Aus den Feuilletons

"Der Regierungschef als Showtalent"

Ein Medienvertreter fotografiert am 12.05.2016 im Rheinischen Landesmuseum in Trier eine Nero-Büste in der Ausstellung "Nero - Kaiser, Künstler und Tyrann". Die Ausstellung mit rund 700 Exponaten in drei Tierer Museen ist vom 14.05.2016 bis 16.10.2016 zu sehen.
Kaiser, Künstler und Tyrann: Statue des römischen Kaisers Nero. © Harald Tittel / dpa
Von Arno Orzessek · 01.01.2017
Der römische Kaiser Nero habe es mit seinem Regierungsstil vorgemacht, findet Gustav Seibt in der "Süddeutschen Zeitung". Trump, Berlusconi, Putin und Erdogan würden ihm folgen.
Hier sind sie also, die ersten Feuilletons des neuen Jahres!
Und um es gleich zu sagen: Wir haben nicht den Eindruck, dass alle Blätter vor Brillanz knistern. Auch mitreißende Zukunftslüsternheit strahlen die wenigsten Artikel aus. Aber damit sind wir schon beim Thema: Was kommt da 2017 auf uns zu? Und was bleibt uns erhalten, während alles stromschwellenschnell fließt?
Die SÜDDEUTSCHE ZEITUNG präsentiert – wie seit längerem jeweils zu Jahresbeginn – "Ideen, die bleiben". Verbunden mit dem demütigen Hinweis, die SZ-Auswahl sei "kein Kanon für die Ewigkeit".
Eher ein Phänomen als eine Idee ist "Der neronische Stil", den Gustav Seibt beobachtet:
"Der Regierungschef als Showtalent, als Jagdgenie, als Sportler oder als Sultan – das wird derzeit wieder ein weltweit erfolgreiches Handlungsmuster. Donald Trump krönt eine Reihe, die mit Berlusconi, Putin und Erdogan begonnen hat. Statt Berufspolitik, Expertenwissen und Protokoll herrschen nun Schlagfertigkeit, schnell wechselnde Ansichten, Agieren aus dem Bauch heraus. Coolness war gestern, heute donnert der nächtliche Tweet wie ein wilhelminischer Aktenvermerk an alle. Nero, Nero! Es war der römische Kaiser, der es vorgemacht hat."

Sarkasmus anlässlich von Terror-Attentaten

In der TAGESZEITUNG erwägt Uli Hannemann unter der Überschrift "Die kleine Chance", was sich 2017 ändern müsste, damit sich etwas zum Guten verändert, und rettet sich mit Blick auf die Terrormiliz Islamischer Staat in Sarkasmus.
"Vielleicht merken diejenigen, die Terror, Krieg und Tod verbreiten, endlich mal, dass sie mit dieser Methode kaum Sympathie zu wecken vermögen. Vor allem die Opfer schalten dann ganz schnell auf stur. Anschläge sind nachweislich extrem unbeliebt. Es muss [doch] gar nicht immer Mord sein. Frauen reagieren auf einen Blumenstrauß deutlich weniger gereizt als auf ein Säureattentat."

Jubiläumsjahr der Reformation

Während vieles, was die Zukunft betrifft, unstrittig ungewiss ist, steht anderes Zukünftige bereits unumstößlich fest.
Zum Beispiel, dass das 500-jährige Jubiläum der Reformation in Deutschland ein ziemlich großes Ding wird.
Im Berliner TAGESSPIEGEL unterhält sich Christian Schröder mit dem Kirchenhistoriker Thomas Kaufmann über Martin Luther und möchte wissen, was sich Kaufmann vom Jubiläumsjahr verspricht.
"Das Beste, was passieren könnte, wäre, dass wir eine offene gesellschaftliche Diskussion über die Bedeutung der Religion unter den Bedingungen der Gegenwart führen. Wir müssen wegkommen von den emotional aufgeladenen Symboldebatten über Minarette und Kopftücher. Wenn das Reformationsjubiläum dazu beiträgt, sich klarzumachen, wie lang der Weg der christlichen Religion zur Toleranz war, dann wird das auch zu einer gewissen Gelassenheit im Umgang mit dem Islam beitragen."
Hmm! So weit wir sehen, fehlt es hierzulande nun wirklich nicht an Diskussionen über die Bedeutung der Religion. Und es ist ein Topos innerhalb dieser Dauer-Diskussion, dass das Christentum seinerseits eine blutige Vergangenheit hat – wie auch im Übrigen keine gänzlich unbefleckte Gegenwart.

"Weltspitzenzukunft" in Bayern

Womit wir Thomas Kaufmanns Anregung, das alles auch im Jubiläumsjahr zu bereden, nicht diskreditieren wollen. Total ernst mit unserer Zukunft meinen es allemal unsere Parteien, allen voran die CSU, wie ihr Grundsatzprogramm "Die Ordnung" zu erkennen gibt.
Unter dem Titel "Der Zukunft zugewandt" paraphrasiert die TAZ die wichtigsten Passagen wie folgt:
"Die CSU verspricht das nächste 'Wirtschaftswunder'. Es geht um die Zukunft des Landes. Denn: 'Zukunft hat ein Ziel.' Natürlich gibt es nur ein Ziel. Es heißt: 'Bayern Weltspitze!' Auch interessant: 'Nur wenn wir Neues wagen, können wir Zukunft gewinnen.'"
Sie hören es, liebe Hörer: Falls Sie an einer Weltspitzenzukunft interessiert sind, wäre Bayern für Sie zukünftig der richtige Standort.
Sollten Sie jedoch bleiben, wo Sie sind, und wegen vager Zukunftsaussichten lieber die Gegenwart feiern, dann beachten Sie bitte die Regel, die in der Tageszeitung DIE WELT Überschrift wurde:
"Auch wilde Zügellosigkeit braucht Präzision."
Mehr zum Thema