Bayern

Atommüll in Neu-Ulm und im Bayerischen Wald

Von Michael Watzke · 18.03.2014
Gemäß den Absprachen sollen eigentlich drei Bundesländer Atommüll aufnehmen. Bayern hält sich allerdings mit Engagement bei der Zwischenlagerdiskussion, und der Endlagersuche bislang vornehm zurück.
Der Zeitplan ist knapp: 26 Atommüll-Behälter muss Deutschland ab 2015 aus den Wiederaufarbeitungsanlagen in Sellafield und La Hague zurücknehmen. Und immer noch ist nicht ganz klar, wohin damit. Bis Mitte April wollen Bund und Länder die Lagerorte für die Castor-Behälter festlegen. Aber auch nach einem weiteren Bund-Länder-Gespräch in der letzten Woche, geht das Tauziehen um die Zwischenlagerung weiter. Schleswig-Holstein und Baden-Württemberg sind bislang die einzigen Länder, die sich zur Aufnahme der Atommüllbehälter explizit bereit erklärt haben. Weitere Lagerstätten in der Diskussion sind Mecklenburg-Vorpommern, Bayern, Hessen und Niedersachsen. In den nächsten Wochen will nun Umweltministerin Barbara Hendricks die Bundesländer in direkten Gesprächen zur Kooperation zu bewegen. Dabei ist die Zwischenlagerung nur eine Baustelle der Ministerin. Es muss auch noch eine Enquete-Kommission gebildet werden, die bis 2015 Standorte in Deutschland prüfen soll, wo hochradioaktiver Atommüll endgültig gelagert werden könnte. Und Atomkraftgegner würden gerne Änderungen am Endlagersuchgesetz durchsetzen. Stoff genug um zu schauen, wie diese Themen in den einzelnen Bundesländern diskutiert wird.
Wer nach Thurmansbang fährt, ein 2000-Einwohner-Nest im Bayerischen Wald, der sollte besser nicht das Wort "Atom-Endlager" erwähnen. Denn dann wird die Stimmung frostig:
"Keiner will den Dreck hier haben!""
"Nein, auf keinen Fall. Da könnte ja jederzeit was passieren, und dann ginge es uns allen schlecht!"
"Wieso ausgerechnet bei uns? Wieso nicht dort, wo größere Stollen sind? Es gibt sicherlich deutlich bessere und sinnvollere Alternativen als bei uns!"
"Da wird der kreuzbrave Niederbayer so kreuznarrisch, dass die ganz schnell einen Rückzieher machen."
"Bei uns nicht, wir wehren uns da mit Händen und Füßen. Jeder ist hier vom Tourismus abhängig, und niemand möchte gern auf einem Atom-Endlager Urlaub machen."
Thurmansbang in Niederbayern ist deshalb im Gespräch, weil es auf Granit gebaut ist. Und Granit ist neben Ton und Salz die dritte geologische Formation, die für ein atomares Endlager in Frage kommt. Der Geologe Dr. Detlef Appel, Mitglied in der Entsorgungskommission des Bundesumwelt-Ministeriums, hält diese Gesteins-Ausbildung, die vor allem im Bayrischen Wald vorkommt, für grundsätzlich geeignet:
"Das sind sogenannte kristalline Gesteine. Meistens spricht man dann etwas verkürzend von Granit. Es gibt auch ein Tonstein-Paket in Bayern. Ein Bereich in der Gegend um Ulm. Dort könnte man sagen: Ja, die Gesteins-Ausbildung ist dort ähnlich wie das, was die Schweizer bisher untersucht haben und grundsätzlich für geeignet halten. Das käme auch in Frage."
Neu-Ulm und Bayerischer Wald
Zwei mögliche bayerische Standorte also: Neu-Ulm und Bayerischer Wald. Ludwig Hartmann will sie als künftige Endlager-Stätten nicht ausschließen. Der Fraktionsvorsitzende der Grünen im Bayerischen Landtag ist Atom-Experte seiner Partei und weist auf die besondere Verantwortung des Freistaats hin.
"Bayern hat eine gewaltige Verpflichtung. Wir haben einen Großteil unseres Stromes durch Atomkraft bezogen. Beziehen auch weiterhin noch 50 Prozent. Auch ein gewaltiger Anteil am deutschen Atommüll geht auf Bayern zurück. Und dass man sich der Verantwortung stellen muss, an der Suche nach dem möglichst besten Endlager mitzuarbeiten, das ist für mich eine Selbstverständlichkeit. Das ist auch die politische Verantwortung, der man gerecht werden muss. Und sich jetzt hinzustellen wie die Staatsregierung, und zu sagen: "In Bayern gibt’s definitiv keinen Standort! – damit werden sie ihrer Verantwortung nicht gerecht."
Die bayerische Staatsregierung redet tatsächlich nicht gern über ein mögliches atomares Endlager im Freistaat. Landes-Umweltminister Marcel Huber, CSU, möchte kein Interview dazu geben. Sein Ministerium schickt lediglich eine schriftliche Stellungnahme. Darin heißt es, Zitat:
"Bayern hat den Entschluss von Bund und Ländern begrüßt, die Suche nach einem Atommüllendlager neu zu starten. Es gilt weiterhin die weiße Landkarte. Aber wissenschaftliche Untersuchungen [...] haben gezeigt, dass Bayern aus geologischen Gründen für ein Endlager nicht in Betracht kommt."
"Suche darf nicht vor Bundesland-Grenzen Halt machen"
Als Beleg nennt das bayerische Umweltministerium einen siebenseitigen Untersuchungsbericht des Landesamtes für Umwelt. Allerdings ist die Augsburger Behörde dem Umweltministerium unterstellt. Und ihr Bericht fällt dementsprechend aus, kritisiert der Grüne Ludwig Hartmann:
"Die Suche darf nicht vor Bundesland-Grenzen Halt machen. Denn wenn sich jedes Bundesland hinstellt wie Bayern und sagt: ‚Wir wissen auf sieben Seiten bereits jetzt, dass wir keinen optimalen Standort haben’ – dann kommt man da nicht weiter."
Das Thema brennt vor allem den Menschen im bayerisch-schwäbischen Gundremmingen auf den Nägeln. Dort steht nicht nur eines der leistungsstärksten Atomkraftwerke Deutschlands, sondern auch das mittlerweile größte Zwischenlager der Republik. Mehr als 50 Castor-Behälter lagern auf dem Gelände der Anlage, ausgelegt ist das Zwischenlager sogar für 192 Castoren. Gundremmingens Bürgermeister Wolfgang Mayer fürchtet, dass aus dem Zwischenlager ein vorläufiges Endlager wird:
"Was uns hier in der Bevölkerung – und auch mich persönlich – ein bisschen irritiert, ist die Tatsache, dass durch diese neue Endlager-Standortsuche hier das ganze in meinen Augen auf den Sankt-Nimmerleins-Tag verschoben wird. Und wir nicht wissen, ob das Zwischenlager wirklich nach vierzig Jahren geleert wird."
Unnötige Verzögerungen vermeiden
Das Zwischenlager ist seit 2006 in Betrieb. Es besteht lediglich aus einer offenen Halle. Spätestens 2046 müsste es geräumt werden. Aber wenn der Staat bis dahin kein Endlager gefunden und gebaut hat, wird der Müll wohl länger überirdisch gelagert. Ludwig Hartmann von den Grünen will deshalb unnötige Verzögerungen vermeiden. Und vor allem will er die Stromkonzerne nicht aus ihrer finanziellen Verantwortung entlassen:
"Die großen Atomkraftwerks-Betreiber haben ja Rückstellungen gebildet für die Endlagerung. Wenn man sich aber mal anschaut, in welche durchaus auch finanziellen Schwierigkeiten die großen Konzerne geraten sind, dann wäre es für uns sofort an der Zeit, diese Rückstellungen herauszulösen aus den Konzernen. In einen öffentlich-rechtlichen Fonds zu überführen. Weil letztendlich wird eh’ der Steuerzahler dafür aufkommen, wenn die Firmen sich das nicht mehr leisten können. Deshalb: solange das Geld noch da ist, sollte man es aus den Firmen herauslösen. In die öffentliche Hand bringen. Und sagen: das Geld ist dafür da, um die Endlagerung so sicher wie möglich zu machen."
Ob diese Endlagerstätte dann in Bayern sein wird? Vom Zwischenlager Gundremmingen zu den Tonstein-Formationen bei Neu-Ulm sind es gerade mal 50 Kilometer Luftlinie.

Programmhinweis: Lesen Sie weiter! Auch in Baden-Württemberg, Schleswig-Holstein und Hessen sucht man fieberhaft nach atomaren Lagerstätten.