Alternative für Deutschland

    Wie verändert die AfD die deutsche Gesellschaft?

    Frauke Petry, Bundesvorsitzende der AfD
    Die AfD-Chefin Frauke Petry © imago stock & people
    Von Jenny Genzmer · 01.02.2016
    Mit ihren populistischen Forderungen prägt die AfD immer wieder die Schlagzeilen - und treibt mitunter auch andere Parteien vor sich her. Doch wieviel Einfluss hat die Alternative für Deutschland wirklich?
    Schusswaffen an der Grenze? Das hat AfD-Chefin Frauke Petry nun wieder relativiert. Auch ihre Stellvertreterin Beatrix von Storch sah sich gezwungen, ihre Äußerungen zu dem Thema zu präzisieren. Strafrechtliche Folgen muss die AfD zunächst auch nicht fürchten: Das Bundesamt für Verfassungsschutz bleibt bei seiner Einschätzung vom November vergangenen Jahres, dass die AfD weder extremistisch sei noch eine Gefahr für die freiheitliche demokratische Grundordnung darstelle.
    Die Frage, die sich nun stellt ist, ob es nicht nur die AfD, sondern die deutsche Gesellschaft selbst ist, die sich in den vergangenen Monaten radikalisiert hat. Auf politischer Ebene schlägt Kanzleramtsminister Peter Altmaier (CDU) vor, Flüchtlinge eventuell auch in Drittstaaten zurückzuschicken, SPD-Chef Sigmar Gabriel sagt mit Blick auf die Kölner Silvesternacht, es könne doch nicht sein, dass der deutsche Steuerzahler kriminellen Ausländern die Haft bezahle und auch Arbeitsministerin Andrea Nahles (SPD) plädiert dafür, nicht integrationswilligen Ausländern die Sozialleistungen zu kürzen.
    Politologe warnt vor Radikalisierung bis in alle Parteien
    Die Ansicht, dass sich die Gesellschaft ein ganzes Stück weit radikalisiert habe, vertritt auch der Politikwissenschaftler Michael Lühmann vom Göttinger Institut für Demokratieforschung. Zu den Anfangszeiten von Pegida habe man noch davor gewarnt "dass man diese Fehler von 1993 nicht wiederholen dürfte nach den Pogromen von Rostock und Hoyerswerda und so weiter, dass man eben nicht das Asylrecht schleifen dürfe, dass man nicht auf diese rechtspopulistische Versuchung hereinfallen dürfe, sondern standhaft und wehrhaft gegen diese Partei und gegen diesen ganzen Stimmungsumschwung, gegen Pegida vorgehen müsse." Das habe sich komplett aufgelöst in eine Aufnahme und Übernahme von Positionen, in einer Radikalisierung bis in alle Parteien hinein, sagt Lühmann im Deutschlandradio Kultur.
    Dass man in rechte Sprachmuster verfalle, merke man unter anderem daran, dass die Begriffe von Pegida in den öffentlichen Diskurs übergegangen seien. So werden die Demonstranten von Dresden "besorgte Bürger", die "Gegenwehr" aber "linksradikal" genannt. Lühmann plädiert dafür, sprachlich sensibler zu sein. In einer Demokratie müsse es natürlich den offenen Dialog geben, aber der brauche Regeln, so Lühmann. Und diese Regeln überschritten Personen wie die AfD-Politikerinnen Storch und Petry ständig, "indem sie lügen, indem sie Forderungen aufstellen, die die Menschenwürde antasten." Diese stimmten mit der deutschen Verfassung nicht überein, betont Lühmann, daher sei hier die Grenze dessen, was im Dialog stattfinden dürfe, "schon längst erreicht."
    Alexander Häusler: AfD ist der Stichwortgeber der Unzufriedenen
    Der Sozialwissenschaftler Alexander Häusler zweifelt an der langfristigen Bedeutung der AfD. Sie nutze das Flüchtlingsthema als eine Art Einfallstor, um sich als eine neue rechte Bewegungspartei zu etablieren. Sollte sie aber in den Landtag einziehen, müsse sie nach Häusler erst einmal zeigen, dass sie auch realpolitisch handlungsfähig sei. Das habe sie bisher noch nicht unter Beweis stellen müssen und sich darauf beschränkt, harte Law-and-Order-Parolen loszutreten, so Häusler.
    Bisher spiele die AfD insofern eine Rolle, als dass sie im fremdenfeindlichen Diskurs als Stichwortgeber und Sammelbecken der Unzufriedenen funktioniere, die mit der Flüchtlingspolitik nicht einverstanden seien. Die Partei besetze also einen politischen Diskurs,aber das werde sich ändern, so Häusler.
    Für den Sozialwissenschaftler ist es wichtiger, deutlich zu machen, ob wir in einem multikulturell verfassten Einwanderungsland leben wollen, wo man sich mit humanistischen Prinzipien begegne, oder eine Politik verfolgen wollen, wie wir sie zu alten Zeiten schon mal gehabt hätten. Diese Auseinandersetzung, so Häusler, müsse noch deutlicher geführt werden als bisher.
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