Bakschisch auf dem Amt, der Geldumschlag beim Arzt

Von Stephan Ozsváth · 12.12.2012
Obwohl bereits EU-Mitglied, steht Bulgarien weiter unter EU-Aufsicht - und das soll bis auf Weiteres so bleiben. Das liegt vor allem an der schleppenden Bekämpfung der organisierten Kriminalität und der immer noch weit verbreiteten Korruption.
Im Internet-Portal YouTube kursiert dieser Mitschnitt eines brisanten Telefonats: Der bulgarische Premier Boris Borissov befiehlt dem obersten Zollbeamten, seine Steuerfahnder aus der Bierfabrik "Ledenika" wieder abzuziehen. Ein Gefallen für den ehemaligen Präsidenten Parwanow, redet sich Borissov heraus. Das Telefonat selbst -geführt im März 2011 - hat er nie bestritten. Alltag in Bulgarien, sagt Korruptionsbekämpferin Eleonora Nikolova.

"In der der Wendezeit war das erste, was wir verändern wollten, dieses so genannte Telefonrecht. Aber da haben wir wohl noch einiges zu tun."

Der bulgarische Premier selbst wird immer wieder mit Drogen- und Benzinschmuggel, außerdem Geldwäsche und sogar Morden in Verbindung gebracht. Lukrative Tätigkeiten: 1,8 Milliarden Euro pro Jahr werden auf den illegalen Märkten in Bulgarien verdient, hat Russlan Stefanov vom Zentrum für demokratische Studien in Sofia errechnet. Das größte Problem, sagt er:

"Das ist die Straflosigkeit für korrupte Politiker. Überall in Europa gibt es das Problem der schwarzen Kassen, dass Parteien illegale Gelder für die Parteienfinanzierung benutzen. Hier ist kein einziger Fall bekannt, dass ein hochrangiger Politiker, Premier oder Minister wegen Korruption verfolgt oder angeklagt worden wäre."

Auch gegen den Karateka und Premier Borissov ermittelt die Staatsanwalt nicht wegen des Telefonats. Bereits verurteilte Mafiosi konnten aus der Haft fliehen. Die mangelnde Durchschlagskraft der bulgarischen Justiz kritisiert die EU-Kommission regelmäßig in ihren Fortschrittsberichten. Deswegen steht Bulgarien - neben Rumänien -auch weiter unter Beobachtung aus Brüssel. Kürzlich hat sich die Regierung in Sofia Verstärkung aus dem Ausland geholt. Fünf besonders "symbolhafte" Korruptionsprozesse soll sie wieder in rechtsstaatliche Bahnen lenken helfen. Rolf Schlotterer berät den bulgarischen Innenminister.

"Wenn man feststellt, dass die Vorgesetzten oder die Politiker, die regieren, korrupt sind, dann ist auch die Bereitschaft in der Gesellschaft oder in der öffentlichen Verwaltung gering, Abstand zu halten von Korruption oder ethische und moralische Werte zu akzeptieren, die die Vorgesetzten oder Regierenden nicht akzeptieren. Und deshalb ist es wichtig, dass wirksame Maßnahmen gegen die Korruption von oben beginnen und nicht von unten."

Denn Bakschisch auf dem Amt, oder der Geldumschlag für den Arzt - das ist noch allgegenwärtig in Bulgarien. Das Problem ist der verführbare Mensch. Schlotterer setzt deshalb gerne auf Maschinen. E-Government kann helfen, sagt er. Blitzampeln und Videoüberwachung verdrängen korrupte Verkehrspolizisten. Auch der EU-Beitritt vor fünf Jahren hat sehr geholfen, so Korruptionsforscher Russlan Stefanov.

"Mit dem EU-Beitritt wurde der Zoll abgeschafft, an den Grenzen zu Rumänien und Griechenland. Dadurch wurde auch die Korruption in diesem Bereich um die Hälfte gesenkt. Auch die Abschaffung der Duty-Free-Shops hat geholfen. Und das alles nur durch den EU-Beitritt."
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