Bestrahlung am Ort des höchsten Risikos

Von Konrad Lindner · 08.05.2011
Brustkrebs ist die häufigste Krebserkrankung bei Frauen. Das Bestrahlungsgerät "Intrabeam" wurde entwickelt, um die Therapie zu verbessern und nun mit dem Deutschen Innovationspreis ausgezeichnet.
Die Angst vor Krebs ist groß. Uwe Köhler - er leitet das Brustzentrum im Klinikum St. Georg in Leipzig - beruhigt jedoch. Nicht immer ist ein ertastetes Knötchen in der Brust bösartig.

"Aber, es kann sich natürlich auch eine ernsthafte Erkrankung dahinter verbergen. Das häufigste ist dann natürlich ein Brustkrebs. Aber auch die Brustkrebserkrankung ist heute kein Todesurteil. 80 Prozent bis 85 Prozent, die zu uns heute kommen, werden auf Dauer geheilt. Die haben nach einer adäquaten, wissenschaftlich begründeten Therapie nie wieder etwas mit dieser Erkrankung zu tun."

Ein Element der Therapie gegen Brustkrebs ist die Bestrahlung. An der Entwicklung des neuen Systems "Intrabeam" war der Ingenieur Dietrich Wolf beteiligt. Zu dem handlichen Gerät, in dem der Röntgenstrahl erzeugt wird, gehört ein Satz durchsichtiger Kugeln.

"Die Kugeln passen genau in die Tumorhöhle. Der Chirurg wird gemeinsam mit dem Strahlentherapeuten das Gewebe unmittelbar in Kontakt mit der Strahlenquelle bringen. Deswegen muss es genauso klein sein, weil es angepasst ist auf die Applikation."

Wenn der Chirurg den Tumor entfernt hat, wird die Kugel in die Wundhöhle eingeführt. Die Bestrahlung erfolgt nicht nach der Devise: Viel hilft viel. Im Gegenteil: Es wird eine niederenergetische Röntgenstrahlung erzeugt. Die Bestrahlung dauert etwa 30 Minuten. Die Strahlentherapeutin Angelika Friedrich vom Brustzentrum im Klinikum St. Georg über den Wandel in der Behandlung:

"Bei der bisherigen Art der Bestrahlung postoperativ wird als Erstes die gesamte Brust nach bestrahlt und dann dort, wo der ehemalige Tumor gesessen hat, kleinräumig die Dosis erhöht, auch durch 3-D-konformale Strahlentherapie, durch Strahlen von außen. Und durch Intrabeam kann ich diese kleinräumige Bestrahlung und kleinräumige Dosiserhöhung am Ort des höchsten Risikos, das heißt im Bereich des Tumorbettes des entfernten Tumors die Dosis intraoperativ bereits verabreichen, die sonst im Rahmen der Bestrahlungsserie am Ende gegeben wird."

Während die Ganzbrustbestrahlung mit einem sogenannten Linearbeschleuniger erfolgt, der in einem speziellen Sicherheitsraum stehen muss, handelt es sich bei "Intrabeam" um ein transportables Gerät, das direkt in den Operationssaal gefahren werden kann. Der Leiter des Brustzentrums Uwe Köhler:

"Ich darf, denke ich sagen, es ist eine schonende Bestrahlungsmethode. Es sind Elektronenstrahlen, die eigentlich auch in jedem OP-Saal unter bestimmten Sicherheitsvoraussetzungen durchführbar ist. Das ist das Gute dabei: Es sind keine dicken Betonmauern und Bunker erforderlich, weil die Bestrahlung nur über wenige Zentimeter überhaupt nachweisbar ist."

Das Bestrahlungsgerät besitzt eine intelligente Steuerung. Ein Teil der Strahlung wird von einem Sensor gemessen, der Ablenkspulen steuert. Dadurch kann der Elektronenstrahl gleichmäßig verteilt werden: ein komplexes System und keine Strahlenschleuder. Deshalb kann das Gerät mobil eingesetzt werden. Dietrich Wolf:

"Denn man muss sich vorstellen, in jedem normalen Krankenhaus gibt es eine Vielzahl an OP-Sälen und man kann nicht von vornherein immer vorbestimmen, wo welche Operation stattfindet. Mit diesem Gerät kann man in jedem OP eine Bestrahlung vornehmen. Kann das Gerät von einem OP zum nächsten schieben und mobil einsetzen, ohne dass – und das ist ganz wichtig – ein räumlicher Strahlenschutz notwendig wäre. Wir brauchen keine dicken Betonmauern, um das Umfeld zu schützen."

Bisher erfolgt die Bestrahlung in über 95 Prozent der Fälle von außen an sogenannten Linearbeschleunigern und meist mit hochenergetischen Röntgenstrahlen. Die herkömmliche Bestrahlung wird jedoch durch den Einsatz der Intrabeam-Technik nicht mit einem Schlag überflüssig. Aber es besteht die begründete Hoffnung, dass die Dauer der Bestrahlung reduziert werden kann. Bisher müssen die Patientinnen nach der Operation wochenlang zur Bestrahlung kommen. Das wird sich ändern. Professor Uwe Köhler:

"Der Vorteil für die Patienten ist erstens eine deutlich verkürzte Bestrahlungszeit im Vergleich zur Vergangenheit. Sie spart viel Zeit. Viel Aufwand. Viel Hin- und Herfahrerei. Das ist der entscheidende Vorteil. Für manche Patienten, ältere Patienten, wo die Indikation vertretbar ist, kann man die postoperative Bestrahlung, diesen langen Bestrahlungsaufwand, bis zu sechs Wochen, möglicher Weise schon heute, vor allem aber denke ich in Zukunft ersparen. Das ist meine Vision, meine Hoffnung an die Methode und die ist, denke ich realistisch."

Die kommenden Jahre werden zeigen, ob sich das neue System bei den Patientinnen so bewährt, wie es sich Ingenieure und Ärzte erhoffen und wie es eine Langzeitstudie erwarten lässt.
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