Abstimmung über Panoramafreiheit

Die Selfie-Freunde sind aufgeschreckt

Zwei Touristen machen am Brandenburger Tor in Berlin ein Selbstporträt mit einem "Selfie-Stick"
In Deutschland erlaubt: Selfies vor historischen Gebäuden. © picture alliance / dpa
Von Kai Küstner, ARD-Studio Brüssel · 09.07.2015
In Deutschland ist es erlaubt, öffentliche Gebäude zu fotografieren und ins Netz zu stellen. Diese sogenannte Panoramafreiheit gilt aber nicht in Belgien oder in Frankreich. Der zuständige EU-Parlamentsausschuss hatte jüngst empfohlen, europaweit diese Fotopraxis zu beschneiden. Das EU-Parlament stimmt darüber heute ab.
Ob es die Akropolis in Athen, der Reichstag in Berlin oder ein kleiner, Wasser lassender Junge aus Bronze in Brüssel ist: Massen von Touristen bringen sich täglich vor Europas Sehenswürdigkeiten in Position fürs Erinnerungsfoto. Aber Achtung: So manches Bild anschließend ins Internet zu stellen oder bei Facebook zu posten, kann problematisch sein:
"Warum soll das denn nicht erlaubt sein, ein Foto hochzuladen?", fragt erstaunt diese amerikanische Touristin. Die Erklärung: In Deutschland etwa ist es gestattet, öffentliche Gebäude zu fotografieren. Es herrscht "Panoramafreiheit", wie das im Fachjargon heißt. Egal, ob ich den Hamburger Michel oder Kölner Dom vor der Kameralinse habe - Klicken und Posten sind kein Problem. Aber das ist nicht überall so in Europa:
"In Deutschland, Österreich, Großbritannien und anderen Ländern haben wir die Panoramafreiheit. Diese wird aber in Frankreich, Italien und in Belgien anders geregelt."
Erläutert der EU-Parlamentarier Dietmar Köster von der SPD.
Für einen kurzen Moment wäre Selfie-Freunden in den letzten Tagen vor Schreck fast das Smartphone aus der Hand gerutscht: Der zuständige EU-Parlamentsausschuss sprach sich in einem Bericht für eine Beschneidung der Panoramafreiheit europaweit, also auch in Deutschland, aus, zum Schutz der Architekten.

Einheitliche europäische Regelung gefordert

Doch die Idee, den Menschen die Lust am Schnappschuss zu vermiesen, wurde schnell öffentlich gegeißelt. Hinter den Kulissen einigten sich dann die großen Fraktionen. Nach der Abstimmung heute dürfte alles so bleiben, wie es ist:
Dietmar Köster: "Ich bin zuversichtlich, dass es dafür im Parlament eine Mehrheit geben wird. Also die deutsche Panoramafreiheit Bestand haben wird."
Andere, wie die Abgeordnete Julia Reda von der Piratenpartei, würden gerne noch einen Schritt weitergehen und die Dinge in der gesamten EU einheitlich regeln. Sind doch Italien, Frankreich oder auch Griechenland deutlich strenger mit dem Recht am Bild. Auch am Urlaubsbild:
"Das ist ein großes Problem, wenn man zum Beispiel einen Fotokalender oder ein Buch in der ganzen EU verkaufen will. Weil man für jedes Land die Rechtslage einzeln klären muss."
Nun will nicht jeder Tourist gleich einen Fotokalender in die Buchläden bringen. Und auch in strengeren EU-Ländern sind alte Gebäude von der Regelung ausgenommen: Vor Eiffelturm, Kolosseum und Akropolis darf sich erstmal jeder ungestraft verewigen.

Wer nichts postet, hat auch kein Problem

Doch ein bisschen Gehirnakrobatik ist wegen der unterschiedlichen Vorschriften in der EU doch gefragt: Ist der Eiffelturm nämlich nachts romantisch beleuchtet, dann gilt das als modernes Kunstwerk, an dem jemand die Bild- und Urheberrechte besitzt.
Tourist: "Das ist nicht ok. Ich finde, die Menschen sollten ihre Bilder von Sehenswürdigkeiten hochladen dürfen."
Findet dieser Tourist. Doch bis es eine gesamteuropäische Regelung gibt, dürfte es noch dauern. Bis dahin hält sich jeder, der auf Nummer Sicher gehen will, besser an die goldene "Selfie-Regel": Das Urlaubsfoto für den Privatgebrauch ist nirgendwo in Europa ein Problem, aber Vorsicht beim Einstellen ins Internet.
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