25 Jahre Internet

Brauchen wir eine Verfassung für das Internet?

Moderation: Dieter Kassel  · 22.03.2014
Vor einem Vierteljahrhundert wurde das World Wide Web geboren. Pünktlich zum Jubiläum meldet sich der Gründervater Tim Berners-Lee zu Wort: Er fordert eine "Magna Charta", eine Art Grundgesetz für das Netz.
Vor 25 Jahren, am 12. März 1989, legte der britische Forscher Tim Berners-Lee seinen Entwurf für das das "World Wide Web" vor. Aus dem Internet - das bis dahin vor allem Forschungseinrichtungen vernetzt hatte - wurde das weltumspannende WWW. Pünktlich zum Jubiläum meldet sich der Gründervater erneut zu Wort: Er fordert eine "Magna Charta" für das Internet, eine Art Grundgesetz, um sicherzustellen, dass unsere Daten nicht von Unternehmen, Staaten oder Geheimdiensten missbraucht werden. Diese Forderung gewinnt angesichts der Snowden-Enthüllungen an Brisanz.
"Grundsätzlich bin ich ein großer Freund dieser Idee, dass wir weltweit versuchen, einen Common Sense zu finden, aber ich bin mir nicht sicher, ob das haltbar ist",
sagt Jimmy Schulz. Der IT-Unternehmer und FDP-Netzpolitiker saß bis 2013 als Abgeordneter im Bundestag, unter anderem war er Mitglied der der Enquête-Kommission "Internet und digitale Gesellschaft”.
"Es wäre nur der kleinste gemeinsame Nenner, wie bei der UN-Charta der Menschenrechte. Es wird immer Leute geben, die das anders interpretieren. Schauen Sie auf das Copyright: Da haben schon die USA und Europa unterschiedliche Vorstellungen. Oder China: Die sehen Kopieren als Würdigung des Originals. Wie soll denn da eine `Magna Charta´ aussehen?"
Jimmy Schulz
Jimmy Schulz© jimmy-schulz-netactive.de
Man komme dann schnell zu anderen weitreichenden Fragen: Wer kontrolliert das Internet? Wem gehört das Internet?
"Wer darf was und wie viel? Das ist eine spannende Debatte, die in Russland, China, in der Türkei oder Großbritannien ganz anders gesehen wird."
Staaten sollten sich möglichst aus der Kontrolle des Netzes heraushalten.
Man dürfe nicht vergessen: "Die Mehrheit der Staaten ist nicht freiheitlich organisiert."
Anfang des Jahres gründete Jimmy Schulz mit anderen Interessierten den liberalen netzpolitischen Verein "Load e.V.". Seine Überzeugung: "Das freie und offene Internet ist eine der größten Errungenschaften unserer Zeit."
"Datenfragen sind Machtfragen", sagt Constanze Kurz. Die Informatikerin und Sprecherin des Chaos Computer Club (CCC) hat sich auch einen Namen als Datenschützerin gemacht; sie hat Bücher zum Thema geschrieben, nimmt sich des Themas regelmäßig in Fachartikeln und ihrer "FAZ"-Kolumne "Aus dem Maschinenraum" an.
Constanze Kurz, Sprecherin des Chaos Computer Clubs, aufgenommen während der ZDF-Talksendung "Maybrit Illner"
Constanze Kurz, Sprecherin des Chaos Computer Clubs, aufgenommen während der ZDF-Talksendung "Maybrit Illner"© picture alliance / ZB
Ihre Beobachtung: "Wir erleben enorme Umbrüche. Einerseits durch das Bewusstsein, dass wir in jedem Moment unseres Lebens überwacht werden können. Das ist eine fundamentale Vertrauenskrise. Die zweite Ebene ist die Kommerzialisierung des Internets, der zentralen Plattformen, über die Menschen kommunizieren. Und das dritte wird die Militarisierung sein. Militärs reden nicht nur mehr über Cyberwar, sie machen ihn auch, wie Angriffe auf das iranische Atomprogramm durch den Virus Stuxnet beweisen."
Wie könnte ihrer Meinung nach eine Verfassung für das Internet aussehen?
Im Gegensatz zu Jimmy Schulz verweist sie auf die UN-Menschenrechts-Charta, ihre Regeln könnten zum Beispiel auf das Netz übertragen werden.
Allerdings bezweifelt auch sie, dass man weltweit gültige Normen finden könne:
"Was soll drin stehen? Sicherlich die Informationsfreiheit, die Freiheit der Kommunikation, der Presse, der Schutz vor Überwachung. Aber es ist die Frage, mit welchen Werten man eine solch freiheitliche Agenda ausstattet. Und dies ist schon mal nicht deckungsgleich zwischen Europa und den USA. Zum Beispiel das Recht auf Privatheit, wie bildet sich das ab? Oder die Informationsfreiheit. Das ist auch eine Frage der Zensur - wer darf was priorisieren und abbilden? Wer sollen die Akteure sein, wer soll die Macht haben?"
"25 Jahre World Wide Web: Brauchen wir eine Verfassung für das Internet?"
Darüber spricht Dieter Kassel heute von 9 Uhr 05 bis 11 Uhr mit Constanze Kurz und Jimmy Schulz. Beide beantworten auch gern die Fragen der Hörerinnen und Hörer unter der Telefonnummer: 00800 2254 2254 oder per E-Mail unter gespraech@deutschlandradiokultur.de.
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