Aus den Feuilletons

"Der größte Soziologe seiner Generation"

Der Soziologe Ulrich Beck auf einer Veranstaltung im Juni 2013.
Der Soziologe Ulrich Beck © imago/Metodi Popow
Von Adelheid Wedel · 04.01.2015
Mit Superlativen würdigt die "SZ" den verstorbenen Soziologen Ulrich Beck und das Echo seiner Werke in der ganzen Welt. Auch die "FAZ" erinnert an den Autor von "Risikogesellschaft" mit Bewunderung und Sympathie.
"Ulrich Beck war der größte Soziologe seiner Generation."
Das ist nur einer der Superlative, mit denen die Feuilletons am Montag auf den Tod von Ulrich Beck eingehen. Lord Anthony Giddens beginnt seinen Nachruf in der SÜDDEUTSCHEN ZEITUNG mit jenem Satz und setzt fort:
"Weit über die akademische Gemeinde hinaus stießen seine Werke auf ein breites Echo in der ganzen Welt."
Dass das keine leeren Worte sind, belegen sämtliche Artikel zum Tod des Gelehrten, die auf unterschiedliche Weise seine Einzigartigkeit und Bedeutung für Deutschland und Europa betonen.
Becks Engagement für die EU schloss die Sorge ein, die europäischen Länder würden zum Spielball der Globalisierung, "wenn sie nicht gemeinsam Einfluss auf das Weltgeschehen nehmen." Giddens zitiert Beck:
"Europa muss ein transnationales Projekt werden, nicht eine bloße Ansammlung von Ländern, die sich nur um sich selbst drehen."
In jüngster Zeit widmete sich Becks Kritik verschärft der deutschen Rolle in der EU. Merkel versuche die Präpotenz Deutschlands zu verschleiern. Beck argumentiert:
"Sie wurde zur Merkiavelli, die kunstvoll ihren beherrschenden Einfluss kaschiert – was letztlich auf Täuschung hinausläuft. Sie betreibt vorgeblich Europas Rettung, aber durchgelassen wird nur die Politik, die das Prisma des deutschen ökonomischen Denkens passiert hat."
Beck kritisierte deutsche EU-Dominanz
Lord Giddens, Mitglied des britischen Oberhauses und ehemaliger Direktor der London School of Economics, kommentiert die Gedanken seines Kollegen: "Beck fordert darum einen neuen 'Sozialvertrag' für Europa. Letztlich bedeutet dies eine Revolte gegen die deutsche Dominanz."
André Kieserling, zeitweilig Hochschulassistent am Münchner Lehrstuhl Ulrich Becks, erinnert sich in der FRANKFURTER ALLGEMEINEN ZEITUNG mit Bewunderung und Sympathie an den Verstorbenen. "Mit alarmierenden Worten" habe er "die politische und soziale Geschichte der Bundesrepublik über drei Jahrzehnte hinweg begleitet und kommentiert",beginnend mit dem Buch "Risikogesellschaft".
"Beck machte damals geltend, dass die Individuen sich unterdessen eher an Gefahrenlagen als an Klassenlagen orientieren. Er glaubte eine andersartige Gesellschaft sei im Entstehen", so Kieserling.
Daran habe er bis zuletzt festgehalten.
"An immer neuen Phänomenen – von der Globalisierung über die Vervielfältigung der Familienformel und vom Terrorismus bis zum Klimawandel – wähnte er einen sozialen Wandel zu erkennen, der dem Soziologen vollkommen andere Begriffe abverlangt."
Russland als doppelgesichtiger Janus
Das Verhältnis von Russland und Europa? Felix Philipp Ingold versucht in der NEUEN ZÜRCHER ZEITUNG eine Aktualisierung "der althergebrachten Vergleiche Russlands mit dem doppelgesichtigen Janus." Ingold schreibt:
"Dass Wladimir Putin, heute als bekennender Christ auftritt und von 'heiligen' Orten, Pflichten und Rechten spricht, ist nur eines von beliebig vielen Beispielen dafür, wie leicht sich Begriffe und Bekenntnisse in ihr Gegenteil verkehren lassen. So schnell und so unkompliziert wechselt der russische Janus sein Gesicht."
"Das mag irritierend sein",erklärt der Autor in der NZZ, "hat aber eine weit zurückreichende mentalitätsgeschichtliche Tradition, die man im Umgang mit Russland beachten sollte." Er warnt:
"Politische Zwiegesichtigkeit und bewusst ambivalente Sprachverwendung bestimmen weiterhin die Technik und Rhetorik der russischen Diplomatie."
Die Tageszeitung TAZ befragt Günter Wallraff zu seiner Zusammenarbeit mit RTL. Dort läuft seit 2013 "Team Wallraff", mit dem der Schriftsteller junge Reporter bei Undercover-Recherchen unterstützt. Ob er keine Bauchschmerzen habe bei dieser Zusammenarbeit? Er antwortet:
"Natürlich schmecken mir bei den Privaten und zunehmend auch den Öffentlich-Rechtlichen die ganzen Verblödungs-Formate nicht. Aber hier arbeite ich in meinem Team mit hochmotivierten und sozial verantwortlichen jungen Leuten zusammen."
Deren Arbeiten wurden jetzt im Buch "Lastenträger" veröffentlicht, das – so hofft Wallraff – "Nachfolger animieren soll."
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