30. April 1945

"Eine Schutzimpfung gegen jede Kriegslüsternheit"

Alexander Kluge am 03.04.2014
Erinnerungen an den 30. April 1945: Der Filmemacher, Fernsehproduzent, Schriftsteller und Drehbuchautor Alexander Kluge. © picture alliance / dpa - Roland Popp
Alexander Kluge im Gespräch mit Joachim Scholl · 08.05.2015
Als Hitler sich in seinem Bunker erschoss, war der Filmemacher und Autor Alexander Kluge 13 Jahre alt. Knapp 70 Jahre später hat er aufgeschrieben, was an diesem Tag noch auf der Welt passierte. Durch dieses Nebeneinander, sagt Kluge, werde Geschichte für ihn erst groß.
Nie werde er den 30. April 1945 vergessen, sagt der Filmemacher Alexander Kluge. Adolf Hitler hatte sich gerade im Führerbunker erschossen, die US-Truppen hatten Kluges Heimatstadt Halberstadt bereits Wochen zuvor eingenommen und verteilten Kaugummi und Schokolade an ihn und die anderen Kinder. Zur selben Zeit wird in San Francisco von den Vereinten Nationen das Vetorecht verabschiedet, zeigen die Kinos in Zürich neben US- und französischen Filmen auch weiterhin Ufa-Propaganda-Streifen, ist der Krieg im Pazifik noch in vollem Gange.
Kluge hat diese parallelen Ereignisse in seinem Buch "Der 30. April 1945. Der Tag, an dem Hitler sich erschoss und die Westbindung der Deutschen begann" beschrieben (gerade neu als Taschenbuch erschienen). Durch diese Fragmentierung in lauter kleine Ereignisse und Details werde, aus seiner Sicht, Geschichte nicht kleiner gemacht, sondern, im Gegenteil, erst richtig groß. Sie verdeutliche die Folgen dieser Niederlage des NS-Regimes, die seit dem 8. Mail 1945 auch eine Befreiung war, denn daraus sei das Bild entstanden ...
"... dass wir in Mitteleuropa, gemessen an der gesamten Welt, eigentlich klein mit Hut sind. Und wir waren nie kleiner als, sozusagen, in diesem Moment der Niederlage. Und ich sehe etwas Positives darin: Das ist eine Eichung auf die Weltgeschichte, die uns Deutschen recht gut bekommt. Und es ist gleichzeitig eine Schutzimpfung gegen jede Kriegslüsternheit, die man je haben könnte."
Gedanken an Alltägliches
Nur wenige Wochen vor dem 30. April hatte Halberstadt noch letzte Bombenangriffe erlebt. Alexander Kluge erinnert sich: "Wie wir da alle im Keller saßen - meine ganze Familien: mein Vater, meine Schwester und ich und so weiter –, das ist etwas Schreckliches gewesen. Und das Seltsame war: Man ist gleichzeitig neugierig gewesen, hatte es drei Wochen später eigentlich fast vergessen. (...) Als wir da unten unter den Bomben lagen, habe ich darüber nachgedacht, dass nachmittags Klavierstunde ist und ich die versäume. Man ist kein zusammenhängender Menschen gegenüber solchen Katastrophen."

Alexander Kluge, "Der 30. April 1945. Der Tag, an dem Hitler sich erschoss und die Westbindung der Deutschen begann", Suhrkamp Verlag, Taschenbuchausgabe: April 2015, 316 Seiten, 12 Euro.

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