"5 Jahre Leben"

Von Hans-Ulrich Pönack · 22.05.2013
Der Bremer Murat Kurnaz fliegt Ende 2001 nach Pakistan, um dort den Islam zu studieren – er wird verhaftet und kommt ins US-Gefangenenlager auf Guantánamo. Die Verfilmung dieser wahren Geschichte ist hervorragend gelungen. Sie geht unter die Haut.
Natürlich ist es naiv, eigentlich selbstmörderisch, wenige Wochen nach den barbarischen Anschlägen vom 11. September 2001, nach Pakistan zu fliegen, um dort mehr über seinen Glauben, den Islam zu erfahren. Der Bremer Murat Kurnaz tut genau das. Dann wird er bei einer Routinekontrolle vor Ort in Pakistan festgenommen und schließlich den Amerikanern übergeben. Er gilt fortan als "Terrorist" und wird nach Guantánamo geflogen.

Der Film "5 Jahre Leben" erzählt davon, wie ein Mensch, den man "amtlich" für einen Verbrecher hält, in unseren modernen Zeiten "behandelt" wird. Er wird brutal gefoltert. Man versucht ihm seine Würde zu nehmen. Man verhört ihn immer wieder, um ein Schuldbekenntnis aus ihm zu locken, das er aber nicht geben kann - denn er hat nichts getan.

Aber man braucht das Geständnis, um seine Guantánamohaft zu legitimieren. Also versucht man mit allen Mitteln, ihn zu brechen. Der Film beschreibt das als spannendes Duell zwischen dem US-Verhörspezialisten Gail Holfort (Ben Miles) und Murat Kurnaz (Sascha Alexander Gersak). Motto: Zuckerbrot und Peitsche.

Holfort soll "dringend" herausbekommen, was es mit diesem "Deutschen" auf sich hat, den die "Deutschen", sprich die Bundesregierung und die Amtsstellen, nicht zurückhaben wollen, mit dem "Amerika" aber auch nichts "anzufangen" weiß. Also beginnt ein unbarmherziges Duell. Allerdings, was Gail Holfort immer mehr nervt, trotz ungleicher "Gegebenheiten", begegnet man sich schließlich fast "auf Augenhöhe". Dabei sollte doch Murat Kurnaz längst "k.o." sein - nach all den Torturen.

Stefan Schaller, geboren am 9. Juli 1982 in München, studierte an der Filmakademie Baden-Württemberg "szenische Regie". "5 Jahre Leben" ist sein Langfilmdebüt und sein Diplomabschlussfilm. Ein erstaunliches Werk. Das Drehbuch entstand mit Beratung von Murat Kurnaz und dessen Anwalt Bernhard Docke sowie nach dem Buch "Fünf Jahre meines Lebens" von Murat Kurnaz und beschränkt sich auf einen Zeitraum von etwa zwei Jahren.

Der Film geht unter die Haut. Er beschreibt das Scheitern des Rechtsstaats. Dabei setzt er ganz auf diese beiden großartigen Darsteller, deren "Spiel" packt. Dicht, nah, furios: Der 44-jährige Brite Ben Miles als listiger, grausamer Manipulator und der junge Baden-Württemberger Sascha Alexander Gersak in seiner ersten großen Kinohauptrolle als geschundene Menschenkreatur sind außerordentlich beeindruckende, ausdrucksstarke Protagonisten, ohne dabei jemals "heldisch" zu wirken. Ganz im Gegenteil, ihre starke innere Kraft ist ungeheuerlich. Tiefgehend. Wirkungsvoll. Ohne jede Übertreibung. Nachvollziehbar. In Trauer und "ziviler" Grausamkeit.

Was für exzellente, präsente, aufregende Sog-Schauspieler! Der Film "5 Jahre Leben" ist ungemein interessant. Informativ. Spannend. Berührend. Im allerbesten Sinne - angehend. Uns alle.

Russland, Deutschland, Frankreich 2011/2012 – Regie: Stefan Schaller, Darsteller: Sascha Alexander Gersak, Ben Miles, Trystan Pütter, John Keogh, Timur Isik, Kerem Can, Siir Eloglu, Tayfun Bademsoy; 96 Minuten

Filmhomepage - 5 Jahre Leben