung vom 28. November 2005, herrschte schon drei Tage und drei Nächte ein nie da gewesenes Schneechaos in Teilen des nördlichen Münsterlandes. Es kam zum Blackout – dem totalen Stromausfall. Ein Techniker des Stromversorgers RWE.

"Dieser Schnee war nicht nur sehr stark, sondern auch sehr feucht. Wir hatten ungefähr null Grad Außentemperaturen und Windstärken von zirka acht bis neun. Das hat dazu geführt, dass es dann zum so genannten Seiltanzen gekommen ist: Es kamen Schwingungen in die Leiterseile, das so genannte Gallopping, und dann der erste Mast versagt hat und große Teilstücke dieser Leitung umgeknickt sind."

An jenem Freitagnachmittag, als alles begann, freuten sich die Menschen auf ein erstes beschauliches Adventwochenende. Viele machten sich aus der geschäftigen Großstadt Münster auf den Heimweg in ihre schmucken, rot geklinkerten Eigenheime. Nur 30 km sind es zum Beispiel in das 6300 Einwohner zählende Örtchen Laer, in dem dieser Berufspendler zu Hause ist.

"Wir hatten ne Weihnachtsfeier in Münster, schön in der Firma, herrlich wie jedes Jahr, 60 Leute da, schöne Frauen – und Schnee ohne Ende. Ich geh’ um 18.00 Uhr zur Bushaltestelle, weil sie alle sagen: ‚Da fährt kein Bus mehr nach Laer.’ – Tja, war nix, da stehen da zwei Frauen aus Laer, die ich kenne: ‚Ja Helmut, ein Bus kommt nicht mehr.’ Ja, da standen wir da, was machen wir?"

Auf abenteuerlichen Umwegen, mit einem letzten, versprengten Bus und mit einem wagemutigen Taxifahrer kamen die Pendler doch noch ans Ziel.

"Abends um halb zwölf waren wir dann in Borghorst, sind dann in die Sparkasse gegangen – da wollten wir anrufen, da kriegtest Du aber keinen, weil die Handynetze ausgefallen sind. Ja, und da kommste nach Laer hin, halbeins, nass bis oben hin und die Scheiße… und da kommste in die Wohnung, machst die Tür auf: eiskalt, dunkel, da kommste wie in son schwarzes Loch! Dat war dat Grausamste, wat ich mir vorstellen konnte."

Laer war einer der ersten Orte, in denen die Stromversorgung zusammenbrach, berichtet Feuerwehrchef Heinz Blömer.

"Das Problem für uns fing an am Freitag, dem 25.11. im letzten Jahr und zwar gegen die Mittagszeit, gegen kurz nach zwölf kriegten wir unsere erste Alarmierung, dass eine Stromleitung die Hauptfahrstrecke, die L 579 zwischen Laer und Altenberge, abgerissen war und wir diese Strecke sichern mussten, dass also die Autofahrer nicht über die Strom führenden Kabel fahren konnten. Also das war so der Startschuss ins Rennen für diese ganze Geschichte."

Was war genau passiert, da draußen?

"Ja, da sind Stromkabel von einem Mast zum anderen abgerissen und diese lagen über dieser Hauptverkehrsstraße. Und an der Stelle selber war es schon gefährlich, weil diese Leitungen noch unter Strom standen und man durch nen Stromschlag also Verletzungen hätte erleiden können.
Wir mussten so lange dieses Stück sichern bis Mitarbeiter der RWE die Strecke freigeschaltet hatten und die defekten Leitungen also von der Strasse entfernt hatten."

Der Laerer Bürgermeister Hans-Jürgen Schimke erkannte an diesem Abend seine Gemeinde kaum wieder.

"Ich bin am Nachmittag zurückgekommen in die Gemeinde, von Münster, und hab mit Schrecken gesehen: Alle Lichter sind aus! Bin dann am frühen Abend zum Feuerwehrgerätehaus gegangen, weil ich mal sehen wollte was los ist und dort entwickelte sich ein Freitagabend, der dann katastrophale Züge angenommen hat: Wir hatten zunehmenden Schneefall, es wurde immer stärker. Problem war, dass dann die Leitungen erst ausgefallen, dann umgekippt sind und die Feuerwehr mit zwei Einsatzfahrzeugen bei uns draußen in der Landschaft war und die dann zwischen Stromleitungen stehen geblieben sind, einfach nicht mehr weiter konnten und insbesondere von Münster ein Schnellbus vor einer Stromleitung stand mit den ganzen Passagieren drin. Und wir haben hier ein Stückchen weiter den Schöppinger Berg, dort waren sehr viele Lastwagen und andere Fahrzeuge mit Personen hängen geblieben."

Der Bürgermeister ist gelernter Professor für Sozialrecht. In dieser Nacht bewies er sein Gefühl für Teamgeist.

"Dann kamen die ersten Landwirte mit Treckern bei uns auf den Hof gefahren und haben gesagt: ‚Wie können wir helfen?’ Das war ganz toll!
Und so entwickelte sich das an diesem Abend, bis dann so drei, halb vier jemand mit mir gesprochen hat und gesagt hat: ‚Müssen wir nicht eigentlich irgendetwas dafür tun, wenn morgen der Strom auch noch nicht da ist?" – Da rechnet man normal nicht mit, man denkt immer: Strom, der kommt wieder!"

Man hört, mancher Mitbürger habe in diesen Tagen die zupackende Seite seines Bürgermeisters kennen gelernt.

"Dann haben wir nachts um halb vier das Technische Hilfswerk angerufen und haben hier für die Gemeinde 3000 Portionen Erbsensuppe und Bockwurst geordert – was erstaunlicherweise geht: Man kann die nachts um halb vier anrufen. Die schicken einem allerdings ein Fax mit Kostenübernahmeerklärung durch den Bürgermeister. Das habe ich dann mal unterschrieben, obwohl ich nicht wusste, was dann tatsächlich auf uns zukam…"

Und weil man in der Not selten weiß, was auf einen noch zukommt, ordnete Schimke noch gleich die nächtliche Aktion Treffpunkt an. Wir hören, wie erwachsene Männer unter Stress selbst das Unmögliche möglich machen.

"Telefonieren konnten wir nicht, ich hatte aber einen Allrad zur Verfügung, also bin ich dann losgefahren mit dem Allrad und ich habe dann gesagt: ‚Ich fahre zu der Gaststätte Höfer, hab dann gehupt und gehupt, ich kriegte aber diesen Höfer nicht wach, den Wirt kriegt’ ich nicht wach! Und dann haben wir uns dann einfallen lassen: Haben wir dann Schneebälle gemacht, lange in der Hand gehalten, dass sie tauten auf Eis und haben die gegen die Rollladen geschmissen, immer."

Irgendwann wachte zumindest die Wirtin auf und erhielt die Anweisung:

"Irmchen, ich sag Ihr müsst losmachen, da kommt sofort die Feuerwehr, die kommt und dann kommt… das THW und ihr müsst den Saal losmachen – das ist von der Gemeinde angeordnet."

Ein nützliches Kommandounternehmen wie sich später herausstellte. Seit dieser Nacht ist der Name Treffpunkt für Laers Gaststätte mit dem größten Saal quasi amtlich.

Im Laufe des Samstags verlagerte sich das Zentrum der Krise in die Umgebung der 20 km entfernten Kleinstadt Ochtrup und die umliegenden Bauernschaften. Bauernschaften nennt man im Münsterland verstreut liegende, stolze Gehöfte mit meist großem Viehbestand. Baumgruppen, Büsche und Hecken an Gräben und Wegen begrenzen Weiden und Äcker in der einzigartigen münsterländer Parklandschaft.

In diesem Spätherbst, bei Sonnenschein, leuchtet goldenes und rotbraunes Laub vor tiefblauem Himmel. Auch vor einem Jahr trugen die Bäume noch viel Laub, als über Nacht die Schneemassen kamen…

"Es kam aus heiterem Himmel. Es fing morgens an mit nem leichten Schneegestöber, das dichter und dichter wurde und nachmittags also schon enorme Ausmaße angenommen hatte. Der Schnee türmte sich auf den Straßen, auf den Autodächern, also es war schon ein schweres Durchkommen aber: Es gab keine Vorwarnungen, dass Bedrohungen fürs Stromnetz etwa da sein könnten."

Anne Eckrodt ist Redakteurin vom Tageblatt für den Kreis Steinfurt. Sie und ihre vier Kollegen haben rund um die Uhr über das Schneechaos berichtet. Mit den Hilfstrupps des Stromversorgers, den Rheinisch Westfälischen Elektrizitätswerken, besichtigte Frau Eckrodt die zusammengebrochene Stromleitung, die den Totalausfall rund um Ochtrup ausgelöst hatte.

"Es war unglaublich! Man hatte das Gefühl, das ist kein Mast aus Stahl, sondern das sind Streichhölzer, die zusammenbrechen, ineinander zusammenknicken! Das waren Bilder, die man einfach vorher sich nicht vorstellen konnte schon gar nicht, dass das hier bei uns passieren würde. Diese Strommasten stehen zum Beispiel auf einem Feld oder auf mehreren Feldern, eine große Schneise in einer der Bauernschaften hier. Ein Strommast nach dem nächsten, wie an einer Perlenkette aufgereiht, und alle sind abgeknickt. Das sind so Bilder, die vergisst man auch nicht mehr, das hätte man nicht für möglich gehalten, dass ein so großer Stahlkoloss unter der Last von Schnee zusammenbricht."

Wie sahen die Seile aus und hingen die am Boden?

"Man muss sich vorstellen, eine ausgeleierte Wäscheleine, die durchhängt, genau so hingen diese wirklich armdick vereisten Stromseile durch, zum Teil, wenn was abgeknickt war, lagen sie am Boden und zum Teil, wenn sie noch komplett hingen, die Masten noch standen, hingen die Seile aber wirklich bis kurz über den Boden. Das war ein beeindruckendes Bild."

Zu diesem Zeitpunkt war die Journalistin eine der wenigen, die über gesicherte Informationen verfügte. Und die zu überbringen war nicht leicht.

"Die Gerüchte kursierten ganz wild, vielfach war es für die Leute einfach ein Problem, sich die Informationen zu besorgen, wenn die Zeitung eben nicht geliefert wurde und zum Beispiel die Menschen in den Bauernschaften die ersten zwei, drei Tagen einfach auch von ihren Höfen nicht runterkamen."

In den abgelegenen Höfen der Bauernschaften spielten sich die wahren Dramen dieser stromlosen Tage ab. Städter können sich kaum vorstellen, wie hoch technisiert ein moderner Bauernhof ist und was alles nicht funktioniert, wenn plötzlich kein Strom mehr da ist.

Für einen Crashkurs in Sachen Technik und Landwirtschaft besuchen wir ein traditionsreiches Gehöft in Weiner bei Ochtrup. Der Hausherr erwartet uns schon.

"Mein Name ist Bernhard Gauxmann, also insgesamt sind wir sechs: Frau, zwei Kinder, Oma und Opa. – Ein Hund und ein paar Katzen."

Die Gauxmanns haben sich spezialisiert:

"Auf die Milchviehhaltung und Kälberaufzucht. Wir haben ungefähr eine Milchquote von 550.000 kg Milch und melken so 65 Kühe im Jahresdurchschnitt und alle anfallenden Kälber halten wir selber und ziehen die groß. Wir haben so zirka 180 Tiere – Rinder – also: Rindvieh."

Wir stehen im hallengroßen Kuhstall. Die Tiere laufen frei herum, können wählen, ob sie auf die Weide wollen oder sich an einem Portionierungsautomaten aus ihrer Tagesration Kraftfutter bedienen. Es ist früher Freitagnachmittag - wie vor einem Jahr.

"Auf ein Mal mittags ging der Strom weg. Wir saßen am Kaffeetisch, dann haben wir uns mit den Stadtwerken in Verbindung gesetzt, hier in Ochtrup und da ist uns gesagt worden: Im Laufe der Nacht, spätestens am anderen Morgen, hätten wir wieder Strom. Und somit haben wir erst mal die Hände in den Schoß gelegt.
Am anderen Morgen um sechs Uhr bin ich mit dem Schlepper zu den Stadtwerken gefahren, um mir mal ein Bild zu machen, wann wieder Strom kam, weil Handy, Akku, alles war leer, nichts ging mehr. Und da war erst für uns das ganze Ausmaß ersichtlich: Dass wir nicht melken konnten, die Tiere kein Wasser hatten und die Kälber keine Milch!"

Warum war die Wasserversorgung Ihr größtes Problem, Herr Gauxmann?

"Ja, eine Kuh, die 40, 50 Liter Milch am Tag gibt, trinkt am Tage 120 Liter Wasser. Das braucht sie einfach um die Milch produzieren zu können und um körperlich auf Schuss zu bleiben.
Wir brauchen am Tag cirka 10 bis 12.000 Liter Wasser, und das ziehen wir mit einer Wasserpumpe … aus dem Boden. Das wird in einen Vorratsbehälter von 500 Litern gedrückt und nach ner gewissen Zeit ist der leer – das dauert nicht lange!"

So viel zum Thema Wasser. Haben Sie Ihre 60 Kühe von Hand gemolken?

"Also erstens: Die Tiere sind’s nicht gewohnt – und der Bauer ist es auch nicht gewohnt!"

Die Kälberfütterung ist auf diesem Hof normalerweise computergesteuert. Mussten die Kälbchen jetzt hungern?

"Die lieben Kälber, die waren am schlimmsten dran in meinen Augen, weil: Die Kälber, die können sich bei uns immer Portionsweise über 24 Stunden am Tag ihre Milch abholen. Das müssen Sie vergleichen als wenn Sie aufm Schützenfest oder auf Karneval irgendwo sieben Freikarten bekommen. Da können Sie sich sieben Getränke in 24 Stunden abholen. Und wenn dann auf ein Mal gar nichts mehr läuft, sie nichts bekommen, dann werden Sie auch sauer, denk ich."

Gibt es bei Stromausfall gar keine Möglichkeit, die Tiere wenigstens mit dem Nötigsten zu versorgen?

"Das Futter, Heu, ein bisschen Mais und Kraftfutter legen wir von Hand vor, aber das Hauptproblem hier war halt: Wir konnten die Tiere nicht tränken. - Wenn man auch Milch hätte, man muss sie auch warm haben! Denn ein Kalb braucht 36 Grad warme Milch, so wie es aus der Kuh kommt. – Biologisch vorgegeben, da kann man nicht viel dran drehen – und: Kein Wasser! Kälber, wenn die es nicht gewohnt sind, aus dem Eimer getränkt zu werden, trinken nicht! Da können Sie anstellen was Sie wollen: Die fallen eher tot um als das die aus dem Eimer trinken."

Tot umgefallen sind auf dem Hof der Gauxmanns glücklicherweise weder Mensch noch Tier. Doch der Schaden hätte groß werden können, wenn sich der Bauer und sein Nachbar nicht selber geholfen hätten.

"Wir haben mit unseren Nachbarn, die noch ein analoges Telefon haben, nach Holland telefoniert, weil hier in der Nähe war kein Notstromaggregat mehr zu bekommen. Und die haben uns dann eins besorgt, so dass wir dann am Samstagabend um 22 Uhr wieder Strom hatten.
Die Tage direkt war nichts, es sind keine Tiere krank geworden und es sind auch keine verendet. In diesem Fall. Es ist ja oft so: in Stresssituationen geht es, aber wenn man dann zur Ruhe kommt, … dann ist man fertig, kann nicht mehr."

Wie groß der Schaden des längsten Stromausfalls seit Menschengedenken im Münsterland insgesamt war, ist kaum zu ermitteln.

Der Stromversorger der Region, die Rheinisch Westfälischen Elektrizitätswerke AG, lehnten eine direkte Verantwortung für den Blackout von Anfang an ab. Auch ein Gutachten bestätigt die These, Ursache des Leitungsbruchs sei die Schneekatastrophe, ein unabwendbares Jahrhundertereignis: Höhere Gewalt!
Dennoch haben die RWE schon Tage nach dem Blackout einen Hilfsfonds für individuelle Notfälle aufgelegt. Der vorläufige Abschlußbericht kommt zu einem überraschenden Ergebnis:
Die Summe von fünf Millionen Euro für individuelle Hilfeleistungen wurde nicht annähernd in Anspruch genommen:
Nur 900.000 Euro gingen am Ende an private Betroffene, 2,2 Millionen wurden an Kreise und Kommunen, auch zur Entschädigung von Helfern ausgeschüttet, 500.000 Euro erhielt der regionale Landwirtschaftsverband. Geld blieb sogar noch übrig für eine Goodwill-Aktion:
Über je 300 Euro Begrüßungsgeld konnten sich 370 Eltern freuen, die zwischen dem 10. und 25. August 2006 so genannte Schnee-Babys zur Welt gebracht hatten:

Wie man hört, gehört Jammern und Wehklagen ganz offensichtlich nicht zur Mentalität der mehrheitlich eher wohlhabenden Münsterländer.

"Ich weiß von einigen, die Schäden angemeldet haben, aber die waren in einem Größenbereich, wo man auch mal sagen kann: Et is passiert, man muss nicht für jeden Euro geradestehen.
Ein Westfale geht nicht zu seiner Gemeinde und sagt: Meine Tiefkühltruhe ist verrottet. Er kauft einfach neue Sachen rein und schmeißt das Alte weg. … 90 Prozent der Leute kommen nicht und sagen: So, jetzt will ich aber 500 Euro haben."

Und wenn es doch eine Entschädigung gibt, reagieren manche bodenständig wie die Feuerwehr.

"Ja gut, die RWE hat jeder Feuerwehr 5000 Euro zur Verfügung gestellt für eine Helferparty. Gut, es gibt Feuerwehren, die diese Helferparty gemacht haben. Wir haben dieses Geld aufs Konto gelegt, um ein Notstromaggregat fürs Gerätehaus anzuschaffen, was wir für sinnvoller halten als … das ganze auch noch mit nem Bier und nem Schnaps zu beschütten. Das können wir auch noch selber bezahlen."

Gibt es heute, ein Jahr danach, Augenblicke an die sich alle Opfer des Schneechaos im Münsterland sofort erinnern? Für die Reporterin Anne Eckrodt ist es der denkwürdige Moment, als zum ersten Mal in Ochtrup der Strom zurückkam.

"An dem Sonntagmorgen war ein festliches Hochamt in der St. Lamberti Kirche in Ochtrup angesetzt und der Gottesdienst fand, natürlich bedingt durch den Stromausfall, bei Kerzenschein statt. Und es war, ich glaube, kurz nach zehn an diesem Sonntagmorgen als der Organist das Haleluja anstimmte und auf einmal ging das Licht wieder an. … Das war ein so ergreifender Moment für die Kirchenbesucher, es liefen Tränen der Erleichterung, es gab wieder Strom!"

Wie so oft im Leben, fand sich bald auch für das "Stromwunder von Ochtrup" eine natürliche Erklärung.

"Hinterher stellte sich raus: Die Bundeswehr war wohl über Nacht mit einigen Notstromaggregaten angerückt und hatte die dann in den frühen Morgenstunden hier im Ortskern auf dem Marktplatz installieren können und darauf hin war dann auch die große Lambertikirche, die also wirklich mitten im Ort liegt, wieder ans Stromnetz, beziehungsweise ans Notstromnetz angeschlossen."

Wohl kaum jemand hat in den Tagen der Krise so viele Menschen getroffen wie die Journalistin vom Tageblatt für den Kreis Steinfurt. Sie resümiert:

"Das zog sich durch diese stromlose Woche für und … wie der rote Faden, dass die Menschen wieder näher zusammenrückten, dass man seinen Nachbarn wieder entdeckte, dass Nachbarschaften sich vor dem Herdfeuer trafen. Derjenige, der nen Kamin zuhause hatte lud die Nachbarn ein, der andere hatte eventuell noch nen Campinggas-Kocher im Keller, hat dann die heiße Suppe für alle gekocht. So konnten sicherlich viele … dem Ganzen auch etwas Positives abgewinnen."

Es gibt aber auch kritischere Stimmen. Landwirt Bernard Gauxmann, der sich in der Not selbst helfen musste, würdigt zwar die aufopferungsvolle Hilfe von Hunderten Technikern, die bei Eis und Schnee rund um die Uhr am Wiederaufbau des Stromnetzes gearbeitet haben. Aber den Stromkonzernen traut er nicht nur Gutes zu. Erst recht, seit vor Wochen ein beinahe europaweiter Stromausfall mit seinen Folgen knapp an Ochtrup und Umgebung vorbeigeschrammt war.

"Die RWE oder sonstige große Energieversorger - es ist fraglich, ob sie das, was sie dort investieren müssten, auch investieren. Wer kann beweisen, dass sie es nicht machen?"