Aus den Feuilletons

Wie Architektur Konflikte lösen hilft

Auf einem Tisch liegen deutsche Tageszeitungen so versetzt, dass jeweils nur der Titel zu lesen ist, ganz vorne "Die Welt", "Frankfurter Allgemeine Zeitung" und "Süddeutsche Zeitung"
Die "Süddeutsche Zeitung" berichtet heute von einem Wohnhaus des Architekten Alexander Hagner, in dem Obdachlose und Studierende leben. © dpa / Jan Woitas
Von Adelheid Wedel · 29.08.2014
Von einem Haus für Obdachlose und Studenten in Wien berichtet begeistert die "SZ", die NZZ" traf den in der Ostukraine geborenen Schriftsteller SerhijZhadan getroffen, und die "taz" hat die US-Spionageverfahren gegen Whistleblower nachgezählt. Es sind acht!
Der Architekt Alexander Hagner hat mitten in Wien ein Haus entwickelt, in dem Obdachlose und Studenten zusammenleben.Davon berichtet Laura Weissmüller in der SÜDDEUTSCHEN ZEITUNG und nennt es
"ein einzigartiges Beispiel, wie Gemeinschaft gelingen kann".
Das Haus zeige, wie Architektur helfen könne, Konflikte zu lösen, ganz praktisch. Und es lasse eine Urbanität zu, die wir in Zeiten von durchgentrifizierten Stadtvierteln kaum mehr kennen. Hagner entwirft seit 2002 Unterkünfte für Obdachlose. Dem 51-jährigen Stuttgarter ist nun in Wien ein ganz besonderes Modell geglückt. Sein Haus
"schiebt sich forsch mehrere Meter auf den Bürgersteig. Der kürzeste Weg vorbei führt mitten durch das Lokal im Erdgeschoss".
Das sei ganz im Sinne des Projekts, sagt der Architekt und:
"Es geht hier darum, die Trennung zwischen der Gesellschaft und den Obdachlosen aufzuheben. Grenzen auflösen, Schwellen abbauen, das ist hier das Ziel. Man sollte mehr Menschen miteinander denken, die man nicht zwingend zusammen sieht."
"Später wird es einmal Krieg heißen"
titelt die NEUE ZÜRCHER ZEITUNG. Der in der Ostukraine geborene Schriftsteller SerhijZhadan zeichnet hier ein aktuelles Bild seiner Heimat und meint:
"In der Ukraine suchen die Menschen, den Ernst der Lage zu verdrängen. Offiziell führt das Land keinen Krieg, es gibt lediglich einen Anti-Terror-Einsatz. Der überwiegende Teil der Bevölkerung versucht – genau wie während des Maidan – sich von den Kämpfen fernzuhalten und einfach abzuwarten, wie alles ausgeht."
Zhadan beobachtet:
"Die Veränderungen des vergangenen halben Jahres scheinen sich ausschließlich auf die Anbringung der ukrainischen Symbolik an allen nur denkbaren Orten zu beschränken. Alles wird blau-gelb angemalt: Strommasten, Brücken, Hauswände. Seit längerem liegt es im Trend, die Autos blau-gelb zu beflaggen."
Kritisch merkt der Autor an:
"Dieser zur Schau getragene Patriotismus kann allerdings nicht darüber hinwegtäuschen, dass man die wirklichen Veränderungen bedauerlicherweise vergeblich sucht."
Wie alles enden wird, sei momentan schwer vorherzusagen. Schon jetzt sei aber klar, dass mit dem kommenden Herbst und Winter eine harte Zeit bevorstehe.
"Das Land findet sich langsam damit ab, dass es in einen richtigen Krieg gezwungen worden ist. Und das friedliche Leben im Hinterland ist nur eine vorübergehende Zuflucht vor dem, was sich im Osten abspielt.
Was ist aus dem Land der freien Presse geworden",
fragt die Tageszeitung TAZ. In Washington recherchierte Dorothea Hahn zum Thema und stieß auf den Fall des US-Journalisten James Risen. Er soll eine Quelle preisgeben, das tut er nicht, dafür wird ihm Gefängnisstrafe angedroht. Hahn kommentiert:
"Ohne Menschen wie James Risen wäre weniger von dem bekannt, was die US-Regierungen im Verborgenen treiben. Risen gehört zu dem kleinen Kreis von investigativen Reportern in den USA, die auf Sicherheitsthemen spezialisiert sind."
Die Hatz auf den Journalisten begann vor sechs Jahren, als die Justiz im letzten Amtsjahr der Bush-Regierung erstmals versuchte, Risen zur Preisgabe einer Quelle zu zwingen. Hahn dokumentiert:
"Im Weißen Haus sitzt längst der Präsident, der bei Fensterreden das Recht der Journalisten verteidigt, ihre Arbeit ungestört von der Justiz zu tun. In der realen Politik wurden unter Obama acht Spionageverfahren gegen Whistleblower eröffnet",
unter anderem gegen Chelsea Manning, der jetzt für 35 Jahre im Gefängnis sitzt. Seit 2008 verurteilt eine Gerichtsinstanz nach der anderen Risen dazu, den Namen eines Informanten preiszugeben. Jetzt gibt es eine Initiative zu seiner Unterstützung. Die Gruppe Roots Action hat mehr als 100 000 Unterschriften für eine Petition gesammelt, in der
"die sofortige Einstellung der Maßnahmen gegen Risen gefordert wird. Nennt sie einen Angriff auf die Pressefreiheit. Auch 21 Pulitzerpreisträger haben unterschrieben."
Risen selbst hat zwei Pulitzerpreise gewonnen, er hat vier Bücher veröffentlicht.
"Dass die Justiz selbst vor einem wie ihm nicht zurückschreckt",
wird von der Öffentlichkeit in den USA als bedrohlich empfunden.