Aus den Feuilletons

Hass auf Mode-Veganer

Die sich vegan ernährenden Robert Kresse (l), Silke Bott (M) und Robert Elzer (r) blicken in ihrer Wohngemeinschaft in Karlsruhe in den mit Gemüse gefüllten Kühlschrank (Foto vom 04.08.2010).
So sieht der Kühlschrank bei Veganern aus © picture-alliance / dpa / Uli Deck
Von Paul Stänner · 25.09.2014
Die "FAZ" lästert über das Veganertum als Modeerscheinung, die "Taz" über den "Tatort" und die "Welt" über Urbantouristen als "saisonale Pest". Ein Lichtblick: Die Gratulationen zum 70. Geburtstag des österreichischen Schriftstellers Peter Turrini.
In den Feuilletons begegnen wir vielen schlecht gelaunten Schreibern. Die taz nimmt sich noch einmal den Erfolgs-Tatort vom vergangenen Sonntag vor und wütet gegen den Film, weil er humor- und spannungslos und kindisch war. Jürn Kruse schreibt:
"Wer so etwas abliefert, duckt sich normalerweise weg und hofft, dass das faule Obst vorbeifliegt. Stattdessen feiert der WDR einen weiteren Münsteraner Quotenrekord."
Kruse versteht die Welt nicht, bleibt etwas rechthaberisch bei seiner Meinung und doziert, dass Beliebtheit nicht unbedingt Qualität bedeutet. Zum Beweis zieht er Michael Hanekes reich prämiertes Werk "Liebe" heran, das im Anschluss gesendet wurde, aber den "guckte nicht einmal jeder sechster 'Tatort'-Zuschauer". Was ja auch nicht möglich ist, denn ein Tatort-Zuschauer guckt – so will es der Begriff Tatort. Aber wir wollen in der Grammatik nicht kleinlich sein.
Der taz-Kolumnist steckt in dem Dilemma des Verbohrten, dass er für das, was er für Mist hält, weder die zahlreichen Zuschauer noch die ARD verachten darf, dass er aber andererseits gern den Tatort hasst. Am Ende rettet sich Kruse in einen verschwurbelten und grammatisch erneut unsauberen Appell:
"Liebes öffentlich-rechtliche Fernsehen, ihr sollt es nur besser machen. Wenn ihr schon nicht das Publikum ernst nehmt, dann doch bitte zumindest dessen Lieblingsprogramm."
Was will der Autor damit vorschlagen: Dass die ARD nach den ästhetischen Vorgaben von Jürn Kruse einen Film drehen und damit 37 Prozent Marktanteil erzielen soll? Da lernt man, wie einen blinder Hass um die Vernunft bringt.
Die Taliban des Veganertums
Die FAZ bringt einen ausführlichen Artikel über die Mode des Veganismus. Wir gestaten uns den Ausdruck "Mode", weil Christina Hucklenbroich eine soziologische Studie zitiert, nach der Veganer zu 80 Prozent Frauen sind, höhere Bildungsabschlüsse haben und erst seit fünf Jahren vegan leben. Das ist dann wohl eine Mode. Das Veganertum, so die Autorin, habe derart zugenommen, dass die Zeitungsverleger die vegetarischen Zeitschriften einstellen, weil deren Zielgruppe gleich zum vollen veganen Korn der tierlosen Ernährung durchprescht. Erschreckend fanden wir ihre Beobachtung, dass es wütende Verbalangriffe gibt von Hardcore-Tierschutz-Veganern gegen solche, die nur vegan leben, weil sie sich besser und gesünder ernähren, aber nicht, weil sie Tiere retten wollen. Wer also aus der falschen Motivation heraus richtig lebt, gilt weiterhin als schlechter Mensch. Offenbar braucht jede Bewegung ihre Taliban, die ohne Hass nicht leben können.
Menschenrecht auf ästhetische Unversehrtheit
Alan Posener liebt. In der Welt liebt er den Herbst. Weil er die Touristen hasst. Überschrieben ist der Artikel mit der Frage: "Wer stoppt die Vermüllung?", dann heißt es:
"Aus dem Straßenbild, aus Bussen und Bahnen, Museen und Monumenten verschwindet langsam diese saisonale Pest, der moderne Urbantourist."
Angetan ist dieser Mensch mit schlabbriger Fußballhose und Body-T-Shirt, damit die Brust- und Achselhöhlenhaare gut zur Geltung kommen – Posener:
"... obwohl ich selbstverständlich das Menschenrecht achte, sich so geschmacklos und unpassend anzuziehen, wie man will, gibt es doch auch ein Menschenrecht darauf, nicht dauernd ästhetisch beleidigt zu werden."
Dem können wir nichts hinzufügen außer Beifall.
Zynismus ist ihm fremd
Der Dramatiker Peter Turrini wird 70 Jahre alt, die Neue Zürcher Zeitung und die Süddeutsche widmen ihm Ehrungen. Während die NZZ am Ende ihrer Respektsbezeugung deutlich macht, dass einen Turrini weder Lob noch Tadel rühren, zitiert die Süddeutsche Elfriede Jelinek, die Peter Turrini als "einen dieser geschundenen Söhne aus den ländlichen Kleinstädten" charakterisiert hat, und hebt hervor:
"Zynismus ist Turrini fremd. Er wollte immer mit allen Mitteln ein guter Mensch sein."
Dieser alte Mann ist unser Lichtblick in den Feuilletons vom Freitag.
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