Aus den Feuilletons

Weiser Politiker, rücksichtslose Journalisten

Verschiedene deutsche Tageszeitungen liegen zur Presseschau bereit.
Die Mehrheit findet, dass Journalisten unmoralisch, manipulativ und zu mächtig, schreibt die "ZEIT". © Jan Woitas, dpa
Von Hans von Trotha · 22.10.2014
Die "FAZ" lässt mal wieder einen Politiker für sich schreiben: Der CDU-Bundestagsabgeordnete Rüdiger Kruse erklärt, was der Mensch zur nachhaltigen Existenz so braucht. Vielleicht gehören auch gute Journalisten dazu?
Die FAZ heuert gern Politiker fürs Feuilleton. Gerade durfte Minister Dobrindt hier die Marktmacht von Google als Schauermärchen entlarven, da konfrontiert uns der CDU-Bundestagsabgeordnete Rüdiger Kruse mit nichts Geringerem als einem "Vierpunkteplan für die Menschheit". MdB Kruse ist weniger bedeutend als Minister Dobrindt. Das lässt sich – im Wortsinn – daran ablesen, dass er seine Text offenbar selbst schreibt. Und die Überschrift wahrscheinlich gleich mit:
"Feuer, Pfeife, Stanwell: Drei Dinge brauchte der Mann früher. Fehlte da nicht etwas? Zur nachhaltigen Existenz muss noch eine vierte Größe dazukommen. Welche könnte das sein?"
Das Wesen der Kultur
Herr Kruse macht es ein bisschen spannend, rückt dann aber damit heraus:
"Es sind Gott und Kultur." –
"Tiere und Menschen", lesen wir,
"essen, trinken, arbeiten, schlafen und haben Sex. Menschen haben Kultur. Regenwürmer schreiben keine Gedichte, Ameisen bauen keine Tempel. Löwen singen keine Arien, Pandabären schreiben keine Haikus ... Eine Welt also, die keine Kultur hat, wäre eventuell zwar dauerhaft, aber wenig erstrebenswert.“
Mutig zitiert der Abgeordnete: "I just want to eat, sleep, fuck and finally die", um hinzuzusetzen:
"Dieses Zitat aus dem Film 'River Made to Drown in' ist eben schon wieder Kultur, denn wer nur isst, schläft, f... " – da folgen bei Herrn Kruse drei verschämte Pünktchen, geschenkt – " … und schließlich stirbt, reflektiert dies eben nicht."
Will anscheinend sagen: Kultur ist, wenn einer das, was für Herrn Kruse keine Kultur ist, einfach mal so sagt.
Vierte und fünfte Gewalt im Wettstreit
Vielleicht benennt Bernhard Pörksen in der ZEIT ja den Grund, warum sich die FAZ für ihr Feuilleton gern im Bundestag bedient:
"Die Mehrheit der Deutschen", schreibt Pörksen, "hält Journalisten für unmoralisch, rücksichtslos, manipulativ, bestechlich und für deutlich zu mächtig."
Ja, das war kein Versprecher, da steht "Journalisten", nicht "Politiker". Pörksen fragt:
"Was heißt es, wenn die Medien als vierte Gewalt durch eine fünfte Gewalt in Gestalt des Publikums ergänzt wird, eine Gewalt, die sich selbst massiv öffentlich artikulieren und eine eigene Agenda durchsetzen kann?"
Nun, auf den Münchener Medientagen wurde gerade irgendwie festgestellt, dass das eben doch nicht geschieht. "Das Fernsehen", entnehmen wir der Berliner Zeitung, "verschmilzt nach Ansicht des ARD-Vorsitzenden Lutz Marmor langsamer mit dem Internet als gedacht."
"Die kurzfristige Entwicklung wird teilweise grob überschätzt… . Für die TV-Sender bedeute das: Nicht nur, wer zu spät kommt, den bestraft das Leben, sondern auch, wer zu früh kommt."
Schönes, böses Social Freezing
Da kann man es nur dem Überschriften-Redakteur halten, der unter den Titel "Das Fernsehen wird immer besser" die Zeile gesetzt hat: "Kühne Thesen zum Auftakt der Medientage München".
Kühn ist auch Claudia Fuchs' Aufmacher im gleichen Blatt:
"Danke, Apple! Danke, Facebook!", ruft sie aus,
"So wichtig wie einst die Anti-Baby-Pille: Social Freezing verhilft Frauen zu mehr Selbstbestimmung."
Und als habe sie's gelesen, schleudert Margarete Stokowski in der taz dagegen:
"Friert mich ein. Bitte. Friert mich ein, solange es Länder gibt, in denen es schwieriger ist, Arbeitsstrukturen zu ändern als weibliche Körper. … Taut mich auf, wenn Geschlechterrollen antiker Scheiß sind. Taut mich auf, wenn Frauen einfach Menschen sind. Und Männer auch."
US-amerikanische Mutter gewinnt gegen Spielzeughändler
Und Spielfiguren Spielfiguren, möchte man hinzufügen, denn dieselbe taz meldet, dass aufgrund des Aufschreis einer gewissen "Florida-Mom" Breaking-Bad-Figuren aus Spielzeugläden verbannt werden mussten. Doris Arkap berichtet:
"Der Spielzeughändler Toys"R"Us hat Walter White und Jessie Pinkman aus dem Programm genommen. Die beiden Hauptfiguren aus der US-Serie 'Breaking Bad' waren kurze Zeit als Plastikfiguren – ausgerüstet mit Pistole, Bargeld, Gasmaske und einer Tüte Crystal Meth – zu haben. Die jedoch erregten eine Mutter aus Florida. In einer Petition warf die 'Florida-Mom' dem Spielzeugkonzern eine 'gefährliche Abkehr von dessen familienfreundlichen Werten' vor."
Womit wir wieder bei der CDU wären. Der Mensch, schreibt MdB Kruse in seinem FAZ-"Vierpunkteplan für die Menschheit" sei "teilweise vernunftgesteuert". Genau das kann man auch von den Feuilletons des Tages sagen.
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