25 Jahre Photoshop

Der große Bild-Manipulator

Fotomontage: Sechsjähriger Junge sitzt mit weit aufgerissenem Mund während des Fluges auf der Tragfläche eines Airbus A320
Montage oder Manipulation? Photoshop bietet viele Möglichkeiten für unrealisitische Darstellungen - zum Beispiel einen Jungen auf dem Flugzeug. © Imago/Mario Aurich
Von Laf Überland · 19.02.2015
Ein Junge auf der Tragefläche eines fliegenden Flugzeugs oder alternde Promis, die merkwürdig jung aussehen - das Bildbearbeitungsprogramm Photoshop schafft optische Wunderwerke. Und das seit 25 Jahren. Ein Blick darauf, wie heute in der Fotografie manipuliert wird.
Als die amerikanische Popsängerin Christina Aguileira neulich dem People-Magazine erlaubte, ein exklusives Foto von ihrem neuen Baby auf den Titel zu setzen, da ging ein Aufschrei durchs Internet: Das ist ja gar kein echtes Baby, hieß es, das ist ja eine Puppe! Und tatsächlich war die Haut des Kindes glatt wie Kunststoff, die Lippen ohne den kleinsten Sprung vom Trinken und die Augen so blau wie isländisches Quellwasser. Aber es sah perfekt aus.
Früher hätte man für so ein Foto stundenlang in der altmodischen Dunkelkammer herumretuschieren müssen. Im digitalen Zeitalter, wo ein Foto aus Millionen von Bildpünktchen besteht, kann man diese Pixel ganz einfach verändern – in der so genannten Postproduktion mit Bildbearbeitungsprogrammen wie eben Photoshop und von gutbezahlte Leuten, die ernsthafte Fotografen gerne etwas despektierlich „Pixelschubser" nennen – und die beim Konsumenten die Bildrealitäten ein wenig verwirren.
"Viele Menschen sind Bildanalphabeten. Man muß lesen lernen, man muß schreiben lernen, und so muß man auch Bilder lesen lernen. Und das findet eigentlich nicht statt. Man wird in keinster Weise vorbereitet auf diese Bildwelten."
Digitale Dunkelkammer
Für Fotografen wie Maurice Weiss ist das (bei den zunehmenden Bilderfluten aus dem Internet) ein ebensolches Ärgernis wie für seine Kollegen von der Agentur Ostkreuz, die in der Tradition der Agentur Magnumaus den 50er-Jahren steht und in der der Fotograf als Autor, der fotografiert, journalistischen Grundsätzen folgt.
"Ich benutze Photoshop vorwiegend als digitale Dunkelkammer, um das Bild lesbar zu machen – um die richtigen Farben zu finden, also Kunstlicht ist anders als Tageslicht, Kontraste und so weiter einzustellen."
Denn - natürlich wurde seit Anbeginn der Photographie an den Bildern herumgefummelt, um sie für das menschliche Auge besser erkennbar zu machen:
Weiss: "Das menschliche Auge ist sehr schlecht. Das meiste, was ich sehe, ist Gehirnleistung, basiert auf Erfahrungswerten, auf angelernten Sachen, wie ich Farben sehe, wie Formen sehe, wie ich Gesichter lese und so weiter. Und in dem Sinne muß ich natürlich die Bilder für den Betrachter lesbar machen im Sinne von Helligkeit, Dunkelheit, Farbigkeit, Kontrast, Schwarzweiß und so weiter, und dazu ist Photoshop einfach eine Dunkelkammer."
Nichts anderes als ein gigantsches Werkzeug also – und von Fotojournalisten darf es auch gar nicht anders eingesetzt werden.
"Es gibt bei uns ein ungeschriebens Dogma, das heißt: keine Eingriffe in die Bilder! Also keine Veränderungen, kein Hinzufügen, Wegnehmen, außer der Chip hat einen Fussel, dann nehme ich den Fussel weg, das kann man dann wegretuchieren. Also kleine technische Fehler korrigiert man mit Photoshop oder mit Lightroom. Aber Eingriffe in das Bild, in die Bildaussage, sind grundsätzlich nicht erlaubt, zumindest nicht im journalistischen Kontext. - Das sieht in der Werbung natürlich ganz anders aus."
"Photoshop ist zu einem Monster geworden"
Klar, dort werden ideale Hochglanzwelten erzeugt, die den Konsumenten verführen sollen: ein ständig blauer Himmel, makellose Mädchen, perfektes Glück – alles gephotoshoppt. Und auch in der Warenwelt der Unterhaltung werden die menschlichen Produkte idealisiert (mit bearbeiteten Haaren, Augen, Mund und komplett neu generierter Haut), die uns seelenlos anstarren von den Titelseiten im Zeitschriftenkiosk. Weil aber doch - auch in den Medien - heutzutage alles den Konsumenten sofort angenehm anspringen muß, sollen Fotografen immer wieder bestimmte Bildaussagen, bestimmte knallige Atmosphären zu erzeugen: und zumindest keine Cellulitis zeigen. Oder Makel in Gesichtern!
"Eine Redaktion bat mich mal, von dem ehemaligen Bischof Huber, der eine sehr große Warze auf der Nase hat, unbedingt die Warze zu entfernen. Daraufhin habe ich gesagt: Wenn Herr Huber mit der Warze leben kann, müssen wir damit auch leben. Solche Eingriffe sind einfach nicht statthaft und werden eigentlich von den journalistisch denkenden Fotografen nie ausgeführt."
Aber journalistische Fotografen arbeiten inzwischen sowieso meist lieber mit kleineren Programmen – und billigeren!
"Photoshop ist mittlerweile zu einem Monster geworden, für uns viel zu teuer, ich nutze vielleicht fünf bis zehn Prozent der Möglichkeiten, die Photoshop hat, das andere brauche ich alles gar nicht. Und deshalb glaube ich, wird Photoshop immer mehr eine Software für Werbeagenturen, Grafikdesigner, und bringt den Fotografen eigentlich gar nichts mehr."
Aber trotzdem gilt: Fotos sollte man nur trauen, wenn man weiß, woher sie kommen. Zum Beispiel von einem Fotojournalisten und keinem Pixelschubser.
"Wenn sich rumspricht, daß ein Fotograf Bilder in ihrer Grundaussagen komplett verändert – wissentlich und willentlich gegen das, was vor Ort passiert, ist der raus aus dem Geschäft!"
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