Aus den Feuilletons

Beim Barte des Tutanchamun

Die Totenmaske des Tutanchamun im ägyptischen Museum in Kairo
Die Totenmaske des Tutanchamun im ägyptischen Museum in Kairo © dpa / picture alliance / Matthias Tödt
Von Ulrike Timm · 27.01.2015
Ein kleiner Stups und der Bart fiel von der Totenmaske - es nicht etwa irgendein Bart, sondern der Kinnbart des ägyptischen Pharaos Tutanchamun. Im Feuilleton der "FAZ" wird ein Restaurator wegen des königlichen Bartproblems interviewt.
"Weil er angeblich christliche Symbole verspottet hatte, wurde der Angeklagte zum Abschneiden der Zunge, zum Abschlagen der rechten Hand, zur Enthauptung und anschließenden Verbrennung seines Körpers verurteilt." Geschehen ist das im Frankreich der Aufklärung, der Chevalier de La Barre wurde 1766 als letzter Franzose wegen Blasphemie zum Tode verurteilt, Voltaire nannte den Prozess und die Hinrichtung eine 'ewige Schande für Frankreich', und der Soziologe Wolf Lepenies nimmt den berühmten Fall zum Ausgangspunkt einer Betrachtung in der WELT, die sich der Geschichte des Laizismus in Frankreich widmet – also der strikten Trennung von Staat und Kirche, wie sie dort seit 1905 Gesetz ist.
Hund glotzt TV
Heute fragen sich immer mehr Franzosen, warum die republikanische, laizistische Schule nicht in der Lage ist, die Radikalisierung junger Franzosen zu verhindern, die sich dann Terrororganisationen wie IS anschließen. Vielleicht, so die Vermutung des Soziologen Wolf Lepenies, "trägt dafür auch eine Schule Verantwortung, die Fragen der Religion aus ihrem Curriculum verbannt und spirituelle Bedürfnisse der Schüler ignoriert?" Man kann sehr anders darüber denken, aber Lepenies kulturgeschichtlicher kleiner Aufsatz mit dem Titel "Ist Laizismus der Weisheit letzter Schluss?" ist tiefergehender und aufschlussreicher als vieles, was dazu in den letzten Wochen zu lesen war. Er steht in der WELT.
Wie kriegen wir jetzt die Biege zu Fernsehen aus der Schnüffelperspektive, zum begeistert glotzenden Hund, zu DOG-TV, dem Kanal mit tierischem Anspruch? Gar nicht, also machen wir einen beherzten Sprung und landen auf der Medienseite der SÜDDEUTSCHEN ZEITUNG. Loriots berühmte Frage "Sollen Hunde fernsehen?" hat DOG-TV nämlich längst beantwortet, in den USA, in China und Korea - wo Hunde doch lange "als Snack zum Fernsehen gereicht wurden" - überall auf der Welt gibt es viele Abonnenten, und seit November ist der Spartenkanal auch in Deutschland angetreten, sieben Millionen Hunde samt Herrchen und Frauchen für DOG-TV zu begeistern.
Mit Pattex angeklebt
Relax-Sendungen – schlafende Hunde zu klassischer Musik , Stimulationssendungen – Hund rennt über Blumenwiese, schnelle Instrumentalmusik, alles soll zum Wohl der Vierbeiner sein, vor allem wenn Mensch mal außer Haus ist. Wobei die Wiese nur für Herrchen-Frauchen grün ist, denn Hunde sind rot-grün-blind, all das lernen wir in der SÜDDEUTSCHEN, und auch der Tierpsychologe darf nicht fehlen, der, wen wundert's , fordert, wenn Glotze, dann Mensch und Hund bitte gemeinsam!
"Es genügte ein kleiner Stupser, und der Bart fiel ab" – nein, wir sind nicht mehr bei Bello & Co, sondern im Feuilleton der FRANKFURTER ALLGEMEINEN ZEITUNG, die ein Gespräch mit dem Restaurator Christian Eckmann im Blatt hat, Thema: der abbe Bart der Tutanchamun-Goldmaske, zurückzuführen auf mangelhafte Restaurierung ... Ein Fressen für jeden akribischen Museumsmann, der Pharao hat Klebstoff am Kinn, und niemand weiß genau, woher der kommt. Was tun? Eine Expertengruppe soll beauftragt werden, das Innenleben des Bartes und antike Befestigungsformen müssten erkundet werden, und je länger man liest, umso mehr drängt sich ein zugegeben sehr profaner Gedanke auf: vielleicht hätte man doch einfach Pattex nehmen sollen, garantiert unhistorisch – hält aber. Meistens jedenfalls...
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