Aus den Feuilletons

Das Monster ist zu dick

A six meter plus tall Gozilla sculpture is unveiled at the TCL Chinese Theatre in Hollywood, California, USA, 09 May 2014 to promote the release of the movie 'Godzilla' in the United States.
Ein sechs Meter hoher Godzilla vor dem chinesischen Theater in Hollywood © picture alliance / dpa / Michael Nelson
Von Arno Orzessek  · 13.05.2014
Dieser "Godzilla" ist größer und breiter als seine Vorgänger, schreibt die "Berliner Zeitung" über den Katastrophenfilm, der in die Kinos kommt. Die "Süddeutsche" geht bei der Vermessung des Monsters wissenschaftlich vor, die "FAZ" schwärmerisch.
Ein Monster geht um in den Feuilletons - es ist das Monster Godzilla.
Der Regisseur Gareth Edwards hat der gewichtigen Radau-Echse, die nun seit sechs Jahrzehnten über die Kinoleinwände marodiert, einen neuen Auftritt verschafft ...
Der die BERLINER ZEITUNG zu der besorgten Überschrift veranlasst:
"Ist das Monster zu dick?"
Laut Jens Balzer beklagt das japanische Publikum "zu viel Speck auf den Hüften und einen zu breiten Hintern" - was der Autor der BERLINER ZEITUNG nicht nachvollziehen kann.
"Godzilla [ist] keineswegs pummelig [...]. Er hat einen flachen, gut trainierten Bauch, und im Po-Becken-Hüfte-Bereich mag er zwar kräftiger geraten sein als seine Vorgänger, aber dies keineswegs in fettig-weiblicher Weise, sondern ausgesprochen sportlich und straff. Ich würde ihn mithin eher als stämmig bezeichnen, wobei sich zur Stämmigkeit noch eine erstaunliche Eleganz gesellt",
schwadroniert, dem poppigen Gegenstand Godzilla restlos angemessen, Jens Balzer in der BERLINER ZEITUNG.
Das neue Monster - das in Edwards Film übrigens zwei verstrahlte, unserer Zivilisation übel gesonnene Rieseninsekten bekämpft, die als Snack gern Atomsprengköpfe verfrühstücken -, das neue Monster also ist größer als sämtliche Vorgänger ...
Wie ein Blick auf die wissenschaftliche Godzilla-Grafik der SÜDDEUTSCHEN ZEITUNG zeigt:
Brachte es Godzilla Nr. 1 im Jahr 1954 bloß auf knappe schlappe 50 Meter Drachenscheitelhöhe, reckt sich der jüngste Godzilla bei Bedarf über 100 Meter hoch.
Und findet das zärtliche Wohlgefallen von Dietmar Dath, dem Autor der FRANKFURTER ALLGEMEINEN ZEITUNG:
"Der Gigant ist sechzig Jahre alt, und Edwards erweist ihm in jeder Hinsicht die Achtung, die das Wesen verdient [...]. Sein Godzilla sieht daher, obwohl ihm avancierte Computergraphik jede Freiheit ließ, immer noch aus wie ein ungeschlachter Mensch, der in einem Gummikostüm steckt, das ein Irrer entworfen hat, der einen Stegosaurus nicht von einem Tyrannosaurus und beide nicht von einem Flammenwerfer unterscheiden kann."
Wohlgemerkt, Dath findet das Irre dufte ...
Und Edwards Werk - abgesehen vom "penetrante[n] Familienschleim, der die Löcher im Plot zuschmieren soll" - überhaupt ziemlich knorke, wie er in einer hübschen Formulierung mitteilt:
"Das Ungeheuer, vor dem dieser Film mit Recht am meisten Respekt hat, ist sein Publikum. Aber anders als Godzilla bleibt es friedlich, wenn man es reizt, und reagiert, wenn die Reize so ausgesucht sachkundig ausgeteilt werden, sogar mit monströsem Behagen."
Neben "Godzilla" kümmert sich das cineastisch interessierte Feuilleton um "Grace of Monaco" - Olivier Dahans Film über Grace Kelly mit Nicole Kidman in der Hauptrolle; er wird an diesem Mittwoch zur Eröffnung des Filmfestivals von Cannes gezeigt.
In der Tageszeitung DIE WELT stellt Regisseur Dahan klar: Es geht um Fiktion, keineswegs um Dokumentation.
"Wir wollten [...] nicht Grace of Monaco imitieren. Die Frau im Film ist eine Mischung aus Grace, Kidman und mir."
Das Fürstenhaus von Monaco - so viel weiß man schon - ist über Dahans Freizügigkeit gar nicht amüsiert ...
Die gleiche Reaktion, fehlendes Amüsement, zeigen viele Menschen, wenn sie bemerken, was es mittels der allgewaltigen Suchmaschinen im Internet über sie zu recherchieren gibt; oftmals Veraltetes, Überholtes, Falsches.
Der Europäische Gerichtshof zwingt Google & Co. nun dazu, bestimmte Daten auf Verlangen zu löschen.
FAZ-Autor Christian Geyer drückt seine Zustimmung bemerkenswert umständlich aus:
"Hinter der scheinbar nickeligen Auflistung der Restriktionen für Suchmaschinen [seitens des Gerichts] steht im Grunde nur eine Sensibilität für die Plastizität der Biographie, welche nicht auf ein digitales Phasenmoment festgelegt werden soll."
Zuletzt noch das: Das größte Lob auf den verstorbenen HR Giger, den Designer und Schöpfer des Alien, der mit Vorliebe von Mensch-Maschinen träumte, bringt die WELT aus. Sie titelt:
"Der Hieronymus Bosch der Moderne."
Warten Sie jetzt auf eine lustige Schlusspointe, liebe Hörer? Es gibt keine! Wir halten uns heute an jenen Vorsatz, der in der FAZ Überschrift wurde. Er lautet:
"Ich versuche, nicht witzig zu sein."