Atomforum: Politik soll Energieversorgern entgegenkommen

Ralf Güldner im Gespräch mit Ute Welty · 04.08.2011
Der Präsident des Deutschen Atomforums, Ralf Güldner, hat die Bundesregierung aufgefordert, unverzüglich Rahmenbedingungen für die Energiewende zu schaffen, die den Versorgern weiterhin Investitionen ermöglichen.
Ute Welty: Unterwegs in Norwegen – Bundeswirtschaftsminister Philipp Rösler besucht unter anderem eine Erdgasplattform dort. Norwegen ist für Deutschland einer der wichtigsten Erdgaslieferanten und wird im Zuge der Energiewende wohl noch wichtiger werden. Über die Folgen der sogenannten Energiewende und des beschlossenen Atomausstieg sprach ich mit Ralf Güldner, dem Präsidenten des deutschen Atomforums. Guten Morgen!

Ralf Güldner: Guten Morgen!

Welty: Atomkraft, ja bitte! – das war, das ist ihr Credo. Wie sehr schmerzt es Sie, den Wirtschaftsminister auf einer norwegischen Erdgasplattform zu sehen und nicht in einem deutschen Atomkraftwerk?

Güldner: Nun ja, wir haben ja immer gesagt, wir brauchen einen Energiemix mit den verschiedenen Energieträgern. In Deutschland ist jetzt die Entscheidung getroffen worden, dass wir Kernkraftwerke abschalten – einige sind abgeschaltet worden, die anderen haben eine begrenzte Laufzeit. Wir müssen die Erzeugungskapazitäten ersetzen, und Gas wird dabei sicherlich eine Rolle spielen. Insofern ist die Reise von Herrn Rösler nach Norwegen sicherlich sinnvoll.

Welty: Rösler gehörte genau wie Horst Seehofer von der CSU und auch die Kanzlerin selbst zu den Befürwortern der Laufzeitverlängerung, die im Herbst letzten Jahres beschlossen wurde. Jetzt verteidigen genau diese Personen nach allen Regeln der Kunst den Atomausstieg. Für wie glaubwürdig halten Sie die Menschen noch, mit denen Sie auf der politischen Ebene verhandeln?

Güldner: Wir waren sehr überrascht, wie schnell hier politische Positionen geändert wurden, man eine 180-Grad-Wende hingelegt hat, und dann mit Vollgas jetzt die sogenannte Energiewende betreibt. Ich glaube, das Kritische da dran ist, dass man das, was man nach dem Energiekonzept des vorigen Jahres über einen Zeitraum von etwa 20, 25 Jahren vorhatte, jetzt auf einen sehr viel kürzeren Zeitraum, zehn, zwölf Jahre, zusammenstaucht. Das wird die gesamte Energiewirtschaft vor große Herausforderungen stellen. Es wird die Kosten der deutschen Stromversorgung erhöhen, und ich habe gewisse Bedenken, dass es die Wettbewerbsfähigkeit der energieintensiven Industrie in Deutschland belasten wird.

Welty: Was nicht die Frage nach der Glaubwürdigkeit beantwortet, zumal Rainer Brüderle, Vorgänger vom Philipp Rösler, dann einräumt bei passender oder unpassender Gelegenheit: Das müssen wir jetzt machen mit dem Moratorium nach Fukushima, weil wir sind im Wahlkampf.

Güldner: Ja, da ist ja Brüderle zitiert worden, ich persönlich bin der Meinung, dass solche politischen Entscheidungen immer verschiedene Faktoren haben. Hier waren natürlich die Eindrücke aus Fukushima an den ersten Tagen nach den Naturkatastrophen dort – ich glaube aber auch, dass eine Rolle gespielt hat die Reaktion in der Bevölkerung nach der Verkündung der Laufzeitverlängerung im Herbst vergangenen Jahres, und in dieser Situation hat dann eben die politische Führung unseres Landes entschieden, aus der Kernenergie schneller auszusteigen, als es nach dem Energiekonzept, das noch vor einigen Monaten verabschiedet wurde, geplant war.

Welty: Und wie groß ist Ihr Einfluss noch nach dem Supergau von Fukushima?

Güldner: Nun, unser Einfluss auf die Entscheidung der Bundesregierung war außerordentlich begrenzt. Frau Merkel hat es ja immer wieder betont, dass hier politische Entscheidungen getroffen wurden, und dass mit den Energieversorgungsunternehmen nicht geredet wurde. Wir haben immer wieder den Schritt angesprochen, wir würden gerne in den Dialog gehen, um weitere Entscheidungen eben mitzugestalten. Das hat die Politik in dem Zeitraum nicht wahrgenommen. Jetzt haben die Vorstandsvorsitzenden der Energieversorgungsunternehmen – Ich nenne mal hier Herrn Teyssen und Herrn Großmann – ganz klar gesagt: Wir schauen nach vorne, wir müssen uns in diesen politischen Randbedingungen jetzt neu sortieren, müssen unsere Strategie neu festlegen; und die Aufarbeitung der Dinge aus dieser Laufzeitverkürzung, Beendigung der Nutzung der Kernenergie, das ist an die Schadensabteilung übergeben worden.

Welty: Die großen Energielieferanten – Sie haben es schon gerade angesprochen – wie RWE und E.on lassen schon ein wenig die Muskeln spielen. Da ist von Zerschlagung die Rede, von Stellenstreichung oder aber auch von Verkäufen. Sie selbst sind als Vizevorsitzender in der Geschäftsführung von E.on Kernkraft. Wie viel von diesem Muskelspiel soll die Kanzlerin spüren?

Güldner: Ich glaube, das ist nicht ein Thema für die Kanzlerin. Das ist die Situation, dass Energieversorgungsunternehmen, die strukturell wichtig sind für unser Land, massiv getroffen wurden von den Entscheidungen: Zum einen Abschaltung der Anlagen – also Entfall von sicher geglaubten Erzeugungskapazitäten – und dann zusätzlich durch die Brennelementsteuer, die wir zahlen müssen. Das sind massive Belastungen, und die Unternehmen müssen sich jetzt neu orientieren.

Sie müssen sehen: Was können wir unter den eingeschränkten finanziellen Spielräumen jetzt noch machen? Welche Investitionen sind möglich? Und das wird Auswirkungen haben, das ist ja gerade in den letzten Tagen sehr intensiv in den Medien diskutiert worden. Bei E.on soll nächste Woche in Aufsichtsratssitzungen darüber geredet werden. Es gibt dann den Financial Market Day, und ich denke, dann werden wir Klarheit haben, welche Konsequenzen zum Beispiel E.on aus diesen Maßnahmen ziehen wird.

Welty: Erwarten Sie da von der Politik ein Entgegenkommen?

Güldner: Dazu gibt es im Moment keine Anzeichen, aber ich denke, die Politik muss sich schon überlegen, welche Rahmenbedingungen sie in Deutschland setzen will, um die Energiewende tatsächlich auch zu realisieren! Denn es gibt ja verschiedene Studien, die sagen, das kostet etwa 250 Milliarden, das geht mal ein bisschen rauf, ein bisschen runter, aber das ist ungefähr die Größenordnung. Also hier muss man für die Investoren – unabhängig, ob das die großen Energieversorger sind, ob es die kleineren Stadtwerke sind, ob es ausländische Investoren sind – Rahmenbedingungen schaffen, die solche Investition zulassen. Das heißt, dass man erwartet, dass dann mindestens für 20 Jahre belastbare Rahmenbedingungen sind, dass man in solche Investitionen eintritt. Und ich glaube, Herr Großmann hat es ganz explizit gesagt, der Vorstandsvorsitzende von RWE: Wir brauchen konstante, belastbare Rahmenbedingungen, sonst wird es schwierig, Investitionen nach Deutschland zu locken.

Welty: Für wann halten Sie diese Rahmenbedingungen für möglich? Ab wann müssen die unbedingt auf dem Tisch liegen?

Güldner: Das muss so schnell wie möglich passieren. Das gilt sowohl für die Schaffung neuer Zeugungskapazitäten – gerade die Windindustrie redet ja auch drüber, was sind die Rahmenbedingungen für Offshore-Wind zum Beispiel. Wenn es um Gaskraftwerke geht, da sind wir wieder bei Herrn Rösler auf der Gasplattform, die ja zum Beispiel in Bayern einen Teil des entfallenden Kernenergiestroms ersetzen sollen. Dann muss man hier auch sehen: Was sind die Investitionsanreize für Deutschland, für Gaskraftwerke in Deutschland? Es geht aber auch drum, in die Investitionen, in die Netze! Auch hier brauchen wir gesicherte Rahmenbedingungen, sonst werden die Investoren nicht schnell genug diese Investitionen tätigen. Und wir brauchen natürlich Verwaltungsabläufe, die es gestatten, diese Netzausbauten so zügig wie möglich zu machen – es ist ja ein Gesetz hier auch mit verabschiedet worden, aber wir werden sehen, wie sich das in der Praxis dann umsetzen lässt.

Welty: Einschätzungen von Ralf Güldner, Präsident des deutschen Atomforums. Danke dafür!

Güldner: Bitte sehr!


Äußerungen unserer Gesprächspartner geben deren eigene Auffassungen wieder. Deutschlandradio macht sich Äußerungen seiner Gesprächspartner in Interviews und Diskussionen nicht zu eigen.
Mehr zum Thema