Vor 175 Jahren: Das erste Konzert der Wiener Philharmoniker

"Euch liebt die Heimat und euch ehrt die Welt"

HK Gruber beim Dirigieren
Der österreichische Dirigent HK (Heinz Karl) Gruber dirigiert die Wiener Philharmoniker beim Luzern Festival am 8.9.2006. © dpa / picture alliance / epa Keystone Urs Flueeler
Von Beatrix Novy · 28.03.2017
Die Wiener Philharmoniker gehören zu den besten Orchestern der Welt. Tickets für ihre Konzerte im Goldenen Saal des Musikvereins sind heiß umkämpft. Die Geburt des Ensembles war ein Konzert am 28. März 1842.
Wien, an einem beliebigen Neujahrsmorgen. Im Goldenen Saal des Musikvereins sitzen die Glücklichen, die hier Zutritt haben; die anderen sitzen vor den Fernsehern. Millionen frönen einem kultigen Traditions-Ereignis: dem Neujahrskonzert der Wiener Philharmoniker. Die Gründer dieses Orchesters würden staunen: Eine Weltkarriere stand ihnen bestimmt nicht vor Augen. Zitat:
"Am Ostermontag, den 28. März 1842, Mittags um halb 1 Uhr, wird das sämmtliche Orchester-Personal des k.k. Hof-Operntheaters im großen Redouten-Saale ein großes Concert folgenden Inhaltes zu geben die Ehre haben."
Das Programm war umwerfend. Von Beethoven allein zwei Ouvertüren, eine Konzert-Arie und die siebte Sinfonie; dazu Stücke von Cherubini und Mozart. Wer waren die Musiker, die sich trauten, im musikverwöhnten Wien eine besondere Rolle spielen zu wollen?
Lange war Orchestermusik eine Sache hochadeliger Gönner gewesen, Josef Haydns Arbeitgeber etwa war Fürst Eszterházy. Auch im biedermeierlichen Wien gab es feste Ensembles nur für Musiktheater. Für Konzerte mussten Klangkörper jedes Mal eigens zusammengestellt werden. Dabei war die Begeisterung des Publikums gerade für die Götter der Wiener Klassik, also Haydn, Mozart, Beethoven, grenzenlos. Dass es da eine Lücke zu schließen gab, lag jahrelang in der Luft. 1842 war es soweit: "Trintintin! Hört! Hört! Es ist die Zeit, dass die Musiker nicht mehr bloß schlafen, oder im Bett geigen wollen! Die Söhne Apollos allzusammen, vereint, wollen einmal Hand ans Werk legen, zu etwas Großem! Kreuzdonnerwetter - Schwerenoth! Aufgewacht!"

Eine demokratische Institution

Das Kreuzdonnerwetter kam vom Komponisten und Dirigenten Otto Nicolai, der mit Bundesgenossen aus der Wiener Musikszene den Plan einer Vereinigung freier Musik-Unternehmer ausheckte - bestehend aus Mitgliedern des von ihm geleiteten Hofopernorchesters.
Haus des Wiener Musikvereins Konzerthalle der Wiener Philharmoniker in Wien, Österreich.
Haus des Wiener Musikvereins Konzerthalle der Wiener Philharmoniker in Wien, Österreich.© imago stock&people
"Das Besondere daran war, dass man im Jahr 1842, also ein paar Jahre vor der 1848er Revolution, sofort in der Form eines Vereins eine demokratische Organisation gründete. Diese Demokratie hat bis heute funktioniert",
sagt der Musikwissenschaftler Norbert Ely. Die Gründung der Wiener Philharmoniker gilt als Beispiel dafür, wie der polizeilich bekämpfte Geist des bürgerlichen Liberalismus auch in den Reihen der Tonkünstler grassierte. Eine Vereinigung gleichberechtigter Musiker, die ihren Dirigenten wählen, die Zahl der Konzerte selbst bestimmen und die Einnahmen teilen, das hatte es bis dahin nicht gegeben, so Norbert Ely:
"Das hängt auch ein wenig damit zusammen, dass mit sehr viel Selbstbewusstsein, aber auch sehr großer Verantwortung die Musiker eben auch die Musik betreiben."
So war es auch gedacht. Der Musik das Höchste an Leistung entgegenbringen, musikalische Moden meiden, das spektakelhafte Auftreten durchreisender Virtuosen entlarven: Das meinte Otto Nicolai, wenn er seine Mitstreiter anspornte: "In der Zeit, da die Sündfluth an Concerten uns zu überschwemmen droht, das herausgeschieden, was schon durch seine Unternehmer und durch die Wahl der Stücke uns die Gewissheit gibt, etwas Seltenes, etwas Großes, etwas Ausgezeichnetes zu sein!"

Doppelt populär

Dazu Norbert Ely:
"Es ist das einzige Orchester, das ich kenne, das eigentlich nie von Dirigenten geprägt worden ist, sondern es ist eher umgekehrt, bedeutende Dirigenten sind durch die Zusammenarbeit mit den Wiener Philharmonikern geprägt worden."

"Euch liebt die Heimat und euch ehrt die Welt!
Wann immer wir des Besten uns besinnen,
Nach dem man eines Volkes Reichtum zählt,
Dann können wir getrost mit euch beginnen."
So dichtete 1924 Anton Wildgans mit dem Respekt, der den Philharmonikern seither gewiss ist. Ein weltbestes Orchester kann es nicht geben, aber zu den besten gehören die Wiener Philharmoniker bis heute. Und ihren besonderen Wiener Klang, spricht ihnen niemand ab. Wie man das macht, fragt Norbert Ely rhetorisch.
"Das kann man gar nicht machen, das ergibt sich."
Da spielen Besonderheiten eine Rolle wie die Tradition des Wiener Geigenbaus, der Wiener Oboe oder des schwer zu spielenden Wiener Horns, Spitzname: Glücksspirale. Und, wie Norbert Ely glaubt, die Zusammenarbeit mit den allerbesten Sängern. Denn nach wie vor gehört jeder Philharmoniker auch zum Orchester der in Wien so sehr geliebten Staatsoper - eine Doppelidentität, die doppelt populär macht.
Mehr zum Thema