Bewusste Entscheidung

Von Bernd Sobolla · 14.01.2012
Interreligiöser Dialog setzt auch die Kenntnis der jeweils anderen Religionen voraus. Diese Kenntnis zu vermitteln, ist das Ziel einer neuen Filmreihe des Medienprojekts Wuppertal e. V., das sich um Jugendliche und ihre Themen kümmert. In der neuen DVD-Reihe kommen junge Christen, Juden, Muslime, Hindus, Buddhisten und Nichtreligiöse zu Wort.
"Ich bin getauft, war auch bei der Kommunion, aber habe den Glauben verloren."

Glauben oder Nicht-Glauben und wenn, an was glauben? Diese Fragen tauchen bei den meisten Menschen besonders mit dem Eintritt in die Pubertät auf. Mag sein, dass Eltern, die ein religiös bewusstes Leben führen, ihren Kindern ein Vorbild sind, so dass diese dann den Glauben wie eine Tradition fortführen. Eine Garantie aber ist das nicht. Das zeigen auch die Filme der Reihe "Was glaubst Du?".

Anna, 23 Jahre alt und als Christin erzogen, ist heute Atheistin, die 19jährige Jüdin Chaya hingegen ist in einem nicht-religiösen Elternhaus aufgewachsen und hat sich dennoch bewusst dafür entschieden, strikt nach den Geboten des Judentums zu leben. Auch ein religiös-liberales Judentum - sie nennt es eine "religiöse light Version" - ist ihr zu wenig.

"Es gibt Menschen, die das so extrem betreiben, dass sie sich tatsächlich auch von den Eltern absondern. Weil es einfach manchen zu schwer fällt, sich dann aufzuteilen in die Welt der Eltern und die Welt, die ich für mich gewählt habe. Gott sei Dank, gibt es auch Eltern wie meine, die sich dann angepasst haben, die das akzeptiert haben."

Das Spannende an den Filmen sind vor allem die Protagonisten. Denn fast alle haben eine intensive Phase der religiösen Orientierung hinter sich. In den Filmen erklären sie detailliert, warum sie sich für "ihre" Religion entschieden haben und welche Rituale und Zeremonien sie praktizieren. Eine Ausnahme bilden nur die jungen Hindus, bei denen eher das Familiäre im Vordergrund steht, wie bei dem 16-jährigen Krichen.

"Religion ist für mich ziemlich wichtig, weil das ist auch so ein Teil, das hält die Familie zusammen. Weil das sind so viele Aktivitäten, die wir nur zusammenmachen können. Zusammen beten, zusammen essen, zusammen am Sonntag zum Tempel gehen. Oder wenn wir Feste haben, treffen wir uns immer."

Die DVD-Reihe besteht aus sechs Filmen – einer zu jeder Religion – mit Portraits von jeweils vier jungen Menschen. Diese werden zuhause oder in der Freizeit gezeigt, bei Festen, beim Beten oder Meditieren. Sie schildern, was sie an ihrer Religion fasziniert, erläutern die religiösen Zeremonien und Gebete in Kirche, Tempel, Synagoge oder Moschee. Für die Muslimin Mona zum Beispiel spielt das Gebet im Alltag eine zentrale Rolle.

"Das ist etwas, was man macht, fünfmal am Tag, das heißt regelmäßig, was einem Struktur gibt. Was auch der konkrete Dialog ist mit Gott. Und was auch mal eine Zeit der Ruhe ist für mich. Ich bete immer in meinem Zimmer meistens, wenn ich alleine bete. Und ich merke richtig: Räume, wo gebetet wird, haben eine andere Atmosphäre. Wenn man vergleicht die Räume bei uns in der Wohnung konkret, wo wir beten und wo wir nicht beten, ist eine ganz andere Atmosphäre."

Und die Christin Julia meint zum gleichen Thema.

"Wenn man zum Beispiel für irgendetwas gebetet hat und das ist einfach nicht eingetreten oder so. Und ja wenn man denkt im ersten Moment: Das ist total falsch jetzt, oder so hätte das gar nicht sein sollen, und da stimmt einfach was nicht, und wo sich dann aber im Endeffekt doch immer herausstellt, dass es besser so gewesen ist."

Die Filme sind ruhig geschnitten, die Gespräche systematisch aufgebaut, von der Entscheidung, sich auf eine Religion einzulassen bis hin zu Gedanken über den Tod und das Jenseits. Hier und da hätte man sich vielleicht ein bisschen mehr musikalische Begleitung gewünscht, da die diese schließlich in allen Religionen eine große Rolle spielt.

Es geht aber nicht nur um den Glauben selbst, sondern auch um die Wahrnehmung anderer Religionen, um die Stellung von Mann und Frau sowie den Zweifel, das Abfallen vom Glauben bzw. um religiöse Neuorientierung. Der 15-jährige Mark zum Beispiel ist vom Christentum zum Buddhismus konvertiert.

"Weil es einfach alles erklärt. Es gibt einem die Klarheit. Und die Klarheit sieht man nicht überall. Bei anderen Religionen gibt es meisten Ungewissheiten. Dann sagen die meistens: 'Glaube dran! Glaube an uns!' Und so. Aber das ist halt im Buddhismus nicht. Dort muss man sich selber überzeugen."

Ergänzt wird jeder Film durch ein längeres Interview mit Religionswissenschaftlern und Experten – das ist sinnvoll. Denn das Erfahrungsspektrum der jungen Leute ist altersbedingt begrenzt und jede Religion kann ähnlich einer Kunst ein Leben lang studiert werden, ohne dass man sie vollends ergründet. So erläutert die Zen-buddhistische Nonne Vera, dass es nach Buddhas Lehre im Leben Leid gibt, verursacht durch Gier, Hass und Unwissenheit. Erlöschen die Ursachen, löst sich das Leiden auf. Dies wird erlangt durch den Edlen Achtfachen Pfad.

"Das erste ist interessanterweise Großzügigkeit, Freigebigkeit, das zweite ist ethisches Verhalten, also die Gebote einhalten, das dritte ist Geduld, auch ganz wichtig. … Man muss auch einen langen Atem haben. Dann energisches Bemühen. Ich muss mich schon bemühen, ich muss regelmäßig Za-Zen machen. Ich muss wachsam sein im Alltag. Dann natürlich die Meditationspraxis, die Konzentration. Und was auch im Buddhismus sehr wichtig ist, Weisheit zu entwickeln."

Wenig thematisiert wird, warum die Religionen – und zwar fast ausnahmslos - heute nicht mehr die Bindungskraft haben wie vor 50 oder 100 Jahren. Oder wo überall Religionen missbraucht werden. Denn das vorrangige Ziel der Filmreihe ist es, die interreligiöse Verständigung zu unterstützten, vor allem durch den Einsatz in Schulen. Heike Schüren, Lehrerin an der Berliner Johannes-Tews-Schule hat die Filme bereits gesehen.

"Es ist wichtig, was du für Werte hast. Was du für ein Weltbild hast, das ist wichtig. Auch dass es einem bewusst wird. Nicht nur dass man es kennt: Aha, die glauben das, die glauben das. Sondern: Was glaube ich? Was ist mir wichtig in meinem Leben? Interessant fand ich, dass die Jugendlichen aller Religionen am Ende des Films auf eine Frage ähnlich antworteten: Könntest Du dir vorstellen, später mit einem Partner zu leben, der einer anderen Religion angehört? Und da waren die sich erstaunlicherweise alle sehr einig. Die Jugendlichen wünschen sich nämlich einen Partner, der ihre Religion, ihr Weltbild und ihre Kultur teilt, um sich gegenseitig im Glauben zu unterstützen."

Und das obgleich alle Projektteilnehmer in der Schlussdiskussion eine recht tolerante Einstellung gegenüber den anderen Religionen und Nicht-Gläubigen zeigen. Das gemeinsame Fazit der Religiösen unter ihnen könnte heißen: "Ich stehe hier und glaube, den für mich besten Glauben gefunden zu haben. Auch wenn wir alle Gott ähnlich wahrnehmen."
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