Autor zum Feature #illegaledrogentöten

    "Globales Verbotssystem zum Scheitern verurteilt"

    Christian Lerch ist Autor des Features #illegaledrogentöten
    Christian Lerch ist Autor des Features #illegaledrogentöten © Deutschlandradio / Matthias Horn
    Christian Lerch im Gespräch mit Matthias Horn · 01.09.2016
    "Mit dem Titel #illegaledrogentöten möchte ich provozieren", sagt Christian Lerch. Er ist Autor des ersten Social-Media-Live-Features bei Deutschlandradio Kultur, das am Samstag um 18.05 Uhr zu hören ist.
    Wie ist die Idee zu diesem Feature entstanden?
    Für mich gilt das Feature als letzter Teil meiner Trilogie zum Thema Drogen. In einem Feature über den Drogenkrieg in Mexiko (2012) konnte ich darstellen, wie Kartelle und korrupte Politiker ein ganzes Land an den Rande des Zusammenbruchs brachten und über 80.000 Tote zu verantworten haben, einzig, weil das Land an den größten Drogenmarkt der Welt grenzt. Im zweiten Teil der Trilogie tauchte ich in den Alltag von Konsumenten illegaler Drogen in Deutschland ein (2013).
    Nun vereint die Sendung "Illegale Drogen Töten" Themen und Aspekte der vorangegangenen Features mit neuen Recherchen zu den Hintergründen der Drogenproduktion (Kolumbien) und des Drogenvertriebs (Deutschland). Gleichzeitig möchte ich eine globale Sichtweise auf das Prohibitionssystem bieten, um genau dieses System in Frage zu stellen. Durch meine Recherchen bin ich nun davon überzeugt, dass Drogen zwar ein globales Phänomen sind, ein globales Verbotssystem jedoch zum Scheitern verurteilt ist.
    Warum machen Sie die Drogenproblematik zum Thema?
    Es gibt eine Studie der Weltgesundheitsorganisation aus dem Jahr 1995, die schätzt, dass weltweit zehn Prozent der Konsumenten von illegalen Drogen als problematisch, als dysfunktionale Konsumenten gelten. Knapp 90 Prozent der Konsumenten haben ihren Konsum im Griff und nutzen Drogen gelegentlich und ohne schwerwiegende Folgen auf ihr Alltagsleben.
    Legale Drogen kommen in dem Bericht nicht vor: etwa Alkohol, Schmerzmittel oder Psychopharmaka. Diese Substanzen können ähnlich problematische Folgen für den Einzelnen, für Angehörige und Gesundheitssysteme haben. Die Unterscheidung zwischen legalen und illegalen Drogen ist im Grunde willkürlich.
    Dieser Hypothese folgend, nimmt ein Großteil der Menschheit Drogen: Während der Konsum von illegalen Drogen kriminalisiert ist, sind legale Drogen völlig akzeptiert. Mit der Trilogie widme ich mich den Folgen dieses Widerspruchs für Konsumenten, Transportländer und eben Produzenten, wie Kokabauern in Kolumbien.
    Wie haben Sie das Feature umgesetzt?
    Durch die Prohibition zählen Drogen zu den weltweit wertvollsten Waren. Die Staaten haben dadurch die gesetzliche Kontrolle über den Konsum, die Produktion und den Transport verloren, mit schrecklichen Folgen. Ich gebe zu, dass ich mit dem Titel der Sendung "Illegale Drogen töten” provozieren möchte - dass die Prohibition von Drogen gefährlicher ist, als der eigentliche Konsum. Das kommt daher, dass ich mit dem Feature eine Diskussion über das Thema Antidrogenkrieg im deutschsprachigen Raum anregen will. Das Feature soll die aktuelle Situation des Antidrogenkrieges in Europa und Kolumbien beleuchten, ohne explizit die Frage nach Alternativmodellen zu beantworten.
    Für das Feature waren Sie auch einige Wochen in Kolumbien. Welche Eindrücke haben Sie von den Bauern dort gewonnen, die vom Drogenkonsum leben?
    Die Kokabauern denken in dem Sinne nicht moralisch, wie wir. Oder vielleicht schon! Denn sie handeln nach ihrer ökonomischen Moral, die heißt, sie wollen ihre Kinder und Familien durchbringen. Kolumbianische Kokabauern sind Landlose und Vertriebene des über Jahre andauernden Bürgerkrieges. Hunderttausende Menschen bilden das Reservoir für den illegalen Anbau.
    Es gibt keine ökonomische Alternative für sie, deshalb bleibt ihnen nur der gefährlich Kokaanbau. Ihr Verdienst ist sehr gering, sie nehmen gerade mal den jährlichen nationalen Mindestlohn ein. Die meisten verstehen nicht, warum Kokain für Konsumenten einen derart hohen Wert hat. Ich habe keinen Bauern getroffen, der sein eigenes Produkt konsumiert. Sie trinken, wenn überhaupt.
    Wie stehen Sie persönlich zu Drogen?
    Ob ich Drogen nehme oder nicht, halte ich für wenig relevant im Kontext der Produktion der Sendung. Doch möchte ich darauf ehrlich Antwort geben: Mein Drogenkonsum ist der gleiche, wie jener des aktuellen US-Präsidenten Barack Obama und Millionen anderer Menschen: Ich habe gekifft - Cannabis und Marihuana. Heute trinke ich ab und zu Alkohol. Wie bei Obama, ist auch meine Sucht-Schwachstelle leider Zigaretten. Ich bin aber auch noch jünger als er und habe Zeit, um davon loszukommen.
    Das Feature soll mit #illegaledrogentöten auch über Soziale Medien begleitet werden. Warum?
    In Echtzeit zu interagieren in einem Radiofeature ist für uns alle ein Experiment, und wir hoffen sehr, dass es klappt. Das heißt, die Meinungen und Diskussionsbeiträge werden unter #illegaledrogentöten in den Tagen vor und während der Ausstrahlung in Deutschland und Österreich gesammelt und fließen dann live in das Feature um 18.05 Uhr ein. Ich hoffe Sie machen mit: #illegaledrogentöten

    Das Feature #illegaledrogentöten am Samstag, 3.09., um 18.05 Uhr