Atemlos in Buenos Aires

02.05.2013
Krimiautorin Claudia Pineiro schickt die Protagonisten ihres gleichnamigen Romans "Betibú" in die dunklen Ecken von Buenos Aires. Diese soll ein Mordkomplott mit engen Verknüpfung zwischen Medien und Politik aufklären. Claudia Pineiro überzeugt durch eine direkte und bildstarke Ausdrucksweise.
"Wer eine Gesellschaft beschreibt, muss von ihren Verbrechen erzählen", diesen Grundsatz der argentinischen Autorin Claudia Pineiro, hat sich diesmal auch ihre Titelheldin Betibú zu Eigen gemacht. Hinter diesem Spitznamen, der auf die attraktive Comicfigur Beety Boop der 30er Jahre zurückgeht, verbirgt sich die Schriftstellerin Nurit Iscar. Die ehemals erfolgreiche Krimiautorin hat für einen Liebhaber ihre Familie verlassen und das Genre gewechselt. Der Liebesroman war ein Flopp, die Affäre ist zu Ende und Geldsorgen hat Nurit Iscar nun auch.

Da bekommt sie ein interessantes Angebot. Für eine bekannte Tageszeitung soll sie über den Mord in der abgeschlossenen Siedlung La Maravillosa berichten, indem sie dort sozusagen Undercover einzieht. Zusätzlich erhält sie Unterstützung von dem jungen Polizeireporter des Blattes und seinem Vorgänger Jaime Brenda, der zwar jetzt in die Kulturabteilung verbannt ist, aber die Gelegenheit nutzt, um sein Wissen an den Mann zu bringen, und um Betibú näher zu kommen.

Pedro Chazarreta lebt allein in dieser abgeschotteten und wie ein Hochsicherheitstrakt geschützten Siedlung. Und doch findet ihn seine Haushälterin eines Morgens mit aufgeschlitzter Kehle vor. Es sieht fast wie ein Selbstmord aus, doch da seine Frau drei Jahre zuvor auf dieselbe Weise zu Tode kam, versuchen nun alle, hinter das Geheimnis zu kommen.

Betibú findet über einen leeren Fotorahmen zu einer alten Geschichte, die auf die Schulzeit von Pedro Chazarreta zurückführt. Schnell zeigt sich, dass alle Abgebildeten auf höchst ungewöhnliche Weise in kürzester Zeit ihr Leben verlieren. Betibú nutzt ihre Fantasie und Kombinationsgabe, Jaime Brenda seine Erfahrung und alt eingefleischte Beziehungen zur Polizei und sein Nachfolger, der nur "der Junge" genannt wird, seine Internetkenntnisse. So kommen die drei erwartungsgemäß dem Täter auf die Spur, doch das Komplott, das sich dahinter verbirgt, ist so groß und gefährlich, dass Betibú ihre Story noch vor der Lösung beenden muss.

Claudia Pineiro schreibt sich diesmal ein alter Ego, denn auch sie lebt in einem gesicherten Country in der Nähe von Buenos Aires, schreibt erfolgreiche Kriminalromane und hatte früher schwarze Locken wie Betty Boop. Doch darüber hinaus zielt ihr scharfer Blick, wie in allen ihren Romanen, auf die argentinische Gesellschaft. Sie zeichnet die großen sozialen Unterschiede nach und malt ein Bild von der unheilvollen, engen Verknüpfung zwischen Medien und Politik und der Verflachung der Zeitungslandschaft.

Das Ganze geschieht in einem rasanten Tempo, das den Leser fast atemlos macht. Durch die Perspektivwechsel der unterschiedlichen Personen, - dabei sind Nurits drei Freundinnen nicht zu vergessen, die die gesamte Bandbreite der Probleme der über 40-Jährigen Mittelschicht-Argentinierinnen humorvoll einfangen, - bekommt die Geschichte zusätzlich Fahrt, aber auch Tiefe.

Dazu noch die Einschübe von Betibús Zeitungsartikeln, die neue Sichtweisen und einen Stilwechsel bringen und dem Leser des Romans zeigen, dass er gegenüber dem Zeitungsleser immer einen Schritt voraus ist. Wie in all ihren Büchern bezaubert Claudia Pineiro durch ihre direkte, sehr bildstarke Ausdrucksweise. So ist es kein Wunder, dass die Filmrechte an Betibú schon verkauft sind. Claudia Pineiro hat sich diesmal selber übertroffen.

Besprochen von Birgit Koß

Claudia Pineiro: Betibú
Aus dem Spanischen von Peter Kultzen
Unionsverlag Zürich 2013
344 Seiten, 21,95 Euro