Wexford Carols

Unbekannte Grüße aus Irland

Iren singen in einem Pub - einer spielt Geige
Iren singen in einem Pub - einer spielt Geige © Imago / United Archives
Von Haino Rindler · 24.12.2014
Traditionelle irische Weihnachtslieder haben eine lange und interessante Geschichte. Der Plattenverlag Heresy Records hat ein Album mit "Wexford Carols" herausgebracht - und die sind so ganz anders als unsere Weihnachtslieder.
Es muß ein schreckliches und zugleich intensives Weihnachtsfest gewesen sein, das die Einwohner von Wexford im Südosten Irlands im Jahr 1649 verbrachten. Zwei Monate zuvor war die Stadt von den Truppen Oliver Cromwells erst belagert und dann dem Erdboden gleich gemacht worden. Die Ereignisse gingen schlicht als "Sack of Wexford" in die Geschichte ein.
"Was damals passierte, war grauenvoll. Die New Model Army von Oliver Cromwell brannte erst Limerick und dann Wexford nieder. Tausende Menschen wurden getötet. Und danach fand etwas statt, was als Papisten-Verschwörung in die Geschichte einging: Den Iren wurde eine Verschwörung gegen den englischen König angehängt. Daraus gingen die so genannten Penal Laws hervor. Von da an war es gefährlich, in Irland ein Katholik zu sein."
Eric Fraad ist sichtbar aufgewühlt, wenn er über die irische Geschichte redet. Irland hat es ihm angetan, seit sich der Amerikaner dort mit seiner Frau, der Sängerin Caitriona O'Leary, niedergelassen und ein kleines Label gegründet hat, dessen Markenzeichen besonders ausgewählte Produktionen sind. "Heresy Records".
"Die Menschen halten sie vielleicht für etwas akademisch. Einige wurden schon vorher aufgenommen. Und es gibt sogar ein ganz berühmtes: The 'Enniscorthy Christmas Carol', das auch 'The Wexford Carol' genannt wird. Das wurde oft gemacht. Aber die anderen 22 sind ausgesprochen tiefgründig, leidenschaftlich. Manche erinnern stark an die Gedichte eines John Donne. Das ist nicht 'Jingle Bells' oder 'Stille Nacht', sondern das sind gehaltvolle Stücke. Und ich glaube, sie haben eine großartige Wirkung."
Die Existenz dieser Weihnachtskostbarkeiten verdanken wir zwei irischen Katholiken, einem Bischof und einem Priester des 17. und 18. Jahrhunderts, die die Texte in Analogie zur Weihnachtsgeschichte verfasst und sie mit traditionellen irischen Melodien verbunden haben. Schon das war ein rebellischer Akt, denn die Ausübung der katholischen Religion war unter Cromwell untersagt. Angeblich sollen die Wexforder Katholiken sogar eine eigene Geheimsprache erfunden haben, um sich unentdeckt zu verständigen.
"Ich vermute, wenn einem nicht erlaubt ist, in der Öffentlichkeit zu sprechen, dann erfindet man eine verschlüsselte Sprache, man erfindet Metaphern für das, was man sagen will. Und ich glaube, die Katholiken waren damals so unterdrückt, das sie nach Möglichkeiten suchten, sich in der Öffentlichkeit zu äußern, in einer Art Geheimsprache, wie das ja heute noch in manchen Gebieten ist. All das ist in die Lieder eingeflossen, ist mein Eindruck."
Fiddle, Whistle oder Bodhrán
"This is our Christmas Day" ist eines der Lieder, die in Wexford nicht mehr gesungen werden. Es berichtet vom Jahr 1678, als die Verfolgung der Katholiken für Angst und Schrecken sorgte.
Oder "Jerusalem Our Happy Home", das bis heute im Norden Irlands gesungen wird und in die englische Hymnentradition eingegangen ist.
Oder aber "Behould Three Kings", dessen Melodie als verschollen galt und jetzt wiederentdeckt wurde.
So verschieden die Geschichten, so verschieden sind die Arrangements von Caitriona O'Leary, die sich die Gesangspartie mit prominenten Gästen wie Rosanne Cash oder Tom Jones teilt.
"Wir wollten die Americana Musik, die Amerikanische Roots-Music, den Blues und Gospel mit der irischen Musiktradition verbinden. Wir sind zwar nicht die ersten, die das machen, aber ich glaube, so wie wir es gemacht haben, gibt das den Liedern eine besondere Ausstrahlung. Wir haben mit dem bekannten Produzenten Joe Henry gearbeitet. Und Joe hat eine lockere und offene Art, die Dinge anzugehen – so wie ich auch, und wie wir das bei Heresy gerne tun. Deshalb war es möglich, die Songs in Echtzeit und live aufzunehmen."
Das Ergebnis kann sich hören lassen. Die Lust am Spiel mit den traditionellen Klangfarben, der Einsatz von traditionell-irischen Instrumenten wie Fiddle, Whistle oder Bodhrán, machen das Album zu einer wunderschönen Abwechslung im Weihnachtsalltag der bellenden Jingles. Und wenn am Ende des Albums "The Enniscorthy Christmas Carol" erklingt – spätestens dann werden anwesende Iren volltönend mit einstimmen. Ganz bestimmt!
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