Aus den Feuilletons

Letzter Vorhang für "Günther Jauch"

Günther Jauch bei seine Talkshow vom 07.06.15
Günther Jauch bei seine Talkshow vom 07.06.15 © imago/Metodi Popow
Von Adelheid Wedel · 27.11.2015
Mit einem Sologast geht am Sonntag die politische Talkshow von Günther Jauch zu Ende. Er ist ein Vertreter der Normalwisser und des Normalfernsehens, meint der "Tagesspiegel", der zum Abschied schreibt: "Ohne Jauch geht's auch".
Nach inzwischen vier Jahren und 157 Sendungen Talk mit Günter Jauch ziehen die Zeitungen Bilanz. Was bleibt, wenn sich der Talkmeister jetzt verabschiedet? Der TAGESSPIEGEL hat darauf eine knappe Antwort:
Ohne Jauch geht's auch. Joachim Huber verweist darauf, Normalwisser, Bescheidwisser, Besserwisser. Sie alle müssen sich von Talker und Talk nach seiner letzten Sendung an diesem Sonntag verabschieden. Das tut er – wie Huber schreibt – mit einer beachtlichen Quote. Er hat als Nachfolger von Sabine Christiansen und Anne Will noch größere Aufmerksamkeit im Publikum generiert als seine Vorgängerinnen. Jauch geht leise, beinahe lautlos, wundert sich der Autor. Er charakterisiert die Ära: Günther Jauch ist ein Vertreter der Normalwisser und ein Vertreter des Normalfernsehens. Das muss kein Versagen sein. Kein Provokateur, kein Anstifter, Jauch ist keiner, der Streit will. Vor Jauch musste sich in 157 Sendungen kein Gast fürchten, ein Gast vor dem anderen schon. Dieses Problem wird in seiner letzten Sendung vermieden: Am Sonntag ist Finanzminister Wolfgang Schäuble Sologast im Finale.
"Gewalt fasziniert uns auch"
Müssen Schriftsteller die Rolle des öffentlichen Intellektuellen stärker wahrnehmen? In Lukas Bärfuss findet die Tageszeitung TAZ einen willigen Interviewpartner zu diesem Thema. Der Schweizer Schriftsteller antwortet: Ich glaube nicht, dass sich Schriftsteller um sämtliche Mechanismen des Politischen zu kümmern haben. Angesichts der Anschläge von Paris klingen seine Überlegungen unaufgeregt und abgeklärt. Bärfuss sagt: Wir sollten uns eingestehen, dass uns Gewalt nicht nur empört, sondern auch fasziniert und anzieht. Und es ist dieser Mechanismus, den die Terroristen ausnutzen. Wir können uns von diesen Bildern nur schwer lösen, die Bilder werden zu Ikonen des Schreckens. Diese Wirkungsmacht erstaunt uns immer wieder, und ich glaube, darin liegt eine Falle: Staunen bedeutet auch erstarren, die Faszination paralysiert uns. Auf die Frage, was jetzt zu tun sei, rät er: Zuerst sollten wir aus der geschichtlichen Erfahrung lernen. Europa wird ja nicht zum ersten Mal vom Terror heimgesucht. Viele der Diskussionen, etwa jene über den Konflikt zwischen Sicherheit und Freiheitsrechten, wurden bereits früher geführt. Und schon da hat weniger Freiheit niemals zu mehr Sicherheit geführt. Sprache und Nationalität gehören für Bärfuss eng zusammen. Was die Nation betrifft, die wir uns ja auch nur selten aussuchen, meint der Schweizer Schriftsteller, dass sie sich in einem Rückzugsgefecht befindet. Und weil es dabei um ihre Existenz geht, werden diese Gefechte verbissen geführt, mit viel Gewalt und vielen Toten. Der Nationalstaat aber stoße zunehmend an seine Grenzen, er ist kaum mehr zu legitimieren, nur noch zu behaupten, erklärt Lukas Bärfuss im Interview mit der TAZ.
"Russen ertragen keine Freiheit"
Die FRANKRFURTER ALLGEMEINE ZEITUNG lässt eine andere namhafte Schriftstellerin, die Literaturnobelpreisträgerin Swetlana Alexijewitsch, zu Wort kommen. Ihre deprimierende Aussage, als Überschrift verwendet, lautet: Die Russen ertragen keine Freiheit. Alexijewitsch, die auf ihre westukrainischen und weißrussischen Wurzeln verweist, sagt: Die russische Kultur erzog mich, und ich wurde ein Teil davon. Mit Russland geht sie hart ins Gericht. Putin hatte ihr nicht zum Nobelpreis gratuliert. Das erklärt sie so: Zum Nobelpreis hat Russland ein ungesundes Verhältnis, das war schon bei Iwan Bunin so und bei Joseph Brodsky. Wie ein Credo zu ihrer künstlerischen Arbeit klingt es, wenn sie sagt: Viele sind der Meinung, Literatur solle schmücken. Wenn Literatur Wunden aufzeigt, liegt darin auch ein Appell zu handeln, etwas zu ändern. Das ist unbequem. Alexijewitsch weiß es und klagt deswegen öffentlich an: Es gibt bei uns Korruption und Vetternwirtschaft. Bitter und enttäuscht fasst sie zusammen: Russland hat keine politische Kultur entwickelt.