Aus den Feuilletons

Longlist ist "ein schlechter Witz"

Wer auf der Longlist steht, kann nicht nur auf einen Preis, sondern auch auf höhere Verkäufe rechnen.
Wer auf der Longlist steht, kann nicht nur auf einen Preis, sondern auch auf höhere Verkäufe rechnen. © dpa / picture alliance / Roland Weihrauch
Von Tobias Wenzel · 13.08.2014
Die "Welt" ärgert sich über die Longlist des Deutschen Buchpreises. Der "Tagesspiegel" berichtet über den Candystorm für Nachrichtensprecherin Caren Miosga. Und fast überall wird der verstorbenen US-Schauspielerin Lauren Bacall gedacht.
"Man meint, die Geschichte persönlich am Schopf packen zu können, wenigstens die Füße der Majestäten zu küssen", schreibt Peter Roos in der ZEIT über seinen Besuch der sogenannten "Kaiserhaus-Auktion" in Wien. Der vermutliche Reithut der Kaiserin Elisabeth habe 134.500 Euro erbracht, die "Zierdecke vom Sterbediwan" des Franz Ferdinand 9375 Euro. Ansonsten gab's herrschaftliche Haare und exquisites Horn. In den Worten von Peter Roos, der Vergangenheit und Gegenwart verschmelzen lässt:
"Man schließt die Augen und wird Zeuge, wie der Ketterl Eugen, der Leibkammerdiener seiner apostolischen Majestät, gerade die kaiserlichen Fußnägel schneidet, an jenem 17. Mai 1910 in Budapest; gleich lässt er sie verschwinden im Kuvert aus braunem Büttenpapier, das er sofort beschriftet und routiniert datiert. Sekunden später versteigert: Schätzpreis 500, Kaufpreis 1900 Euro."
Was wäre wohl eine Zigarette wert, die den Mund von Lauren Bacall berührt hat? "Wenn sie sich eine Zigarette anzündete oder die Augen aufschlug, war alles gesagt", schreibt in der TAZ Barbara Schweizerhof in ihrem Nachruf auf die US-amerikanische Schauspielerin. Seit ihrem Kinodebüt habe die Welt sie "als Rätselschönheit" geschätzt, meint Dieter Bartetzko in der FRANKFURTER ALLGEMEINEN ZEITUNG, "als Chimäre zwischen Gut und Böse, die mit Bruchteilen von Burschikosität ihre weibliche Magie noch erhöhte". Für Christian Schröder vom TAGESSPIEGEL war "The Look" die "letzte Diva des klassischen Hollywood", "die Heroine des Cool, die Inkarnation einer abgebrühten, undurchsichtigen Frau".
Longlist "wirklich skandalös"
"Undurchsichtig" wäre eine noch zu euphemistische Umschreibung dafür, wie einige Literaturkritiker die Entscheidung der Jury unter Vorsitz von Wiebke Porombka finden, die die vermeintlich besten 20 Romane des Jahres auf die Longlist des Deutschen Buchpreises gewählt hat. Diese Longlist sei "ein schlechter Witz", erregt sich Richard Kämmerlings in der WELT. Es gebe zwar einige berechtigte Nominierte, aber viel länger sei die Liste derjenigen, die wie Judith Hermann und Katja Petrowskaja auf der Liste fehlten. Überhaupt – und dies sei "wirklich skandalös" – mangele es auf der Liste an jüngeren Autorinnen. Da habe die Jury wohl "der gesamten Kritikerzunft die lange Nase zeigen" wollen.
Dirk Knipphals vermutet in der TAZ, die, wie er sagt, "hilflos" wirkende Auswahl sei wohl damit zu erklären, dass alle Jurymitglieder "wenigstens ihre eigenen Favoriten retten" wollten. Die Longlist sei einfach nur "Quatsch". Auch er nimmt das Wort "Skandal" in den Mund und fleht geradezu darum, die nicht nominierten Bücher von Michael Kleeberg, Nino Haratischwili und anderen zu lesen. Der Autor mit dem Kürzel "gbar" vom TAGESSPIEGEL scheint gerade in Fahrt zu kommen, um seinem Ärger Luft zu machen. Doch da bremst er sich selbst aus, mit den schlichten Worten: "Ach, egal."
Miosga hat "sich selber zur Nachricht gemacht"
Alles andere als egal fanden viele, dass Caren Miosga in den "Tagesthemen" plötzlich auf dem Moderationstisch stand, um an den verstorbenen Schauspieler Robin Williams und dessen Rolle im Film "Der Club der toten Dichter" zu erinnern. Keinen "Shitstorm", sondern einen "Candystorm" habe es im Netz für Caren Miosga gegeben, schreibt Joachim Huber im TAGEESSPIEGEL. Allerdings wirft er der Moderatorin vor, "sich selber zur Nachricht gemacht" und "ihre Kernaufgabe der Informationsvermittlung" vergessen zu haben.
Lena Bopp denkt in der FAZ darüber nach, was da wohl noch in Zukunft von Caren Miosga zu erwarten ist:
"Könnte sie bei der Überleitung zum Wetter einen Regentanz aufführen? Oder möchte sie beim nächsten Beitrag über das Erbe Johannes Pauls II. vielleicht den Boden küssen?"
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