Alleinerziehende

Recht für Väter ist Pech für Mütter

Eine Mutter sitzt mit ihren zwei Kindern auf einer Bank und hält ein Buch in den Händen.
Dass auf Mutterliebe Verlass ist, darauf vertraut auch der Gesetzgeber - gerade bei Alleinerziehenden. © Deutschlandradio / Sabine Demmer
Von Susanne Schädlich · 29.08.2016
Alleinerziehende werden in Deutschland alleingelassen. Es gibt noch zu viele bürokratische Lücken, die Unterhaltszahlungen aushebeln, meint die Schriftstellerin und Journalistin Susanne Schädlich. Die Konsequenzen tragen vor allem Mütter und Kinder.
Es kann vorkommen, dass die Nachkommen mit dem Einkommen nicht auskommen. Vor allem sind es alleinerziehende Frauen, die hierzulande mit ihrem Einkommen für sich und die Nachkommen nicht auskommen. Obwohl sie arbeiten, oft Vollzeit. Jede fünfte Familie von acht Millionen Familien ist eine Ein-Elternfamilie, Tendenz steigend. Zu 90 Prozent ist dieser eine Elternteil eine Frau. Die meisten von ihnen meistern den Spagat zwischen Beruf, Haushalt und Fürsorge für die Kinder. Auf Mutterliebe ist eben Verlass. Das wissen die Ex-Partner.
Knapp die Hälfte der 1,6 Millionen Singlemütter bekommt keinen Unterhalt, bei der anderen Hälfte wird nur bei jedem zweiten Kind vollständig und regelmäßig gezahlt, der Rest bekommt zu wenig. Und die Erzeuger kommen davon.

Unterhaltsregelungen greifen zu selten

In einer neuen Bertelsmann-Studie fragen die Autoren, wie es möglich sei, dass der Unterhalt bei so vielen Kindern nicht oder nur begrenzt ankomme? Ein paar erhellende Kenntnisse kann die Autorin dieser Zeilen beisteuern, sie kennt genug alleinerziehende Frauen:
Väter behaupten einfach, sie hätten kein Geld. Sind sie nicht fest angestellt, sondern freischaffend, ist das kaum nachprüfbar. An der Steuer vorbei kann jeder das eine oder andere verdienen. Es zählt, was am Ende auf dem Steuerbescheid steht.
Der Gang zum Jugendamt, um sich zu erkundigen, welche Rechte man hat, wenn der Vater nichts oder zu wenig zahlt? Freundlich wird gesagt: Der unterhaltspflichtige Vater habe Anspruch auf Selbstbehalt, damit er durch die Zahlung nicht bedürftig werde.
Was denn mit ihrem Selbstbehalt sei? Sie könne für das Kind Hartz IV beantragen. Zahlt der Vater wenigstens etwas, solle sie froh sein und sich zufriedengeben.

Zahlungen greifen zu kurz, wenn überhaupt

Ja, es gibt den Unterhaltsvorschuss. Der wird aber nur bis zum zwölften Lebensjahr gezahlt, im besten Fall sechs Jahre lang, 180 Euro monatlich. Danach kann die Frau sehen, wie sie klar kommt. Findet die Trennung statt, wenn das Kind zum Beispiel zehn ist, gibt es nur zwei Jahre Geld. Der Staat will sich den Vorschuss später vom Schuldner zurückholen - sollte er liquide sein. Fein raus, die Männer.

Oder: Eine Trennung, geteiltes Sorgerecht, das Umgangsrecht ist geregelt. Irgendwann meint der Vater, der im Übrigen keinen Unterhalt zahlt, zu wenig Geld zu haben. Er ruft bei der Erziehungskasse an, behauptet, eines der beiden Kinder lebe jetzt bei ihm. Kurz darauf liegt im Briefkasten der Mutter ein Bescheid, die Kindergeldzahlung für ein Kind werde ab sofort eingestellt. Keine Überprüfung, keine Nachfrage. Mannes Wort hat Gewicht. Die Frau muss rotieren.
Oder: Der zahlungspflichtige Erzeuger lebt im Ausland. Nimmt er sich vor, nichts zu zahlen, ist alles aus. Über alle Berge, auch innerhalb der EU. Keine Handhabe, wenn keine Adresse vorliegt.

Die Willkür der Ämter und Kindsväter

Dass auf Mutterliebe Verlass ist, darauf vertraut auch der Gesetzgeber. Väter können nicht gezwungen werden, sich um ihr Kind zu kümmern, urteilte das Bundesverfassungsgericht 2008. Seit 2008 haben geschiedene Alleinerziehende mit Kindern über drei Jahren in der Regel auch keinen Anspruch mehr auf Betreuungsunterhalt. Die Mutter soll gefälligst Vollzeit arbeiten, sofern es eine Betreuungsmöglichkeit für das Kind gibt. Vater kann sich derweil einen Lenz machen.
2003 wurde der Haushaltsfreibetrag für Alleinerziehende abgeschafft. Seither werden sie - vor allem in unteren Einkommensklassen - fast so besteuert wie Singles, auch bei der Beitragserhebung zur Sozialversicherung werden Kinder nicht berücksichtigt.

Mütter und deren Kinder, so der Eindruck, sind der Willkür der Ämter und der Kindsväter ausgeliefert sind. Auch wenn ein Vater nichts zahlt und sich daneben benimmt: Er kann das gemeinsame Sorgerecht gegen den Willen der Mutter durchsetzen. Für jedes Kinkerlitzchen - ob Reisepass, Arztwechsel, Klavierunterricht - muss sie ihn dann um Erlaubnis bitten, auch Umziehen mit Kind ist nicht drin.
In die Röhre gucken auch Studenten, die BAföG benötigen. Bringt der Ex seine Einkommensverhältnisse nicht bei, gibt es einfach keins. Also Studentenjob. Das Geld wird, lebt das Kind noch bei Mom, beim Wohngeld oder auch auf Hartz IV angerechnet. Es ist ein Teufelskreis.
Das alles erinnert schwer an Kinder-, Küche-, Kirche–Zeiten. Nach wie vor hat der Mann die Macht, unter anderen Vorzeichen nur, abgesegnet durch den EU-Gerichtshof für Menschenrechte, der die Rechte der Väter stärken wollte. Nur ein Drittel der 47 Richter derzeit sind Frauen.

Susanne Schädlich, geboren 1965 in Jena, ist Schriftstellerin und Übersetzerin. Sie lebte zwölf Jahre in den USA. 1999 kehrte sie nach Berlin zurück, wo sie mit ihren beiden Söhnen heute lebt.

2007 veröffentlichte sie ihren ersten Roman "Nirgendwoher, irgendwohin". Danach folgten: "Immer wieder Dezember. Der Westen, die Stasi, der Onkel und ich", "Westwärts, so weit es nur geht. Eine Landsuche" sowie "Herr Hübner und die sibirische Nachtigall". 2015 erhielt sie den Johann-Gottfried-Seume-Literaturpreis.

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