Adenauers Triumph

Von Winfried Sträter · 15.09.2007
Am 15. September 1957 wurde der dritte deutsche Bundestag gewählt - mit einem denkwürdigen Ergebnis: Die Unionsparteien CDU und CSU erhielten mehr als 50 Prozent der Stimmen. Es war die hohe Zeit der Adenauer-Ära. Die Bundesbürger schwelgten im Wirtschaftswunder und wollten ansonsten ihre Ruhe haben. Das bekam die Opposition zu spüren.
Zwei Wahlplakate demonstrieren das Ungleichgewicht bei dieser Bundestagswahl. Beide Plakate appellieren an das Sicherheitsgefühl der Wähler. Das eine, beherrscht von der schwarzen Maske eines schreienden, verbrannten Menschen, signalisiert: Krieg. Titel: "Atomrüstung zeugt Massentod". Am unteren Bildrand: "Die SPD mahnt und warnt". Das andere Plakat: ernster alter Mann mit weißem Hemd und Krawatte und ruhigem, klarem Blick. Allen bekannt. Darunter die Aufschrift: "Keine Experimente! Konrad Adenauer. CDU". Die SPD, sie denkt offenbar gar nicht ans Regieren, die CDU verkündet selbstbewusst ihren Machtanspruch. Wahlkampf 1957.

Adenauer: ""Ich hoffe zuversichtlich, dass das deutsche Volk den Sozialdemokraten und auch den Russen eine schmerzliche Enttäuschung bereiten wird. Ich hoffe, dass es bei der Wahl richtig handelt. Richtig handeln aber heißt, die Christlich Demokratische und Christlich Soziale Union wählen."

Eigentlich brauchen sich Adenauer und die Unionsparteien keine Sorgen zu machen bei dieser Wahl. 1949 hatten sie mit 31 Prozent nur knapp vor der SPD gelegen. 1953 hatten sie mit 45 Prozent die Sozialdemokraten bereits weit hinter sich gelassen. Und nun: Die Wirtschaft boomt. Das Wirtschaftswunder erreicht auch die Rentner. Die Rentenreform vom Januar 1957, die Einführung der dynamischen Rente, ist eine sozialpolitische Jahrhundertreform.

Nie zuvor hat eine Regierung so erfolgreich gearbeitet wie die Adenauer-Regierung von 1953 bis 1957. Vor diesem Hintergrund trägt der Wahlkampf 1957 merkwürdige Züge. Adenauer reitet bitterböse Attacken gegen die Sozialdemokraten:

"Die Politik, die die sozialdemokratische Regierung will, macht Deutschland zum russischen Satelliten."

Bei der Wahl gehe es um die Frage, ob Deutschland katholisch bleibe oder kommunistisch werde. Wütend antwortet Fritz Erler, einer der führenden Sozialdemokraten, auf die Angriffe des Bundeskanzlers:

"Der Bundeskanzler hat wiederholt den Ausspruch getan, die Sozialdemokratie dürfe niemals an die Macht, weil das den Untergang des deutschen Volkes bedeuten würde. Meine Damen und Herren, wer in einem demokratischen Staatswesen sagt, die einzige andere große Partei, um die es in Wahrheit geht, die dürfe niemals an der Macht teilhaben, der beansprucht damit für seine Partei das Recht der Alleinherrschaft für immer. Das ist ein Anschlag auf die Grundprinzipien der freiheitlichen Demokratie."

Mit seinen polemischen Attacken zwingt Adenauer die ohnehin fast angriffsunfähige SPD so sehr in die Defensive, dass der Oppositionsführer Erich Ollenhauer am Tag nach der Wahl zugibt:

"Ich glaube, es kann wohl von niemandem bestritten werden, dass dieser Wahlkampf mit sehr ungleichen Wahlchancen oder Kampfchancen zu Ungunsten der SPD geführt werden musste."

Der Slogan der Unionsparteien "Keine Experimente" trifft genau das Lebensgefühl der großen Mehrheit der Bundesbürger. Dahinter verbirgt sich aber auch ein Problem, das nach der Wahl offenkundig wird: Adenauer hat alle seine großen Ziele erreicht. Er hat kein politisches Programm mehr - außer der Sicherung der Macht. Mit 50,2 Prozent erringen die Unionsparteien zum ersten und einzigen Mal in der bundesdeutschen Nachkriegsgeschichte die absolute Mehrheit der Stimmen. Erstaunlich matt tritt Adenauer am Tag nach dem Triumph vor der Presse auf:

"Sie können sich denken, dass ein so großer Wahlerfolg wie der, den wir errungen haben, auch nachdenklich stimmt."

Adenauer scheint zu spüren, dass dieser Wahlsieg eine Zeitenwende markiert. Die Intellektuellen werden unruhig. Die Opposition sammelt die Kräfte, um eines Tages die Macht am Rhein zu gewinnen.