Beck: Russland ist kein Partner für uns

Moderation: Hanns Ostermann · 23.04.2007
Marieluise Beck hat die russische Regierung wegen ihres Umgangs mit Oppositionellen kritisiert. Ein Land, das nichts mit Demokratie im Sinn habe, könne kein Partner sein für Deutschland, sagte die stellvertretende Vorsitzende der deutsch-russischen Parlamentariergruppe.
Hanns Ostermann: Die russische Regierung bleibt hart und verteidigt weiter das teilweise brutale Vorgehen gegen Demonstranten und Augenzeugen vor etwas mehr als einer Woche. Dabei verfährt sie nach einem einfachen Muster. Oppositionelle werden kriminalisiert, in eine radikale Ecke gestellt und entsprechend behandelt. Wenn sich heute Russlands Außenminister Lawrow mit seinen europäischen Kollegen in Luxemburg trifft, dann dürfte auch dieses Thema eine Rolle spielen. Marieluise Beck von dem Bündnis/Die Grünen ist Mitglied im Auswärtigen Ausschuss des Deutschen Bundestages und stellvertretende Vorsitzende der deutsch-russischen Parlamentariergruppe. Sie ist jetzt am Telefon von Deutschlandradio Kultur. Guten Morgen, Frau Beck!

Marieluise Beck: Guten Morgen!

Ostermann: Nach ihren Gesprächen und Eindrücken, warum tut sich Russland so schwer, internationale Standards wie die Meinungs- und Versammlungsfreiheit zu respektieren?

Beck: Weil es einen sehr starken Machtkampf gibt, und Putin steht für den Erhalt der Machtstrukturen derjenigen, die jetzt im Kreml sitzen. Das bedeutet eine Kombination von FSB, also Geheimdienst, schwerpunktmäßig aus St. Petersburg, aus der Stadt, aus der Putin selber kommt, und die haben Verbindungen hinüber zu den großen Energieunternehmen, allen voran Gazprom. Es geht also um Erhalt von Macht und wirtschaftlichen Zugriff und damit natürlich auch für Reichtum für bestimmte Cliquen.

Ostermann: International wurde das russische Vorgehen fast einhellig scharf kritisiert. Hinterlässt das nach Ihren Gesprächen eigentlich Wirkung, oder prallt die Kritik an Putin in Moskau ab?

Beck: Man kann schon zu meinem großen Bedauern wohl konstatieren, dass derzeit Russland sich sehr stark fühlt auf der einen Seite – wir alle kennen die Diskussion um die dominante Stellung in der Energielieferung. Und da Putin auch innenpolitisch so stark im Sattel sitzt – und da haben wir ja einen Grund, weshalb jede Opposition so massiv unterdrückt wird und auch niedergeknüppelt wird wie am vergangenen Wochenende –, gibt sich Russland derzeit sehr unbeeindruckt und reagiert auch immer sehr scharf und kehrt zurück zu einer alten Figur, die wir aus der Zeit des Kommunismus noch kennen, nämlich dass es hier um eine Nichteinmischung in innere Angelegenheiten ginge. Es wurde immer sehr verschnupft reagiert, wenn wir überhaupt diese Themen angesprochen haben.

Ostermann: Ja, und zugleich werden Oppositionelle, wie ich schon gesagt habe, kriminalisiert.

Beck: Das ist der Fall. Wir beobachten das schon lange. Die Vorbereitung hat angefangen mit dem so genannten NGO-Gesetz, dem Gesetz zur Nichtregierungsorganisation, die eine massive Kontrolle des Staates über jede kleine zivilgesellschaftliche Initiative ermöglichen und auch jederzeit ein Verbot schlichtweg über bürokratische Konstruktionen oder Steuergelder, die angeblich nicht bezahlt worden sind, so wie man es bei Yukos ja auch angefasst hat. Also es ist derzeit eine zunehmend autokratische Entwicklung in Russland zu beobachten, die auch uns sehr große Sorge machen muss. Wir sprachen ja hier zum Teil in der deutschen Politik von einer strategischen Partnerschaft, ein Partner, der mit Demokratie überhaupt nichts im Sinne hat derzeit, kann nicht unser Partner sein, sondern ist ein Gegenüber, mit dem wir notwendigerweise Auseinandersetzung und Dialog haben müssen, aber ein Partner ist Russland derzeit nicht.

Ostermann: Dem entnehme ich, dass Sie sich auch klarere Stellungnahmen aus Berlin wünschen.

Beck: Die Kanzlerein hat ja schon sehr deutlich reagiert. Wir bangen auf einem Grat. Wir müssen den Dialog aufrechterhalten. Wir brauchen Russland, er ist unser Nachbar, es gibt viele außenpolitische Fragen, zu denen wir Russland brauchen – ich nenne nur den Iran, auch den Nahen Osten –, aber man muss natürlich sehr deutlich Russland zeigen, dass sie nicht Teil unserer Wertegemeinschaft sind, was sie ja sein wollen vorgeblich, wenn sie in dieser Weise der Demokratie die Luft nehmen oder sogar niederknüppeln. Putin hat zum 50. Geburtstag der Europäischen Union zu den Römischen Verträgen einen Aufsatz geschrieben, der in allen europäischen großen Zeitungen veröffentlicht worden ist, wo er schreibt, so als gehöre Russland schon zur Europäischen Union dazu mit unserem Wertegerüst. Und das ist derzeit nicht der Fall.

Ostermann: Die Frage ist doch aber, was man machen kann, wenn man parallel sieht, dass die wirtschaftlichen Beziehungen doch schon ziemlich gut sind – jedenfalls die deutsche Wirtschaft verdienst ausgesprochen gut –, und andererseits herrscht Misstrauen. Der EU-Handelskommissar Mandelson sprach sogar davon, man missverstehe und misstraue sich wie seit Ende des Kalten Krieges nicht mehr. Was bleibt zu tun, Frau Beck?

Beck: Es muss immer wieder zum einen Russland daran erinnert werden, dass sie Selbstverpflichtungen eingegangen sind in den Institutionen, denen sie beigetreten sind. Das bedeutet OSZE und Europarat. Alles sind Wertesysteme. Und das zweite ist, dass natürlich bei allen Vertragsabschlüssen, also auch aus der Wirtschaft, Rechtsstaatlichkeit eingeklagt werden muss. Das muss die Wirtschaft aus eigenem Interesse tun. Schauen Sie mal, ein Unternehmen wie Yukos, das einfach zerschlagen worden ist, hat ja Anteilseigner gehabt, auch im Westen. Shell ist herausgedrängt worden aus Sachalin, wo es fördern wollte, zumindest der Anteil von Shell ist reduziert worden. Und das ist kein freiwilliges Projekt gewesen. Also die Wirtschaft muss Interesse an Rechtssicherheit haben, man kann nicht investieren in einen Staat, wo man fürchten muss, dass über die Kette Geheimdienst/Kreml und dann irgendwelche Steuerbehörden oder fingierte Anklagen Teile des Eigentums verloren gehen.

Ostermann: Marieluise Beck von Bündnis 90/Die Grünen. Sie ist Mitglied im Auswärtigen Ausschuss des Deutschen Bundestages. Ich danke Ihnen für das Gespräch im Deutschlandradio Kultur.