Argentinien

"Geierfonds" sind Sündenböcke

Demonstranten tun ihre Unterstützung für Präsidentin Kirchner kund.
Demonstranten tun ihre Unterstützung für Präsidentin Kirchner kund. © dpa/picture alliance/David Fernandez
Von Benjamin Hammer · 31.07.2014
Die Wut der Argentinier auf die Investoren sei verständlich, kommentiert Redakteur Benjamin Hammer im Deutschlandradio Kultur. Hedgefonds haben das Land an den Rand der Staatspleite gedrängt. Der Fehler liegt im System.
Neulich hat ein Künstler 54.000 Ein-Cent-Münzen in die Innenstadt von Frankfurt gelegt. Mit denen formte er ein Wort: Vertrauen. Dann beobachtete er, was passiert. Nach wenigen Stunden waren die 540 Euro verschwunden. Nun mag der eine oder andere den Raub des schönen Kunstwerks moralisch verwerflich finden und die "Gier im Kapitalismus" anprangern. Der Klau folgte jedoch einer klaren Logik.
Wenn Geld auf der Straße liegt, dann nimmt es sich jemand. Oder anders formuliert: Wenn sich eine Chance zum Geldverdienen ergibt, dann wird sie ergriffen.
So machten es auch die Hedgefonds, die von Argentiniern, den Vereinten Nationen und der Weltbank mit Geiern verglichen werden und Argentinien nun an den Rand einer Staatspleite führen.
Hedgefonds zielen auf die ärmsten Länder
Die Hedgefonds kauften bestehende argentinische Schuldtitel, als diese lächerlich günstig waren. NML Capital zum Beispiel kaufte die Anleihen für 48 Millionen US-Dollar und fordert nun den Ausgabekurs zurück: 832 Millionen. Das wäre mal eben ein Gewinn von 1640 Prozent.
Die Wut der Argentinier auf die Investoren ist verständlich. Die Hedgefonds suchen geradezu nach Ländern in schwierigen Situationen. Eine Tochter von NML hat es gerade auf den Kongo abgesehen, eines der ärmsten Länder der Welt. Doch mit Moral zu argumentieren, ist im Kapitalismus schwierig.
Wenn man so will, dann liegt der Fehler dieser Geschichte nicht bei Argentinien, er liegt auch nicht bei den Hedgefonds, sondern im System.
Denn wie kann es eigentlich sein, dass eine kleine Minderheit von Hedgefonds ein Land in die Nähe der Insolvenz bringt? Zur Erinnerung: Über 90 Prozent der Geldgeber Argentiniens hatten vor Jahren auf einen Großteil ihrer Forderungen verzichtet. Die Hedgefonds hatten sich geweigert. Wenn Argentinien die Forderung der Fonds erfüllt hätte, dann hätten die anderen Gläubiger ebenfalls die volle Summe fordern können. Und das hätte das Land erst Recht in die Pleite geführt.
Globales Insolvenzrecht liegen in den Büro-Schubladen
Sie merken: Es ist kompliziert. Dabei gibt es bereits eine unkomplizierte Regel, die Hedgefonds einen Riegel vorschiebt: Wenn in der Eurozone eine neue Staatsanleihe ausgegeben wird, dann enthält sie meist eine Spezialklausel. Falls eine Mehrheit der Geldgeber auf einen Teil der Forderungen verzichtet, dann müssen die anderen mitziehen. Also auch die so genannten Geier-Fonds. Diese Regel sollte in Zukunft für alle Staatsanleihen gelten.
Gefragt sind außerdem die internationalen Institutionen. Die Ideen für ein globales Insolvenzrecht für Staaten liegen seit 13 Jahren in den Büro-Schubladen des Internationalen Währungsfonds.
Ob 540 Euro auf der Straße oder Staatsanleihen von klammen Staaten: Wenn Geld da ist, werden Menschen danach greifen. Wer sich daran empört, sollte dafür eintreten, die entsprechenden Schlupflöcher zu schließen.