Neues BAP-Album: "Lebenslänglich"

"Unser Malkasten ist umfangreicher geworden"

Porträtfoto des Sängers Wolfgang Niedecken von der Band BAP, aufgenommen am 29.11.2015 während eines Interviews in seinem Büro in Köln
Der Sänger Wolfgang Niedecken von der Band BAP, aufgenommen am 29.11.2015 während eines Interviews in seinem Büro in Köln © picture alliance / dpa / Marius Becker
Wolfgang Niedecken im Gespräch mit Uwe Wohlmacher · 14.01.2016
Sie haben die deutsche Musikszene geprägt und sind selbst zu einem Stück Zeitgeschichte geworden: Die Kölner Rockband BAP wird 40. Wolfgang Niedecken, Frontmann und ehemaliger Kunststudent, über frische Töne auf dem neuen Album "Lebenslänglich" und darüber, wie aus Politik ein Song wird.
Die Kölner Rockband BAP um den ehemaligen Kunststudenten Wolfgang Niedecken zählt seit Anfang der 1980er-Jahre zu den erfolgreichsten Rockbands in Deutschland und hat dabei in den letzten vier Jahrzehnten turbulente Zeiten überstanden. Wie bei einem aus schwerer See geretteten Schiff ist es dem Master und Commander Niedecken dennoch immer wieder gelungen, alle personellen Verluste wettzumachen und die vielfältigsten Widrigkeiten zu überwinden. Die kölschen Rocker haben durch diesen unerschütterlichen Überlebenswillen nicht nur die deutsche Musikszene geprägt, sondern sind selbst zu einem Stück deutscher Zeitgeschichte geworden.
BAP haben Mundart-Rock populär gemacht, als erste westliche Rockband überhaupt in China gespielt, sind in der UdSSR und in Nicaragua aufgetreten, und viele werden sich noch an die wegen eines kritischen Songs gescheiterte Konzertreise durch die DDR erinnern. BAP gehören zu den erfolgreichsten Rockbands des Landes und seit 1981 landete jede der 14 seitdem veröffentlichten Studioplatten mindestens unter den ersten drei der deutschen LP-Charts.
Mittlerweile ist Wolfgang Niedecken das einzige Urmitglied der Gruppe, die in ihrem Jubiläumsjahr ein neues Studioalbum veröffentlicht, das sich klanglich nicht mehr an Mainstream-Deutschrock, sondern deutlich an modernen Americana-Sounds orientiert.
Ausschnitt aus dem Interview:
Wolfgang Niedecken: Ansonsten habe ich dieses Album, die Texte dieses Albums innerhalb von vier Monaten geschrieben, und das ist Rekordzeit, das ist mir noch nie passiert. Normalerweise dauert so etwas zwischen einem Dreivierteljahr und einem Jahr.
Wohlmacher: Man hört noch relativ viele akustische Gitarren – ein Überbleibsel der akustischen Ausflüge der letzten Jahre?
Niedecken: Überbleibsel kann ich nicht sagen, aber das hat sich natürlich angekündigt bei der "BAP zieht den Stecker"-Tour. Seitdem haben wir ja auch zwei Multi-Instrumentalisten in der Band, die das Album auch produziert haben. Wir können eigentlich aus – unser Malkasten ist umfangreicher geworden, kann man sagen.
"Es gibt diese Phasen, wo man Kraft tanken muss"
Wohlmacher: Ja, man hört Mariachi-Trompeten, neue musikalische Tupfer im 40. Bandjahr.
Niedecken: Ja, das ist schön. Der Martin Wenk, der Calexiko-Trompeter, hat mitgespielt, das war toll. Das war Annes Idee – Anne hat ja auch oft mit Calexiko gespielt, macht das immer noch, und die waren gerade auf Tour, Und da hatte Anne den aus dem Tour-Bus praktisch rausgeholt und hat gesagt, pass auf, um diese Nummer geht es – wie denkst du denn, wie man das jetzt texanisch lösen könnte. Dann hat der das – der kann das natürlich, ich meine, dem muss man nichts erzählen zu dem Thema.
Wohlmacher: In einem Text des neuen Albums, im Song "Auszeit", heißt es im Vorwort dazu "Nach all den schlechten Nachrichten der letzten Monate hatte ich einfach keine Lust mehr, mich in einem weiteren Song darüber aufzuregen." Macht sich da manchmal, bei dem in den vergangenen 40 Jahren kämpferisch aufgelegten Wolfgang Niedecken langsam etwas Fatalismus breit?
Niedecken: Nein, Fatalismus natürlich auf keinen Fall, aber man muss ehrlich zu sich sein. Es gibt diese Tage, wo man sagt, ich möchte jetzt mal kein Fernsehen mehr gucken, ich will keine Zeitung lesen, ich will gar nichts. Ich hänge auch den Hörer aus, ich möchte jetzt mal wieder zu mir kommen. Und wenn man das über ein, zwei Tage gemacht hat, dann kann man auch wieder am öffentlichen Leben teilnehmen, dann geht das auch alles wieder. Aber es gibt diese Phasen, wo man Kraft tanken muss, wo man vielleicht auch mit seinen Liebsten was erleben muss, und diese Tage sind dann teilweise auch auf der Festplatte gespeichert als Nahrung für ganz schlechte Zeiten.
"Ein Song muss einen Plot haben"
Wohlmacher: Und es gibt ja Statements zum derzeitigen Stand der Dinge, zu Europa, alles Mögliche taucht auf. Das sind so Gedanken, die du dir natürlich machst auch über die Zeiterscheinungen.
Niedecken: Ich bin ja ein politischer Mensch. Ich bin Zeitungs-Junkie. Wenn ich nicht täglich eine ordentliche Zeitung gelesen habe, dann werde ich unruhig. Das muss schon sein, und ich interessiere mich da für Geschichte – ich gucke Phoenix rauf und runter, wenn es sein muss. Nein, nein, ich bin da immer im Bilde und kann eigentlich auch überhaupt nicht verstehen, dass es Leute gibt, die das nicht interessiert.
Wohlmacher: Aber dann zu einem Song darüber zu kommen, das ist wahrscheinlich dann immer das Problem oder die Schwierigkeit?
Niedecken: Ja, der Song darf natürlich jetzt nicht allzu einfache Erkenntnisse transportieren. Jeder weiß, dass Krieg scheiße ist. Aber wenn man darüber einen Song schreiben will, dann wird es natürlich schwieriger. Da muss schon etwas Spezielles her, es muss ein Plot her. Letztendlich - ein Song muss einen Plot haben. Wenn der Plot nicht da ist, dann ist die Gefahr groß, dass man nur noch mit Worthülsen arbeitet, und das bringt ja auch nichts. Das berührt auch keinen.
Äußerungen unserer Gesprächspartner geben deren eigene Auffassungen wieder. Deutschlandradio Kultur macht sich Äußerungen seiner Gesprächspartner in Interviews und Diskussionen nicht zu eigen.
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