500 Jahre Ölbergandachten in Berching

Das Oberammergau für die Oberpfalz

Der Pettenkoferplatz in Berching in der Oberpflaz mit dem Kirchturm im Hintergrund
Der Pettenkoferplatz in Berching in der Oberpflaz mit dem Kirchturm im Hintergrund © imago/Westend61
Von Thomas Senne · 06.03.2016
Ein religiöses Spiel gegen die Todesangst ist die Berchinger Ölbergandacht in der Oberpfalz. Seit 500 Jahren macht dieses traditionelle Kirchenfest die Passionsgeschichte anschaulich - mit waschechtem Bühnen-Jesus und schwebendem Engelsmädchen.
In der St. Lorenz Kirche im oberpfälzischen Berching sind die Fenster mit violetten Tüchern abgedunkelt. Auch der Chorraum, die zentrale Spielstätte, ist mit einem Vorhang in der gleichen Farbe verhüllt. Langsam füllt sich das Kirchenschiff mit Besuchern. Sie kommen vor allem aus dem Ort und der näheren Umgebung zur Ölbergandacht. Genau 500 Jahre ist die Tradition alt, ein Nürnberger Vikar, ein gewisser Leonard Grießel, hatte ihre Urform gestiftet. Der 72-jährige pensionierte Lehrer Hans Dengler steht seit 1990 als Jesus-Darsteller auf der Bühne und nimmt sich kurz vor seinem Auftritt Zeit, die Geschichte zu erläutern.
"Es gibt eine Urkunde im Staatsarchiv Nürnberg aus dem Jahr 1516. Da steht drin, dass dieser Leonard Grießel diese 'Angst' gestiftet hat. Was jetzt konkret unter dieser Angst zu verstehen ist, das ist nicht hundertprozentig zu klären. Ich nehme aber schon an, dass es eine Andacht war. So wird’s ja auch später beschrieben. Es kommt dann zu Zustiftungen und es wird auch beschrieben, dass dort Andachten abgehalten worden sind mit so und soviel Priestern. Es wird auch die Anzahl dieser Andachten genannt. Das waren also relativ viele. Später hat man’ s dann auf sechs beschränkt ..."
... die bis heute an jedem Donnerstag der Fastenzeit bis zur Karwoche stattfinden. Das Ölbergspiel, um das die Andacht Ende des 16. Jahrhunderts erweitert wurde, beruht auf Schilderungen im Neuen Testament: Jesus geht am Gründonnerstag mit drei Jüngern zum Ölberg in den Garten Gethsemane, um dort zu beten. Dem von Todesangst Bedrückten erscheint ein Engel, um ihm neue Kraft zu geben. Wer den Text des musikalisch unterlegten Berchinger Zweipersonenstückes verfasst hat, ist nicht bekannt. In Reimen ist davon die Rede, wie Jesus "im blut' gen Schweiße" niedersinkt und ausruft: "Meine Leiden nahen schon." Der Engel hingegen preist den Heiland als "Hoffnungsstern der Menschheit" und "Weltversöhner". Seit letztem Jahr ist die 11-jährige Verena Daum Engeldarstellerin. Eine Rolle, die ihr sehr gefällt.
"Da fühlt man sich irgendwie so frei. Da fühlt man sich richtig wie ein echter Engel."

Ein sakrales Spiel mit Tiefenwirkung

Pünktlich um 13.45 Uhr beginnt die Andacht. Die Kirche ist jetzt bis auf den letzten Platz besetzt. Bald erfüllen monotone religiöse Gebete der Besucher den Raum. Nach ein paar einleitenden Worten des Diakons und der Predigt eines Gastredners ist es endlich soweit. Das vor der Bühne stehende Harmonium erklingt und der Vorhang öffnet sich. Das Ölbergspiel beginnt.
Der weiß gewandete Hauptdarsteller Hans Dengler kniet am Boden und faltet die Hände zum Gebet: ein waschechter Bühnen-Jesus, ausstaffiert mit Schnurrbart, Headset und langen, dunklen Perückenhaaren. Wie von Zauberhand bewegt, senkt sich ganz sachte ein mit unzähligen Glühkerzen und dem Christus-Monogramm versehenes Kreuz aus dem Theaterhimmel nach unten, ruht für einen Moment über dem Sohn Gottes, wird aber bald wieder in die Höhe gezogen. Vom linken Bühnenrand schwebt ein weiß gekleideter Engel heran. In den Händen hält er einen goldenen Kelch. Insgesamt drei Mal wird sich diese Szene im Laufe des Spiels wiederholen – mit anderen Texten versteht sich. Beim letzten Aufzug trinkt Jesus aus dem Kelch.
Nach gut eineinhalb Stunden ist die Ölbergandacht vorbei: ein sakrales Spiel mit Tiefenwirkung, ein religiöses Spektakel, das mit seinen holzschnittartigen Szenen und liturgischen Sequenzen die Passionsgeschichte anschaulich machen will.
Nicht immer war dieser Ansatz willkommen: Zur Zeit der Aufklärung wurde die Ölbergandacht verboten. Im 19. Jahrhundert wurde sie zunächst in einer anderen Berchinger Kirche fortgeführt. 1942 wurde sie von den Nazis verboten, mit der Begründung: "Die Leute werden von der Arbeit abgehalten." Nach einem Intermezzo in den 50er- und 60er-Jahren am anderen Ort wird die Ölbergandacht seit 1982 wieder kontinuierlich in der Berchinger St Lorenz-Kirche gefeiert – und ist mittlerweile ein Publikumsmagnet. Pfarrer Artur Wechsler.
"Berching ist Oberammergau für die Oberpfalz."

Die Ölbergandachten in Berching finden noch bis zum 17. März statt - jeden Donnerstag ab 13.45 Uhr. Nur die letzte Ölbergandacht am 17. März beginnt um 19:00 Uhr und ist besonders für Berufstätige gedacht.

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