Bandkollektiv Zion80

Jüdischer Afrobeat aus New York

Die Radio City Music Hall (r.) an der 50th Street in Midtown Manhattan in New York.
Ziion80 sucht die Verbindung zwischen New Yorker Traditionen und dem Erbe von Fela Kuti. © picture alliance / zb / Nestor Bachmann
Von Katrin Wilke · 12.05.2016
Ein ganz besonderes Afrobeat-Kollektiv hatte gerade sein Deutschland-Live-Debüt: Zion80, eine Art Allstar Ensemble von größtenteils jüdischen New Yorker Musikern. Die Band um Gitarrist Jon Madof verbindet jüdische Melodien mit dem Erbe Fela Kutis.
"Mir kam die Idee zu Zion80 irgendwann eher spontan. Ich hatte den ganzen Tag Fela Kuti gehört – es war Freitag, also der Tag vor Sabbat. Als ich Samstagmorgen mit meinen Kindern zur Synagoge aufbrach, hatte ich den Rhythmus dieser Musik, keinen bestimmten Song, noch immer im Kopf. Da begann ich NYGUN zu singen, ein jüdisches Lied von Shlomo Carlebach. Und dann waren diese beiden Sachen auf einmal gleichzeitig da – das war, als wenn ein Licht anging in meinem Kopf. Nach und nach kamen mir noch mehr Lieder von Shlomo Carlebach in den Sinn, die mir allesamt gut zusammenzugehen schienen mit dem Sound und dem Rhythmus des Afrobeat."
Der von Jon Madof erwähnte Shlomo Carlebach war ein in New York lebender Rabbi aus Berlin und ein religiöser Folk-SingerSongwriter, der sogar mal mit Bob Dylan und Joan Baez aufgetreten sein soll. Madof liebte schon seit der Schulzeit Carlebachs Synagogenlieder lange bevor er von ihrem Komponisten wusste. Dieser und Fela Kuti starben fast zeitgleich, Mitte der 1990er-Jahre. Zwei denkbar verschiedene Zeitgenossen, die nun posthum zusammenkommen...
"Einer der Gründe, warum die beiden Musikstile wohl so gut miteinander funktionieren, ist: Die Carlebach-Lieder haben eine sehr lyrische Melodik, sind gut zu singen und rhythmisch nicht allzu speziell. Wenn du also einen solchen Song singst und den Rhythmus etwas veränderst, ist es immer noch das Carlebach-Lied."
Jon Madof gesteht schmunzelnd, dass es je nach Atmosphäre variieren würde, und die Band für ein gesetzteres Publikum ein Carlebach-Lied schon mal "erkennbarer" und weniger ungestüm spielen würde. Mitunter klingt aber auch schon das Original gar nicht so weihevoll, sondern wie dieser Song hier "Asher Bara" – überraschend flott, allerdings immer noch weit weg von den flirrenden Polyrhythmen des Afrobeat…
Jon Madof, der für die Band Zion80 alles arrangiert und adaptiert, zieht stets etwas Neues, Unerhörtes aus der Materia Prima. Baut Klangräume, die ein jeder der elf Instrumentalisten mit eigenem Esprit und Improvisation füllen kann. Er hatte bei der Bandgründung zwar schon das ideale, klassische Afrobeat-Format im Visier – doch sind neben den musikalischen die menschlichen Kriterien genauso wichtig bei der Zusammenstellung der Band. Dass fast alle Musiker jüdischer Herkunft sind, war speziell für Zion80 wichtig oder Zufall?
"Bei meiner Musik geht es nur um Musik. Ich habe keinen Plan, jüdische Religion irgendwem weiterzuvermitteln oder vielleicht nur an jüdischen Orten zu spielen. Ich mache Musik als der, der ich bin und trage diese in die Welt zu allen, die die Musik mögen und genießen können. Nichts weiter. Genauso bei der Band. Wenn ich an einen Musiker denke, dann nicht, ob er Jude ist oder nicht, sondern was er an Sensibilität und Persönlichkeit beitragen kann. Frank und Greg sind jüdisch, haben einen jüdisch-musikalischen Background. Wenn Frank seine Trompete nimmt, dann hörst du eine ganze Geschichte jüdischer Musik in seinem Spiel."

Start in der New Yorker Downtown-Szene

Der 1974 in Philadelphia geborene und vor allem mit Punkrock aufgewachsene Gitarrist Jon Madof erlernte sein Instrument auf eher unakademischem Wege. Motor für den Umzug nach New York, wo er auch orthodoxer Jude wurde, war die Lust, mit John Zorn zusammenzuarbeiten. Was auch glückte. Der Kopf der Downtown-Szene war offenbar auch umgekehrt begeistert von den Visionen des jungen, musikalisch neugierigen Kollegen. Nach einem ersten Zion80-Album voller Zorn-Bearbeitungen, wird die Afrobeat-Combo vielleicht noch dieses Jahr ein weiteres nachlegen. Und damit dann hoffentlich auch wieder Europa beehren...
"Für mich ist es das Spannendste und deshalb liebe ich es, in Deutschland, Polen, Österreich zu spielen jemandem neu zu begegnen, das Publikum reagieren zu sehen. Wenn ich für ein Publikum spiele, zu dem ich nicht in seiner Sprache sprechen kann, diese Verbindung über diese Kluft hinweg ist, was ich am aufregendsten finde... Wie in Krakau beim Jewish Culture Festival, letztes Jahr. Das hat schon was außerdem Historisches, wenn ich als amerikanischer Jude nach Europa gehe. Das empfinde ich zu allererst als Privileg, dass wir kommen und Musik machen können. Und versuchen, Menschen zusammenzubringen mit unserem bescheidenen Mitteln."
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