Abschuss in einer rechtlichen Grauzone

Helmut Opitz im Gespräch mit Frank Meyer · 10.05.2012
Krähen sind europaweit geschützt. Trotzdem geben immer mehr Bundesländer die Vögel zum Abschuss frei. "Da hat die Jagdlobby Druck gemacht", vermutet der Vizepräsident des Naturschutzbundes, Helmut Opitz. Hunderttausende Vögel werden jährlich getötet.
Frank Meyer: Sie schießen mit Schrot oder mit Kleinkalibergewehren: Jäger holen massenhaft Krähen vom Himmel, obwohl das Bundesnaturschutzgesetz sagt, diese Vögel sind geschützt. Viele Bundesländer haben aber Ausnahmegenehmigungen erlassen, und das nutzen immer mehr Jäger aus, obwohl man für die Jagd auf die schlauen Rabenvögel eine aufwendige Ausrüstung braucht.

Über diese Jagd auf Krähen in Deutschland reden wir jetzt mit Helmut Opitz, dem Vizepräsidenten des Naturschutzbundes Deutschland, er ist in Freiburg für Deutschlandradio Kultur im Studio. Seien Sie herzlich willkommen!

Helmut Opitz: Ja, danke, ebenfalls.

Meyer: Welche Ausmaße hat denn dieses Crowbusting, die Jagd auf Rabenvögel? Wie viele Tiere werden da abgeschossen?

Opitz: Wir müssen ja unterscheiden zwischen Crowbusting und der normalen Jagd – "normal" in Anführungszeichen, obwohl die auch nicht normal ist. Beim Crowbusting, da es ja ein neues Phänomen ist, gibt es noch keine weitreichenden Statistiken. Es sind Tausende, auf jeden Fall, und Krähen insgesamt werden Hunderttausende bis geschätzte Millionen in Deutschland geschossen, pro Jahr.

Meyer: Bei dieser Jagd auf Rabenkrähen, da werden auch viele andere Rabenvögel getötet, heißt es, zum Beispiel Dohlen - die Dohle ist ja gerade der Vogel des Jahres – oder auch Saatkrähen. Wie kommt das denn, warum werden diese Tiere da mit abgeschossen?

Opitz: Weil die sehr oft ein Schwarmverhalten zeigen und dann eben zusammenfliegen und nicht unterschieden werden können. Der Jäger, der schießt, der sieht die schwarzen Vögel und drückt halt ab. Und in dem Moment, wo er zum Beispiel Dohlen oder Saatkrähen schießt, wird die Jagd illegal. Aber das ist sehr schwer nachzuweisen, man müsste also mal die Strecken genau anschauen, wenn man herankäme, um dann nachzuprüfen, ob da auch Dohlen oder Saatkrähen darunter sind, oder vielleicht sogar auch andere Vögel.

Meyer: Nach der europäischen Vogelschutzrichtlinie sind ja Rabenvögel aber eigentlich überhaupt geschützt. Trotzdem ist es in Deutschland so, dass viele Bundesländer die Jagd auf Raben, Nebelkrähen zum Beispiel, per Ausnahmegenehmigung erlauben. Warum ist das so? Hat da die Jagdlobby Druck gemacht?

Opitz: Da hat die Jagdlobby sehr stark Druck gemacht, und auch Deutschland und Bayern, das Bundesland, hat bei der EU sehr starken Druck gemacht. Das geht nicht nur über Ausnahmeregelungen, sondern sogar über jagdrechtliche Bestimmungen, die unserer Meinung nach zumindest in einer rechtlichen Grauzone liegen, wenn nicht ganz illegal sind. Aber das ist eine sehr, sehr komplizierte Materie, wir kämpfen auch dagegen an, aber es ist im Moment sehr vieles davon legal.

Meyer: Die Krähenjäger sagen aber nun, um ihre Jagd auf Krähen zu verteidigen, die Rabenvögel seien Nesträuber und Jungvogelkiller, sie seien mit verantwortlich dafür, dass es immer weniger Singvögel gibt zum Beispiel und auch weniger Niederwild wie Rebhühner, Fasane oder Hasen.

Opitz: Zunächst muss man sagen andere Singvögel, denn die Raben sind ja auch Singvögel, gehören dazu, wenn sie auch nicht so schön singen können wie eine Nachtigall, oder das Niederwild – beides ist doch längst, längst wiederholt, und das geschieht wider besseres Wissen. Es gibt ganz, ganz andere Gründe, warum das Niederwild, also Rebhuhn – Fasan möchte ich jetzt mal nicht dazu zählen – und andere Arten in der freien Feldflur abgenommen haben. Die industrielle Landwirtschaft, das sind die ganzen Agrarprobleme, das hat mit den Raben oder mit den Prädatoren, mit anderen, fast nichts zu tun.

Meyer: Bei den Rabenkrähen ist es ja so, dass viele Menschen in den Städten den Eindruck haben – davon berichten auch viele Zeitungen –, es gebe eine richtige Krähenplage. Große Schwärme dieser Vögel, die in den Städten einfallen, die Krach machen, die Dreck machen. Wie kommt es denn zu diesen Krähenplagen?

Opitz: Auch hier müssen wir wieder differenzieren: Die, die große Probleme bereiten, das sind oft Saatkrähen. Die Saatkrähen haben auch die freie Landschaft geräumt, sie sind früher sehr stark verfolgt worden, jetzt haben sie keine Brutplätze mehr zum Beispiel, und ziehen jetzt immer mehr in Städte, bilden dort Kolonien, sind relativ zutraulich, fassen schnell irgendwo Fuß und werden dann als lästig empfunden. Irgendwelche Schäden richten die dort überhaupt nicht an. Das sind dann eben Lärmbelästigungen oder Verkotungen von Autos, was natürlich das allerschlimmste ist, und Ähnliches. Die sind also nur lästig, aber nicht schädlich. Und das stört sehr viele.

Meyer: Dass dieses Crowbusting jetzt wieder so populär ist und so zunimmt unter den Jägern, so ein Modesport ist, vielleicht hat das ja auch damit zu tun, dass die Rabenvögel ja auch in der Geschichte so einen schlechten Ruf hatten bei den Menschen, ja, als Begleiter der Hexen oder als Verbreiter der Pest. Können Sie das irgendwie erklären, warum es so eine urwüchsige Feindschaft zwischen Mensch und Krähe gibt?

Opitz: Sicher hat es was mit der schwarzen Farbe zu tun, es hat was zu tun mit Tod, mit Schlachten. Aber das lässt sich von der Antike bis zur Neuzeit her belegen: Überall in alten Schriften kommen solche Schmähungen und Diskreditierungen der Krähen vor. Und ich sage deshalb von der Farbe, weil es ein häufiges Motiv ist, dass die Krähen früher einmal weiß waren, aber durch ungebührliches Verhalten dann in schwarze Vögel verwandelt worden sind. Das war in Delphi in der Antike durch Apoll so, und es war übrigens bei Noah auch so nach der Arche. Der hat ja die Raben ausgesendet, und die haben - statt den späteren Palmzweig zu bringen - sich irgendwo an Aas gütlich getan, und zur Strafe wurden sie dann von Noah in schwarze Vögel verwandelt.

Meyer: Nur die alten Germanen haben die Krähen geschätzt, oder? Oder die Raben?

Opitz: Ja, die haben die geschätzt, aber auch da war immer in Verbindung mit Krieg, mit Schlachten und mit Tod. Die beiden Raben, die Odins Begleiter und Berater waren, haben vor allem über kriegerische Ereignisse berichtet und auch vorausgesagt.

Meyer: Dabei ist ja das seltsame, dass die Rabenvögel außergewöhnlich intelligent sind, also uns eigentlich in der Tierwelt relativ nahe stehen. Sie sollen so intelligent sein, wie Primaten, also wie Schimpansen zum Beispiel. Woran zeigt sich das eigentlich?

Opitz: Das zeigt sich in sehr vielen Verhaltensweisen. Die bekanntesten sind ja inzwischen, dass Nüsse vor Ampeln deponiert werden, damit die Autos drüber fahren, und bei der Rotphase holen sich dann die Krähen die geöffneten Früchte heraus.

Meyer: Wie schlau, Mann!

Opitz: Das ist sehr schlau. Es gibt sehr viele Beispiele, und das war schon immer so, das ist ein bisschen ambivalent, wie bei vielen Vögeln. Manchmal polarisieren sie, manchmal werden sie dann auch bewundert wegen ihrer Intelligenz und Gelehrsamkeit. Und das ist auch ein Grund, warum sich die Jäger so martialisch tarnen müssen, wie in dem Beitrag vorhin , als wir es gehört haben, weil sie da sehr schlau sind, und sie werden das ja schnell merken, ob man es auf sie abgesehen hat oder nicht.

Meyer: Die Jagd auf Rabenvögel, darüber haben wir gesprochen mit Helmut Opitz, dem Vizepräsidenten des Naturschutzbundes Deutschland. Ich danke Ihnen sehr für das Gespräch!

Opitz: Danke auch!

Äußerungen unserer Gesprächspartner geben deren eigene Auffassungen wieder. Deutschlandradio macht sich Äußerungen seiner Gesprächspartner in Interviews und Diskussionen nicht zu eigen.

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