75 Jahre Wannsee-Konferenz

Die Vorbereitung des Massenmords

Das Haus der Wannsee-Konferenz
Das Haus der Wannsee-Konferenz: Am 20. Januar 1942 ging es dort um die "Endlösung der Judenfrage". © imago/McPHOTO
Von Bernd Ulrich · 20.01.2017
Vor 75 Jahren wurde in einer Villa am Wannsee über die Vernichtung der Juden beraten. Knapp zwei Stunden dauerte die Besprechung. Ziel der Wannsee-Konferenz war es, einen Plan zur Deportation und Vernichtung der Juden aus westeuropäischen Ländern festzulegen.
"Ich habe am 3. September im Deutschen Reichstag es schon ausgesprochen - und ich hüte mich vor voreiligen Prophezeiungen - dass dieser Krieg nicht so ausgeht wie die Juden sich's vorstellen, nämlich, dass die europäischen arischen Völker ausgerottet werden, sondern dass das Ergebnis dieses Krieges die Vernichtung des Judentums ist."
Es war nicht das erste Mal, dass Adolf Hitler - hier am 30. Januar 1942 - in aller Öffentlichkeit den beabsichtigten Mord an den Juden verkündete. Wie immer in der verqueren Logik der Täter, nach der die Opfer quasi selbst schuld sind. Vor allem im Osten, namentlich in Polen und in der Sowjetunion, hatte die unterschiedslose generationsübergreifende Ermordung von Juden beiderlei Geschlechts längst begonnen. Bis Ende 1941 waren von den SS-Einsatzgruppen und ihren Helfern fast eine halbe Million Menschen erschossen oder erschlagen worden. Nun sollten auch die Deportationen der westeuropäischen Juden und ihre Ermordung beginnen. Der Historiker Peter Klein:

Verwaltungstechnische Regelung eines geplanten Massenmordes

"Im Herbst 1941 waren von Hitler und Himmler die Weichen gestellt worden, trotz des sich hinziehenden Krieges gegen die Sowjetunion, die Juden aus dem europäischen Machtbereich zu deportieren. Im September etwa entschied Hitler, dass Juden aus dem Großdeutschen Reich und der besetzten Tschechoslowakei nach Osten verschleppt werden sollten. Von den Deportationen ab 15. Oktober 1941 waren bis Januar 1942 knapp 52.000 Menschen betroffen. Mehrere tausend von ihnen waren bereits vor Beginn der Wannsee-Konferenz ermordet worden."
Die Wannsee-Konferenz – benannt nach ihrem Ort, einer von der SS und der Gestapo als Gästehaus genutzten Villa am Berliner Wannsee – fand am 20. Januar 1942 statt. Dabei wurde nicht etwa der Holocaust beschlossen, sondern die "Endlösung der Judenfrage" verwaltungstechnisch geregelt. Eingeladen hatte der hohe SS-Offizier Reinhard Heydrich.
Er war zugleich Chef des Reichssicherheitshauptamtes sowie seit Ende September 1941 stellvertretender Reichsprotektor von Böhmen und Mähren. Heydrich hatte in der Judenverfolgung eine Schlüsselrolle inne. Unterstützt wurde er durch den von ihm berufenen Adolf Eichmann. Der SS-Obersturmbannführer war als Referatsleiter im Reichssicherheitshauptamt für die gesamte Organisation der Deportation der Juden aus Deutschland und den besetzten europäischen Ländern zuständig.

Eine Konferenz der Schreibtischtäter

In knapp zwei Stunden besprachen 15 Teilnehmer, zumeist Leitende Beamte aus den Ministerien und höhere SS- und Polizeiführer, die "Gesamtlösung der Judenfrage", wie es im Einladungsschreiben Heydrichs hieß. Der Chef der Bildungsabteilung in der Gedenk- und Bildungsstätte Haus der Wannsee-Konferenz und deren stellvertretender Leiter Wolf Kaiser:
"Es waren zum Teil überzeugte rassistische Antisemiten, zum Teil aber eher funktionierende Bürokraten, die ihre Karriere fortsetzen wollten und die alle Aufgaben ausführten, die man von ihnen erwartete."
Schreibtischtäter eben. Aber worum genau ging es Heydrich? Der in London lehrende Historiker Peter Longerich fasst zusammen:
"Es ging ihm darum, die Vertreter der Staatsbürokratie in dieses Programm zur Ermordung der europäischen Juden zu involvieren. Er entwickelte eine Perspektive, sprach davon, dass die Juden nach Osten deportiert werden würden, dort zur Zwangsarbeit eingesetzt werden sollten, und dass diejenigen, die diese sehr harten Zwangsarbeitbedingungen überleben würden, dass die entsprechend behandelt werden würden, wie er sich ausdrückte, also ermordet werden sollten. Und aus dem Kontext ergibt sich, dass die Kinder und Frauen, die deportiert werden sollten, und auch nicht zur Arbeit eingesetzt werden sollten, natürlich auch keine Überlebenschance haben würden."

Überwältigende Zustimmung

Der unisono geäußerte Beifall zu solchen und weiteren, im Protokoll der Konferenz festgehaltenen Plänen muss unter den Teilnehmern groß gewesen sein. Der das protokollführende Adolf Eichmann sagte 1961 während seines Prozesses in Jerusalem:
"Hier war nicht nur eine freudige Zustimmung allseits festzustellen. Möcht' sagen, sie übertrumpfen es und überbieten es im Hinblick auf die Forderung zur Endlösung der Judenfrage."
Im Verlauf der knapp zweistündigen Wannsee-Konferenz wurde detailgenau die Mord-Absicht gegenüber den europäischen Juden festgelegt. Millionen von ihnen mussten leidvoll erfahren, dass es nicht bei der bloßen Absicht blieb.
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