Aus den Feuilletons

"Der größte Dramatiker der Menschheit"

William Shakespeare - eine zeitgenössische Darstellung des erfolgreichsten Bühnenautors aller Zeiten.
William Shakespeare - eine zeitgenössische Darstellung des erfolgreichsten Bühnenautors aller Zeiten. © dpa / picture alliance
Von Arno Orzessek  · 22.04.2014
In der Kulturpresseschau geht es vor allem um den 450. Geburtstag des Dramatikers William Shakespeare, aber auch um Diskussionen in Großbritannien um ein "christliches Land" und um nächtliche deutsche Spiele bei der kommenden Fußball-WM.
"Ungefähr am 23. April von 450 Jahren kam der größte Dramatiker der Menschheit auf die Welt",
konstatiert die BERLINER ZEITUNG.
Zur Feier des Tages denkt Sabine Vogel in der Rubrik "Wills Worte" über das Shakespeare-Zitat "'Schwachheit, dein Name ist Weib'" nach.
"Ausgerufen hat den Spruch ausgerechnet der Weichling Hamlet, als seine Mutter beschließt, sich einen neuen Gatten zu nehmen", schüttelt Vogel den Kopf und erklärt, warum es von Hamlets Mutter in Wirklichkeit pfiffig war, "Onkel Claudius" zu erwählen.
"Da sie keinen brauchte, der den Ochsen zähmen und anspannen, das Palastdach decken, der unbekannte Welten umsegeln oder gar neue Hamlets zeugen konnte, war es viel schlauer, einen zu ernennen, der ihr schuldhaft verpflichtet und so in allen Machtbefugnissen unterlegen war. Einen Schwächling also. Das war nicht Charakterschwäche [ihrerseits], sondern kühle Politik."
Die genauen Umstände der emanzipierten Tat, liebe Hörer, haben Sie als Shakespeare-Kenner natürlich parat.
Und wo nicht: Ehren Sie zum runden Geburtstag doch einfach mal den Alten, lesen Sie Hamlet!
Insgesamt ist dieser Shakespeare nach wie vor gut verträglich - denn, so betont der Berliner TAGESSPIEGEL:
"Seine Dramen haben weder Botschaft noch Moral. Er zeigt den Menschen und die Welt so böse wie sie sind."
Was man von den Psalmen im Alten Testament kaum sagen kann. Sie übertragen ja beides, Botschaft und Moral.
Der Philosoph Robert Spaemann hat die Psalmen 1 bis 51 nun neu ausgelegt ...
Wodurch sich Niklaus Peter von der NEUEN ZÜRCHER ZEITUNG belehrt, nicht jedoch mitgerissen fühlt.
"Irgendwie [ ... ] kann der Philosoph [Spaemann] seinen kühlen Sprachgestus nicht ablegen, wo doch der Gegenstand seiner Meditationen eigentlich nach einer [ ... ] heiter-frommen und auch leidenschaftlichen Subjektivität riefe."
Unterdessen hat Premier David Cameron am Gründonnerstag Großbritanniens "'Status als ein christliches Land'" bekräftigt und kräftige Diskussionen ausgelöst.
Das berichtet die SÜDDEUTSCHE ZEITUNG unter dem Titel "Gott? Machen wir eigentlich nicht".
Es handelt sich hier um die Übersetzung des Spruchs, mit dem Alistair Campbell als Berater von Camerons Amtsvorgänger Blair einst ausgedrückt hat, Religiöses spiele in Westminster keine Rolle: "'We don't do God.'"
Was einerseits stimmt, andererseits nicht, wie Alexander Menden erläutert:
"Im 'streng konstitutionellen Sinne' ist England ein christlicheres Land als irgendein anderes in Westeuropa. Die Church of England ist eine Staatskirche. [ ... ] Auch heute noch ist die Queen nicht nur Staats-, sondern auch Kirchenoberhaupt. Fünf anglikanische Bischöfe sitzen im Oberhaus und entscheiden über Gesetze mit."
'We don't do God' - das wäre Johann Sebastian Bach kaum über die Lippen gekommen.
In der Tageszeitung DIE WELT bespricht Kai Luehrs-Kaiser eine Eisenacher Ausstellung, die sich um die Zahlenmystik im Werk Bachs dreht – der übrigens als Schüler eine Mathe-Niete war.
Hier nur Luehrs-Kaisers Schlussnote zum Ziffern-Trickser Bach:
"Wäre er nicht ohnehin schon der musikalisch Beste, man würde es daran ermessen können, wie er uns alle auflaufen lässt. Wie er uns hereinlegt. Und die Hure Vernunft mit uns. Zum Lobe Gottes. Denn zu wessen Lobe sonst?" -
Tja, nun ist unsere Kulturpresseschau ins Nachösterlich-Besinnliche abgedriftet.
Darum zum Schluss frecheren Stoff.
"Führer Fußball, befiehl, wir folgen", kommentiert die TAGESZEITUNG die Forderung zweier Gewerkschaftsbosse, nach nächtlichen Spielen der deutschen Elf bei der Fußball-WM die Frühschicht in den Vormittag zu verschieben.
In der FRANKUFRTER ALLGEMEINEN ZEITUNG fragt Harald Welzer, warum wir uns trotz der Ausforschung unserer Privatsphäre durch Staaten und Konzerne sicher fühlen.
Welzers Antwort:
"Wir interpretieren [die] [ ... ] Gefährdung nach historischen Erfahrungen, und da sieht Totalitarismus eben so aus wie bei Stalin, Hitler oder Pol Pot. Und nicht wie bei [Apple-Gründer] Steve Jobs."
Hitler, Pol Pot, Steve Jobs – auch eine Reihe! -
Aus Respekt vor dem Jubilar Shakespeare verzichten wir heute auf eine selbstgebastelte Schlusspointe, liebe Hörer, und sagen nur: "Der Rest ist Schweigen."