Aus den Feuilletons

Putins Eltern im Krieg

Der russische Präsident Wladimir Putin 2014 bei den Feiern im Rahmen des 70. Jubiläums des D-Days, der Landung der Alliierten in der Normandie in Frankreich.
"Sie empfanden keinen Hass gegenüber dem Feind", wundert sich Putin in einem Artikel über die Warmherzigkeit seiner Eltern gegenüber deutschen Soldaten im Zweiten Weltkrieg. © picture alliance / dpa / Metzel Mikhail
Von Gregor Sander · 06.05.2015
Die "FAZ" schildert Putins Verwunderung darüber, dass seine Eltern trotz der Schrecken, die sie im Zweiten Weltkrieg erlebten, keinen Hass gegenüber dem Feind empfanden. Außerdem in den Feuilletons: die Venedig-Biennale und die Kopftuchdebatte.
Kein geringer als Wladimir Putin erinnert in der FRANKFURTER ALLGEMEINEN ZEITUNG an den Zweiten Weltkrieg aus der Sicht seiner Eltern.
"Wladimir Putin ist Präsident der Russischen Föderation. Sein Text ist auf der Website der russischen Zeitschrift 'Russkij Pioner' erschienen",
ist am Ende zu lesen, als wäre dies ein ganz normaler Autor. Putin erzählt beispielsweise von seinem Vater, der für den NKWD im Hinterland der Front arbeitete:
"Sie wurden durch den Wald verfolgt. Er blieb am Leben, weil er sich im Sumpf vergrub, mehrere Stunden darin blieb und durch ein Schilfrohr atmete. Wobei er sagte, dass, als er, im Sumpf eingegraben, durch dieses Schilfrohr atmete, er hörte, wie deutsche Soldaten ganz nah an ihm vorbeigingen, buchstäblich einige Schritte von ihm entfernt, dass er hörte, wie Hunde kläfften ..."
Solche unglaublichen Geschichten gibt es viele in Putins Text, und er unterstreicht sie mit Worten wie diesen:
"Es stellte sich heraus, dass alles, was meine Eltern über den Krieg erzählt hatten, wahr war. Kein Wort hatten sie sich ausgedacht, keinen Tag durcheinandergebracht."
Und dann kommt der russische Präsident zu einem bemerkenswerten Ende:
"Sie empfanden keinen Hass gegenüber dem Feind. Ich kann das, ehrlich gesagt, bis heute nicht ganz begreifen. Meine Mutter war überhaupt ein sehr weichherziger, gütiger Mensch ... Sie sagte: 'Wie soll man diese Soldaten hassen? Es waren einfache Leute, und sie sind auch im Krieg gefallen.' Das ist erstaunlich. Wir wurden von sowjetischen Büchern und Filmen erzogen ... Und wir hassten."
Fotografien im deutschen Pavillon auf der Biennale
In wenigen Tagen eröffnet in Venedig die 56. Biennale und viele Feuilletons haben schon einen Reporter über das Gelände geschickt. Nicola Kuhn vom Berliner TAGESSPIEGEL stellt fest:
"Alles anzuschauen, wenn die Kunstschau in Venedig am Samstag eröffnet wird, das schafft keiner."
Und so wird der deutsche Pavillon besonders genau betrachtet. Dieser klotzige Nazibau aus dem Jahre 1938. Kia Vahland von der SÜDDEUTSCHEN ZEITUNG ist allein von der Gestaltung des Innenraums begeistert:
"Achselzuckend nehmen der Kurator Florian Ebner und seine Künstler die Vergangenheit zur Kenntnis und richten in ihren Überbleibseln Gegenwart und Zukunft ein. Der zehn Meter hohe Raum wird in der Höhe geteilt, das lichtdurchflutete obere Geschoss erreicht man über eine verwinkelte Treppe und blickt nun entspannt statt eingeschüchtert über Giardini und Lagune."
Ebner, der ansonsten als Fotokurator im Essener-Folkwang-Museum arbeitet, hat neben anderen Künstlern auch einen klassischen Fotografen eingeladen, dessen Arbeit im hellen Obergeschoss Nicola Kuhn im TAGESSPIEGEL so beschreibt:
"Tobias Zielony bespielt es mit einem Foto-Essay zur Flüchtlingsproblematik in Deutschland. Ein kluger, scharfer Blick, der Betroffene nicht als Opfer darstellt, sondern als selbstbewusste Aktivisten, die ihre Situation reflektieren und darüber schreiben, wie in aufgehängten Zeitungen zu lesen ist."
Swantje Karich von der Tageszeitung DIE WELT hat auch einen Blick in den Pavillon nebenan geworfen:
"Hier residieren die USA. Vor der breiten Treppe hinauf werden knallgelbe Taschen verkauft, passend zur Corporate Identity des Pavillons, in dem Sarah Lucas in gefälliger Banalität absäuft. Das Ensemble von Gipsfrauenhintern mit Zigarette im Loch nervt. Ein Jammer, denkt man an frühe, präzise, harte, feministische Arbeiten von ihr."
Die Freiheit, ein Kopftuch tragen zu können
In der FAZ antwortet Fereshta Ludin ihren feministischen Kritikerinnen, namentlich Alice Schwarzer und Necla Kelek.
"Wäre das Kopftuch ein Zeichen von Unterdrückung, ich wäre die Erste, die es absetzt."
Um auch im Unterricht ein Kopftuch tragen zu können, zog die in Afghanistan geborene Lehrerin vor das Bundesverfassungsgericht und gewann. In der FAZ argumentiert sie: In Saudi-Arabien …
"… werden Frauen gezwungen, ein Kopftuch und größtenteils auch den Gesichtsschleier zu tragen. Das habe ich verurteilt. Aber ist es deshalb in Ordnung, wenn man gezwungen wird, das Kopftuch abzulegen?"
Mehr zum Thema