Algorithmen helfen im Bewerbungsprozess

Wie der Computer den Personaler unterstützt

Gespräch in einer Personalabteilung
Solche freundlichen Personalgespräche sind vielleicht bald passé: Der Computer soll jetzt besser wissen, wer passt © dpa / picture alliance / Fotoreport monster.de
Nico Rose im Gespräch mit Liane von Billerbeck · 07.09.2016
Immer mehr Unternehmen gehen dazu über, sich bei der Auswahl von Personal von Computerprogrammen helfen zu lassen. Wie das funktioniert, erläutert der Psychologe und Personaler Nico Rose.
Liane von Billerbeck: Früher war's einfach: Bewerben, das hieß, Lebenslauf schreiben, Foto und Zeugnisse dran hängen, das Ganze in die Post, und irgendwann saß er oder sie in der Personalabteilung des betreffenden Unternehmens, wurde befragt und dann eingestellt oder eben nicht.
Lang, lang ist es her, und ich vermute, meinem Gesprächspartner ist bei dieser Beschreibung seines Metiers – er ist in Personalverantwortung – gerade ein leises Lächeln übers Gesicht gehuscht, denn längst gibt es Programme, Algorithmen, die die Auswahl oder zumindest die Vorauswahl von Bewerbern übernehmen können anhand von Daten, die der Bewerber nicht mal selbst zur Verfügung gestellt haben muss.
Das kann Vorteile haben, denn schließlich sind auch Personalchefs nicht frei von Vorurteilen. Das hat Nachteile, denn Daten sagen bekanntlich auch nicht alles über einen Menschen. Algorithmen als Personalchefs? Mein Thema jetzt im Gespräch mit Nico Rose. Er ist Psychologe, freiberuflicher Coach und Personaler bei Bertelsmann. Schönen guten Morgen!
Nico Rose: Einen schönen guten Morgen!
von Billerbeck: Was geschieht denn da, wenn Personalverantwortung vom Menschen auf eine Maschine, ein Programm übertragen wird?
Rose: Prägnant würde ich sagen, sie wird vermutlich besser, weil Sie es eben schon in der Einleitung so schön gesagt haben_ Menschen sind aufgrund der Arbeitsweise unseres Gehirns leider sehr vorurteilsbehaftet. Und das heißt, dass wir ganz häufig Entscheidungen treffen auch auf Basis von Kriterien, die mit der letztlichen Leistung eines Mitarbeiters überhaupt nichts zu tun haben können.

Der Algorithmus macht keine menschlichen Fehler

Also natürlich gibt es auch Kriterien, von denen wir ausgehen, dass sie etwas über die spätere Leistung aussagen, zum Beispiel wäre das bei allen Auszubildenden eine Abiturnote. Aber andersherum treffen wir natürlich Entscheidungen auf Basis von Kriterien, die letztlich überhaupt nichts damit zu tun haben, und wir merken es nicht einmal.
Ich mache Ihnen ein einfaches Beispiel: Es kann jetzt zum Beispiel sein, dass ein Bewerber einfach den gleichen Namen trägt wie meine Tochter, und dann finde ich das wahrscheinlich unbewusst sympathischer und packe diesen Menschen erst mal auf den guten Stapel, der dann vielleicht eingeladen wird. Und trotzdem hat der Name natürlich überhaupt nichts mit der späteren Leistung zu tun. Und ein computerbasierter Algorithmus würde solche Fehler eben genau nicht machen.
von Billerbeck: Der hat keine Tochter. Aber trotzdem, ist es nicht eine grundlegende Fähigkeit, ja geradezu eine Kulturtechnik, sein Gegenüber einzuschätzen? Warum sollten wir diese Fähigkeit oder auch Unfähigkeit einem Programm, einer Datenwolke, einem Algorithmus übergeben?
Rose: Zunächst würde ich dazu sagen, Sie haben es auch eben richtig gesagt, wir würden im Zweifel solche Techniken natürlich nur zur Vorauswahl benutzen. Also es geht darum, zum Beispiel aus einer sehr großen Menge von Bewerbern eine überschaubare Menge zu machen. Die würden wir natürlich aber immer dann wieder noch persönlich zu Gesprächen einladen. Ich kenne kein Unternehmen auf der Welt, das die letztliche Auswahl eines Mitarbeiter komplett solchen Algorithmen überlässt. Also es geht letztlich nur darum, eine Vorauswahl zu treffen.
von Billerbeck: Noch, müsste man da vielleicht hinzufügen.

In Unternehmen menschelt es kräftig

Rose: Ich glaube, dass es in Unternehmen dann, wie man so schön sagt, am Ende doch zu sehr menschelt, als dass man die finale Auswahl darüber, wen man dann demnächst täglich auf dem Flur oder vielleicht sogar im eigenen Büro begegnen möchte, einem Computer überlässt.
Es geht wirklich um die Vorauswahl. Das andere, das ist möglich, aber ich kann es mir persönlich nicht vorstellen, und diese Vorhersage würde ich auch nicht machen.
Ansonsten, natürlich ist das eine Kulturtechnik. Wir müssen uns nur der Tatsache bewusst sein, dass die extrem fehlerbehaftet ist. Wenn wir beide jetzt nicht am Telefon miteinander sprechen würden, sondern face to face...
von Billerbeck: Wenn Sie mich sehen würden …
Rose: ...dann würden Sie ja wahrscheinlich auch eine Einschätzung machen aufgrund meiner Nase oder meiner Frisur oder vielleicht dem, was ich gerade auf meinem T-Shirt habe, was wiederum später mit der Leistung nichts zu tun hat. Und wir machen das automatisch, und wir können das nicht verhindern. Das ist auch nicht böse. Wir sind einfach so.
von Billerbeck: Klar. Aber das würde ja vielleicht das Gespräch interessant machen.
Rose: Definitiv.
von Billerbeck: Aber trotzdem weiter, ich habe gelesen in der Vorbereitung, dass es mehr über einen Bewerber sagt, was der auf Facebook gepostet hat, oder welche Informationen man via Facebook über ihn erhalten kann, oder sogar welchen Browser dieser Mensch benutzt – das sage mehr über ihn aus als das, was Angehörige über ihn wissen, jedenfalls aus der Sicht eines potenziellen Arbeitgebers. Aber darf denn der Arbeitgeber all das wissen? Gehören solche Daten, die es ja umfänglich über uns alle gibt, in die Hand eines Arbeitgeber?

Facebook-Likes sagen viel über einen Bewerber

Rose: Das ist im Augenblick, glaube ich, noch ein Stück weit rechtsfreier Raum. Ich keine jetzt keine offizielle Rechtsprechung dazu. Es gibt zum Beispiel DIN-Normen in der Personalauswahl, die hätten da eine klare Vorstellung davon, dass das wahrscheinlich nicht der Fall sein soll …
von Billerbeck: Es gibt DIN-Normen in der Personalauswahl? Das ist die Nachricht des Tages.
Rose: Es gibt DIN-Normen in der Personalauswahl. Die sind sogar gerade ganz frisch überarbeitet worden. Gleichzeitig sollte man sich als Mensch, nicht nur als Bewerber, sondern generell als Mensch natürlich bewusst sein, dass solche Daten genutzt werden könnten. Und viele Dinge sind nun mal einfach erst mal frei verfügbar im Netz. Je nachdem, wie man zum Beispiel auch bestimmte Privatsphäreneinstellungen gewählt hat. Und deswegen rege ich erstmal an zu einer ganzen Menge Bewusstsein.
Und dann, um Ihre Frage zu beantworten: Ja, das ist so. Es gibt Studien, die jetzt aber erst mal im universitären Umfeld durchgeführt worden sind, wo man nachweisen konnte, dass ab einer bestimmten Menge an Datenpunkten, und da sagt man im Augenblick zum Beispiel, 200 Datenpunkte auf Facebook – ein Datenpunkt wäre jetzt zum Beispiel eine Seite, die Sie geliked haben, zum Beispiel ein Künstler oder eine Band – wenn ein Algorithmus davon etwa 200 Punkte hat, dann kann er Ihre wesentlichen Persönlichkeitsmerkmale, also zum Beispiel, ob Sie extrovertiert sind oder introvertiert sind, ziemlich gut, genauso gut vorhersagen wie zum Beispiel Ihre besten Freunde oder gar Ihr Lebenspartner.
von Billerbeck: Aber das, was man da auf Facebook von sich preis gibt, kann doch auch schlichte Angabe sein und zu völlig falschen Folgerungen führen.
Rose: Das ist richtig. Also, wenn Sie sich auf Facebook völlig anders gerieren, als Sie das im Privatleben tun würden …
von Billerbeck: Dann hat der Algorithmus ein Problem.
Rose: … dann wird dieser Algorithmus zu einer falschen Einschätzung kommen, das ist so, ja. Dann würde man später wahrscheinlich eine böse Überraschung erleben, wenn ich mich als Personaler allein auf solche Daten verlassen hätte.
von Billerbeck: Das heißt, am Ende, das ist das Prinzip Hoffnung jetzt für unser Gespräch, jedenfalls für diesen Moment entscheidet eben nicht der Algorithmus, sondern doch Sie als Personalverantwortlicher?
Rose: Ja, am Ende steht immer der Mensch, und ich hoffe inständig, dass das auch so bleibt, bei allen Fehlern, die wir haben.
von Billerbeck: Ihr Wort in Gottes Gehörgang, sage ich da nur. Nico Rose war das, Psychologe, Coach und Personaler, über Algorithmen in der Personalauswahl. Ich danke Ihnen!
Rose: Ich danke Ihnen. Tschüs!
von Billerbeck: Tschüs!
Äußerungen unserer Gesprächspartner geben deren eigene Auffassungen wieder. Deutschlandradio Kultur macht sich Äußerungen seiner Gesprächspartner in Interviews und Diskussionen nicht zu eigen.
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