Aus den Feuilletons

Muntere Wortgefechte

Außenansicht des Brecht-Hauses in Berlin-Mitte. Hier wohnte der Schriftsteller und Dramatiker Bertolt Brecht von 1953 bis seinem Tod 1956.
Das Brecht-Haus in Berlin-Mitte. Vom hier beheimateten Literaturforum wurde die Konferenz "Richtige Literatur im Falschen?" veranstaltet. © imago / Reiner Zensen
Von Adelheid Wedel · 19.04.2015
Eine Konferenz über politische Literatur ist Thema in den Feuilletons. Sie berichten zwar von lebendigen Debatten, doch insgesamt war es offenbar nicht leicht, miteinander ins Gespräch zu kommen, ist in der "taz" zu lesen. Für den Autor lag das an der Konzeption der Veranstaltung.
"Die Nachrufe, in denen mit einem der bekanntesten Schriftsteller der deutschen Nachkriegszeit ein längst als lästig und anachronistisch empfundenes Literaturverständnis verabschiedet wurde, sind kaum verhallt, da wollen Autoren und Wissenschaftler das vermutlich altmodische Engagement der Literatur rehabilitieren."
Ein wenig Spott, man kann es auch Unverständnis über das Wirken von Literatur nennen, schwingt im ersten Satz des Berichts von Kerstin Decker im TAGESSPIEGEL mit. Sie informiert – es war für mehrere überregionale Zeitungen berichtenswert – von der Konferenz "Richtige Literatur im Falschen? Schriftsteller, Kapitalismus, Kritik". Veranstaltet wurde sie an diesem Wochenende in Berlin vom Literaturforum im Brecht-Haus in Zusammenarbeit mit der Rosa-Luxemburg-Stiftung. Zu nennen sind zwei weitere Namen, auf deren Initiative das Treffen zustande kam: der Soziologe Ingar Solty und der Schriftsteller Enno Stahl. Diskutiert werden sollte, "was politische, engagierte oder kritische Literatur heute sein kann".
Zwar ist in den Berichten von manch munterem Wortgefecht zu lesen, unüberhörbar aber bleibt die Skepsis, mit der das Feuilleton das Projekt begleitet. Immer wieder wird auf einen "fehlenden Resonanzraum" für kritische politische Literatur heute verwiesen. Andererseits stellt zum Beispiel Decker verwundert fest: "Realismuskonzepte werden wieder verstärkt diskutiert. Heute fehlten die gesellschaftlichen Subjekte. Ein neues 'Wir' sei nicht auszumachen, eher ein ängstliches 'Ich'", nennt Tobias Lehmkuhl in der SÜDDEUTSCHEN ZEITUNG ein von mehreren jüngeren Literaten aufgezeigtes Dilemma.
"Kritisch gegenüber den einen kritischen Perspektiven"
Es war offenbar nicht leicht, miteinander ins Gespräch zu kommen, registriert Dirk Knipphals in der Tageszeitung TAZ. Er schlussfolgert:
"Im Grunde wurde während der beiden Tage die ganze Zeit über erst nach Möglichkeiten gesucht, wie das gelingen könnte." Offenbar habe den Veranstaltern vorgeschwebt, so Knipphals, "durch eine linke Gesellschafts- und Literaturbetriebsanalyse einen objektiven Boden bereiten zu können, um darauf eine Art Koalition der emanzipierten Ansätze gegen den Mainstream zu bilden". Das sei nicht gelungen, stattdessen gibt er den Ratschlag, "anstatt einen angeblichen Mainstream als Popanzgegner aufzubauen, sei es manchmal hilfreich, kritisch auch gegenüber den eigenen angeblich kritischen Perspektiven zu sein".
Kathrin Röggla konterte die Klage von Erasmus Schöfer, die Macht des Kapitals verhindere die Wirksamkeit engagierter Literatur, auf eine Veränderung der Gesellschaft hinzuarbeiten, mit der These:
"Die mögliche Wirkung von Ästhetik liege darin, Fragen aufzuwerfen, zuzuspitzen und nicht in der Anleitung zum Handeln."
Wenig Reichweite zu später Stunde
Ein anderes Thema beschäftigt die Feuilletons: Die ARD-Dokumentation "V-Mann-Land", die an diesem Montagabend gesendet wird. In der SÜDDEUTSCHEN ZEITUNG kündigt Tanjev Schultz die Doku von Katja und Clemens Riha an und beschreibt die Perspektive des Films:
"Der Staat betreibt ein gefährliches Geschäft. V-Leute in der rechten Szene sind in der Regel selbst Extremisten. Es geht ihnen ums Geld, nicht um den Kampf gegen den Extremismus. Einer, der angeblich zur Vernunft gekommen ist, sagt: Ich habe im Prinzip im Auftrag des Staates Leute dazu gebracht, Straftaten zu begehen."
Frank Lübberding stellt in der FRANKFURTER ALLGEMEINEN ZEITUNG vor allem Fragen zum Geheimdienstreport und zur Situation des Verfassungsschutzes, denn:
"Hier geht es um einen Skandal, der die Sicherheitsbehörden seit der Enttarnung des NSU in eine tiefe Krise gestürzt hat. Wieso ignorierten die Behörden alle Hinweise auf den NSU? Es gab Quellen, die klare Erkenntnisse lieferten. Nur welchen Nutzen haben sie, wenn das ohne Konsequenzen blieb?"
Die Sendung läuft 22.45 Uhr im Ersten. Dieser fragende aufklärende Film wird zu so später Stunde nicht mehr viele Menschen erreichen.
Mehr zum Thema